Kommentar zum Abstieg aus der Bundesliga - Turbine Potsdam droht der Absturz in die Bedeutungslosigkeit

Fr. 25.04.25 | 21:19 Uhr | Von Lars Becker
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Turbine-Spielerin Emily Lemke sitzt enttäuscht am Boden (Quelle: imago images/Julius Frick)
Video: Sportschau | 25.04.2025 | Torsten Michels | Bild: imago images/Julius Frick

Turbine Potsdam ist erneut aus der Fußball-Bundesliga abgestiegen. Nach dem direkten Wiederaufstieg im letzten Sommer dürfte dieser erneute Absturz in die Zweitklassigkeit gravierende Folgen für den Traditionsklub haben. Ein Kommentar von Lars Becker

Es ist vorbei. Turbine Potsdam verabschiedet sich nach der 1:3-Heimniederlage gegen Bayer Leverkusen zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren aus der Bundesliga. Und diesmal - so traurig es auch ist - aller Wahrscheinlichkeit nach auf Dauer, vielleicht sogar für immer. Eine Rückkehr erscheint ausgeschlossen.

Die gesamte Entwicklung im Frauenfußball spricht gegen Turbine und die anderen verbliebenen reinen Frauenfußball-Vereine. Mit den Frauen-Teams der Männer-Bundesligisten kann Turbine finanziell und strukturell nicht mithalten. Während dort ein Bruchteil des Etats ausreicht, um die Frauen-Abteilungen nachdrücklich voranzubringen, fehlen hier Geld, Infrastruktur und professionelle Bedingungen. Mit den seit Jahren dominierenden Bayern und Wolfsburg bilden jetzt Frankfurt, Leverkusen, Freiburg, Hoffenheim, Leipzig und Bremen die Top-8 der Frauen-Bundesliga. Darunter stehen mit großem Abstand neben Köln die SGS Essen und Jena. Und ganz unten - hoffnungslos abgeschlagen - Turbine.

Der Abstieg kommt nicht überraschend

Nach dem ersten, maßgeblich selbstverschuldeten Abstieg 2023, ist es Präsident Karsten Ritter-Lang, seinem Team, Mannschaft und Trainern noch gelungen, mit einem bemerkenswerten Kraftakt den direkten Wiederaufstieg zu schaffen. Schon da waren die Bedingungen schwierig: Die geradezu verzweifelte Suche nach Unterstützern und Sponsoren ist auch nach der Rückkehr in die Bundesliga nicht leichter geworden. Im Gegenteil. In dieser Saison fehlt Turbine sogar ein Hauptsponsor, die notwendige substanzielle Verstärkung der Mannschaft war weder im Sommer noch im Winter möglich.

Die katastrophale Saison kommt daher nicht überraschend. Eine Mannschaft, die nach 20 Partien mit einem einzigen Pünktchen und einer Handvoll geschossener Tore sieglos und abgehängt am Tabellenende steht, fehlt schlicht die Qualität, um in der Bundesliga zu bestehen.

Turbine war nicht konkurrenzfähig

Die Formulierungen auf der Turbine-Homepage vor der Partie gegen Leverkusen sprechen Bände: "Die Rückrunde zeigt Lichtblicke: Gegen Bremen gelang das erste Tor aus dem Spiel heraus, gegen Leipzig ging die Mannschaft erstmals mit einer Führung in die Halbzeit. Auch gegen Freiburg zeigte das Team eine kämpferische Leistung. Besonders das Spiel in Essen bleibt in Erinnerung - ein früher Führungstreffer und eine überzeugende Leistung, die nur durch zwei unglückliche Elfmeter unbelohnt blieb. Leider ging das Schlüsselspiel gegen Jena verloren...".

Völlig unabhängig von fehlendem Spielglück und Verletzungsproblemen: Turbine - das ist die bittere Wahrheit - war nicht konkurrenzfähig. Dabei war die Chance, in dieser Saison die Klasse zu halten, so groß wie nie. Durch die Erweiterung der Bundesliga zur kommenden Saison auf dann 14 Klubs gibt es nur einen einzigen Absteiger: Turbine!

Koinzidenz der Ereignisse: Während die Potsdamerinnen in die Zweitklassigkeit abstürzen, steigt ein Berliner Nachbar höchstwahrscheinlich am selben Wochenende mit großen Ambitionen in die Bundesliga auf. Nachdem der 1. FC Union seine Frauen-Abteilung auf allen Ebenen professionalisiert hat, ist der Klub in zwei Jahren von der Regionalliga ins Oberhaus durchgestartet.

Und mit dem Gründerinnen-Projekt bei Viktoria Berlin steigt ein weiterer regionaler Konkurrent aller Voraussicht nach im Sommer in die 2. Liga auf. Hertha BSC könnte bald folgen. Auch Stuttgart, Dortmund und Schalke sind längst auf dem Weg. Für Turbine bleibt da in der Bundesliga kein Platz. Es wäre schon ein Erfolg, wenn sich die Potsdamerinnen langfristig in der 2. Liga etablieren würde.

Ein Desaster für die Sportstadt Potsdam

Ich hatte auch gehofft, dass Turbine in diesem ungleichen Kampf gegen Windmühlen zumindest noch einige Jahre bestehen kann. Es ist anders gekommen, früher, brutaler. Dieser Abstieg von Turbine ist auch ein Desaster für die Sportstadt Potsdam. Die besten Jahre und die großen Erfolge - sechsmal Deutscher Meister, dreimal DFB-Pokalsieger sowie 2005 und 2010 Champions League-Sieger - liegen lange zurück.

Jetzt aber droht Turbine Potsdam, einer der traditionsreichsten und erfolgreichsten Frauen-Fußball-Klubs des Landes, einem Leuchtturm des Potsdamer Sports, perspektivisch in der sportlichen Bedeutungslosigkeit zu versinken.

Sendung: rbb24, 25.04.2025, 21:45 Uhr

Beitrag von Lars Becker

9 Kommentare

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  1. 9.

    Sie haben die Villen vergessen! Wie die berühmte Jauchvilla, die Joopvilla und noch viele andere!

  2. 8.

    Die Wuhlheide ist nie eine Alternative. Entweder ist man Fan oder nur Eventi. Feddisch! Wenn man als Fan/Mitglied ein „Weiter-so“ haben will/wollte, ist man ganz einfach jetzt auf dem Boden der Realität hart aufgeschlagen und wird da möglicherweise lange liegen bleiben. Zu lange gesonnt im Glanz der alten Erfolge und festgehalten am System Schröder. T.Kemme & Team waren nicht gewollt. Ergebnis siehe jetzt. Und ich gehe mit, daß es über lange Jahre max.zur Regio reichen wird.

  3. 7.

    Ich habe lange die Daumen gedrückt, die Substanz ist zu gering, es bleibt zu hoffen das sie nicht gleich nach unten durchgereicht werden. I mm Raum Berlin ist Union im Aufwind mit sicher besseren Bedingungen. Alles gute trotzdem ich bleibe Fan .

  4. 6.

    Das war abzusehen. Da könnte man als Sympathisant noch so viele Daumen drücken, die Chance auf den Klassenerhalt war von Anfang an unwahrscheinlich. Wenn Du keine namhaften Männermannschaft oder einen interessierten Mäzen als Pfand in der Hinterhand hast, stehen die Ampeln perspektivisch auf Rot. Auch im Damenfußball kaufen die großen bzw. finanzkräftigeren Vereine den kleineren Vereinen mittlerweile die Talente weg. Ich befürchte, das die Fans von Turbine sich wohl langfristig eher mit der Regionalliga anfreunden müssen.
    Schade, aber das ist wohl der Lauf der Dinge. Über Wunder würde ich mich natürlich freuen, anderseits ist die Wuhlheide von KW auch gut erreichbar, wenn man weiterhin Damen Erstligafußball sehen möchte.

  5. 5.

    So leid's mir tut, aber das dürfte es erstmal gewesen sein mit Turbine. Hoffentlich übernehmen die Eisernen Ladies, damit auch in Zukunft ein hiesiger Club in der Frauen-Bundesliga aktiv ist. Btw, wie geht's eigentlich Bernd Schröter? Glück Auf!

  6. 4.

    Ironischerweise fällt der Frauenfussballpionier Turbine hier der nachhaltigen Förderung des Damenfussballs zum Opfer.
    Tragisch...

  7. 3.

    Wenn man ehrlich ist, ging es seit dem Abgang Bernd Schröders bergab. Schade um den Verein und dem Umfeld, denn es wären schöne Spiele gegen Union geworden.

  8. 2.

    Zu DDR-Zeiten war es die Armee und die bewusste Ansiedlung systemnaher Institutionen, die auch den Leistungssport zu Höchstleistungen brachten. Nach 1990 war es v. a. der Geschäftsführer der Potsdamer Stadtwerke, Peter Paffhausen, der Potsdam PR-mäßig gleichauf mit Berlin bringen wollte. Davon profitierte dann auch Turbine Potsdam. Das ist dann nicht ganz zu Unrecht hinterfragt worden.

    Inzwischen ist Potsdam sichtlich auf Normalmaß angekommen. Dass Turbine dabei dran "glauben" musste: Schade. Auf Augenhöhe mit Berlin kann Potsdam nur kulturell punkten, bspw. bei den Schlössern und Gärten, in der Filmstadt und beim Barberini.

  9. 1.

    Ist schon traurig, dass ein Traditionsverein wie Turbine keine Sponsoren findet, nur weil es keine korrespondierende Männermannschaft gibt. Da ist noch viel Überzeugungsarbeit erforderlich, damit die Verantwortlichen und die potentiellen Sponsoren erkennen, dass Frauenfußball genau so wichtig wie Männerfußball ist.

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