Berliner Sportler erleben Corona-Krise im Ausland - Von Döner-Frust in Japan und türkischer Einsamkeit

Sa 28.03.20 | 14:48 Uhr | Von Ilja Behnisch
Joan Oumari, Leon Gawanke, Ersan Parlatan, Maximilian Philipp (imago images, Instagram/Leon Gawanke)
Bild: imago images, Instagram/Leon Gawanke

Auch die Berliner Fußballer Maximilian Philipp und Joan Oumari, Trainer Ersan Parlatan sowie Eishockey-Spieler Leon Gawanke müssen gerade eine Zwangspause einlegen. Die Corona-Krise erreichte sie in Russland, Japan, der Türkei sowie Kanada. Hier berichten sie.

Was Sie jetzt wissen müssen

Maximilian Philipp (Fußball) | Moskau, Russland

"Es ist nicht so extrem wie in Deutschland oder anderswo. Man merkt schon einen Unterschied, viele laufen mit Masken rum. Aber ansonsten … die Straßen sind noch relativ voll", sagt der 26-jährige Maximilian Philipp am Freitag am Telefon. Der gebürtige Berliner geht nach Stationen beim SC Freiburg und Borussia Dortmund inzwischen bei Dynamo Moskau auf Torejagd. Allerdings: "Heute ist der letzte Tag, ab morgen sind die Geschäfte für eine Woche geschlossen."

Also nochmal einkaufen - zusammen mit Mitspieler Roman Neustädter, der einst für Mainz, Mönchengladbach und Schalke in der Bundesliga auflief. Die beiden bilden inzwischen sogar eine Wohngemeinschaft, denn mit der Pause der russischen Liga schloss auch das Trainingsgelände ihres Klubs, auf dem Neustädter zuletzt untergebracht war.

Wir haben uns so einen kleinen Plastikball gekauft, spielen Fußball-Tennis oder Fußball-Golf. Das, was man so machen kann in der Wohnung.

Maximilian Philipp

Die WG hilft gegen die Langeweile, aber auch, weil Roman Neustädter - geboren in Dnipropetrowsk, aufgewachsen vor allem in Mainz - seit 2016 russischer Staatsbürger (und Nationalspieler) ist und die Sprache beherrscht. So bleiben sie auf dem Laufenden, auch wenn für Philipp wichtiger ist, "was in Deutschland ist, weil da ja meine Familie ist".

Bis zum 1. April pausiert die Liga einstweilen und damit auch der Trainingsbetrieb. "Wir haben jetzt immer morgens Video-Fitness-Training mit der ganzen Mannschaft", erzählt Philipp. Und sonst? "Spielen wir ein bisschen Playstation. Und wir haben uns so einen kleinen Plastikball gekauft, spielen Fußball-Tennis oder Fußball-Golf. Das, was man so machen kann in der Wohnung." Wer denn häufiger gewinnt, will man wissen: "Ich muss ehrlich sagen, Roman führt leider." Und nach einer kurzen Pause: "Glück."

Joan Oumari (Fußball) | Tokio, Japan

Seit Mittwoch muss Joan Oumari, der seine Karriere einst bei den Reinickendorfer Füchsen begann, der es über die 2. Bundesliga und die türkische Süper Lig bis zum Mitspieler von Lukas Podolski bei Vissel Kobe gebracht hat, nun daheim bleiben.

Der 31-jährige Abwehrspieler steht seit Anfang des Jahres beim FC Tokio unter Vertrag, seit Ende Februar pausiert der Ligabetrieb der J-League. Training gab es weiterhin, auch Testspiele. Nun aber erstmals: eine Woche Pause.

Die Infektions-Zahlen in Japan sind gering (1.387 Fälle bei 127 Millionen Einwohnern), im Fußball gibt es noch keinen einzigen positiven Befund. Vielleicht auch, so Oumari, weil die Etikette ohnehin auf Abstand und Verbeugung statt Händedruck setzt. "Hier lebt man noch ganz normal", sagt er über seinen Alltag in Japan.

Ein paar Veränderungen gibt es aber doch. Im Training "kriegt jetzt jeder eine einzelne Wasserflasche", erzählt Oumari. Und: "Wenn ich essen gehe, im Restaurant, kommen sie direkt mit dem Desinfektionsspray und einem feuchten Tuch für die Hände." Und: "Als ich gestern einkaufen war, ist es zum ersten Mal passiert, dass die Regale leer waren. Brot, Milch, Nudeln und Klopapier gibt es auch nicht mehr. Jetzt fangen sie hier auch schon an", sagt Oumari beim Telefonat am Freitag und lacht.

Am Wochenende geht es wieder los. Laufen, bewegen, "um im Rhythmus zu bleiben, draußen, alleine". Der Deutsch-Libanese wohnt nicht direkt in Tokio, sondern am etwas außerhalb der Metropole gelegenen Trainingsgelände seines Vereins. Seine Frau, die eigentlich mit ihm lebt, musste unlängst nach Deutschland, kann nun nicht wieder zurückkehren. Japan hat ein Einreisestopp aus Deutschland verhängt.

Bleibt der Kontakt via Internet. Auch zu seinem Ex-Mitspieler Lukas Podolski. Der "schickt mir immer, wie er Döner isst, und macht mich dann manchmal eifersüchtig." In Tokio gäbe es zwar auch einen Dönerladen, aber der sei, so Oumari, "eine Katastrophe."

Ersan Palatan (Fußball) | Izmir, Türkei

"Es gibt schlechtere Orte", sagt Ersan Parlatan, ehemals Trainer von Viktoria Berlin und des Berliner AK und inzwischen Co-Trainer des türkischen Erstligisten Göztepe.

Das Meer vor der Tür, seine Wohnung auf dem Vereinsgelände wird täglich gereinigt, zudem kommt ein Koch auf die Anlage und versorgt die dort lebenden Spieler und Angestellten. "Ich mache jeden Tag Sport, schaue mir Spiele an, um up to date zu bleiben. Ich habe hier alles, was ich brauche", sagt der 42-jährige Parlatan, "nur bin ich hier allein, das ist das Traurige an der Sache."

Bis zum vergangenen Dienstag wurde der Ligabetrieb in der Türkei noch aufrecht erhalten. "Ab Freitag sind die Jungs nach Hause geschickt worden", erzählt Parlatan. Grundsätzlich sei die Lage nicht so wie in Berlin, seiner Heimat. Nur Menschen über 65 müssten daheim bleiben. Dennoch hätten inzwischen viele Geschäfte geschlossen. Und das, obwohl "es hier ja so ist, dass der Gesundheitsminister abends vor die Kameras tritt und nur sagt: so viele neue Fälle, neue Tests. Der Informationszufluss ist hier sehr bescheiden."

Sein Vertrag bei Göztepe, aktuell Achter der Süper Lig, läuft bis zum Saisonende. Parlatan spielt die Optionen durch, auch eine Rückkehr nach Deutschland sei ein Thema, aber ebenso ein Verbleib. "Ich mache mir so meine Gedanken, wie es dann weitergeht. Es hat sich alles nach hinten verschoben, wie die Saison auch." Immerhin das Meer bleibt, wo es ist.

Leon Gawanke (Eishockey) | Winnipeg, Kanada

Auch der Traum vom Profi-Eishockey in Nordamerika ist für Leon Gawanke seit vergangenem Donnerstag erstmal auf, nun ja, Eis gelegt. Seither ist der Ex-Spieler der Eisbären Juniors Berlin wieder in seiner Heimat, bei seiner Familie in Tegel.

Dabei sah es lange Zeit gar nicht danach aus, als sollte die Corona-Krise auch in seine neue Wahlheimat vordringen. Als die Deutsche Eishockey Liga (DEL) schon abgebrochen war, spielten sie hinter dem großen Teich zunächst noch weiter. Gawanke läuft für die Manitoba Moose, ein Farmteam des NHL-Klubs Winnipeg Jets, auf. Dafür kam das vorläufige Saisonaus umso abrupter: "Wir waren auf einem Trip nach Milwaukee, da sind wir am Morgen hingeflogen, am Abend wieder zurück", sagt Gawanke am Telefon.

Es durften nur noch Europäer in den Flieger, da wurden Menschen abgewiesen. Die Stewardessen hatten alle Masken, das war schon beängstigend.

Leon Gawanke

Unterwegs wurde die Saison gestoppt. Das war so vor drei Wochen. Es war ein jäher Einschnitt: "Sobald die Liga abgesagt wurde, haben wir uns nie wieder gesehen. Seit wir damals aus dem Flughafen raus sind. Wir sollten nicht mehr zur Halle kommen, es durften keine Meetings mehr gemacht werden, alles war geschlossen."

Wie viele andere Sportler macht Gawanke deshalb nicht Nichts: "Wir haben einen Trainingsplan bekommen von unserem Fitnesstrainer. Dem mussten wir mitteilen, was an Geräten und Material wir zu Hause haben, und auf dieser Basis hat er uns einen Plan geschrieben."

Die Entscheidung zur Rückkehr nach Berlin fällte er wegen der Nähe zur Familie: "Wir haben die Nachricht erhalten, dass wir nach Hause können. Und da habe ich so schnell wie möglich gehandelt." Der Heimflug blieb haften: "Es durften nur noch Europäer in den Flieger, da wurden Menschen abgewiesen. Die Stewardessen hatten alle Masken, das war schon beängstigend."

Ob und wann die Saison für ihn weitergeht, ist unklar. Ebenso, ob er überhaupt fliegen kann, sollte er zurückgerufen werden. So lange die Ungewissheit anhält, vertreibt er sich die Zeit. "Ich spiele mit meinen Kumpels an der Playstation, gehe mal mit dem Hund raus. Und wenn meine Großeltern was brauchen, gehe ich Besorgungen machen."

Immerhin, bezahlt wird nach Informationen der Spielergewerkschaft weiterhin. Noch weit über zwei Jahre Vertrag also. Zeit genug, um den Traum Profi-Eishockey in Nordamerika wieder aufleben zu lassen.

Beitrag von Ilja Behnisch

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