Interview | Berliner Boxer Hamsat Shadalov - "Es war ein sehr komisches Gefühl"

Mi 18.03.20 | 20:37 Uhr
Der Berliner Boxer Hamsat Shadalov beim Olympia-Qualifikationsturnier (Quelle: imago images/ZUMA Wire)
Bild: imago images/ZUMA Wire

Die Olympischen Spiele waren immer der Traum von Hamsat Shadalov. Nun erfüllte ihn sich der Berliner Boxer. Er sicherte sich seinen Platz beim Quali-Turnier in London - kurz vor dessen Abbruch. Die Umstände? Absurd. Über Vollkontaktsport mitten in der Corona-Krise.

Was Sie jetzt wissen müssen

Es war ein skurriles Turnier, das bis Montag in London stattfand. Manche sagen: Es war eine Farce. Drei Tage lang standen sich Boxer bei der Olympia-Qualifikation im Ring gegenüber, ehe es doch abgebrochen wurde. Vollkontaktsport zu einem Zeitpunkt der Corona-Krise, zu der eigentlich schon alles ruhte. 1,50 Meter Abstand im Ring? Nicht vorstellbar.

Mit dabei war der Berliner Hamsat Shadalov. Und der 21-jährige Federgewichtlicher machte inmitten dieses denkwürdigen Settings seinen Traum wahr. Der 57-Kilo-Mann - Spitzname: Tschetschenischer Wolf -, der seit 2005 in der Hauptstadt lebt und für Hertha BSC kämpft, besiegte Europameister Kurt Walker aus Irland, zog ins Viertelfinale ein und löste das Ticket für die Olympischen Spiele. Auf den allerletzten Drücker vor dem Abbruch.

rbb|24: Das sind die Szenen Ihres Kampfes gegen Kurt Walker. Wie fühlt es sich an, diese Bilder noch einmal zu sehen?

Hamsat Shadalov: (schaut aufs Display) Obwohl dieser Moment jetzt ein paar Tage vorbei ist, bin ich trotzdem emotional gerührt. Ich kann das Gefühl nicht beschreiben. Das war Wahnsinn, einfach Wahnsinn! Und im Kampf wusste ich zwar, dass mein ganzes Team laut war - aber man bekommt nicht alles mit. Wenn ich das jetzt im Video sehe, ist das einfach Hammer. Wenn ich an den Moment denke, in dem meine Hand hochgeht, dann habe ich bis jetzt Gänsehaut.

Sie haben es als einziger von 13 deutschen Boxern geschafft. Was bedeutet Ihnen diese Olympia-Qualifikation?

Das bedeutet mir natürlich sehr viel, weil das schon mein Kindheitstraum war. Seit ich acht Jahre alt bin denke ich: 'Ich will zu Olympia, ich will zu Olympia!' Ich möchte da teilnehmen und auch etwas reißen. Und jetzt ist es so weit. Hoffen wir zumindest einmal.

Es war alles andere als eine normale Qualifikation. Sie haben eine sehr, sehr turbulente Woche hinter sich. Montag gleich nach Ihrem Kampf wurde das Turnier abgebrochen. Beschreiben Sie mal die Zeit aus Ihrer Sicht.

Es war ein sehr komisches Gefühl. Alles ging sehr, sehr schnell. Nach dem Kampf am Montagabend mussten wir direkt unsere Sachen packen, weil wir am nächsten Morgen los mussten. Ich habe das ehrlich gesagt - weil ich so krass im Turnier war - gar nicht so richtig realisiert, dass das wegen des Coronavirus jetzt abgebrochen werden muss.

Das Internationale Olympische Kommitee (IOC) hat trotz Drängen der Box-Verbände, die gesagt haben, man solle es gar nicht stattfinden lassen, mit dem Turnier angefangen. Nach drei Wettkampftagen war dann aber vorzeitig Schluss. War es die richtige Entscheidung, das abzubrechen?

Das kann ich schwer sagen. Ich habe das - wie gesagt - nicht so mitbekommen. Wir hatten dieses unbedingte Ziel, uns zu qualifizieren. Ich habe es Gott sei Dank auch geschafft. Aber die Gesundheit geht natürlich vor. Das ist gar keine Frage. Und als das während dieser Woche so zustande kam, hat auch unser Team gesagt: Es reicht. Das wäre auch so gewesen, wenn das IOC das nicht gesagt hätte.

Wir haben uns natürlich alle ein bisschen Sorgen gemacht. Weil im Endeffekt kamen wir am Flughafen an, haben die Abflugtabelle gesehen und da war alles gestrichen. Außer unser Flug nach Berlin und der nach Frankfurt. Gott sei Dank ist es gut gegangen.

Hamsat Shadalov

Boxen ist eine Sportart, die vom Vollkontakt im Ring lebt. 1,50 Meter Abstand gehen da nicht. Hatten Sie Angst, sich zu infizieren?

Ich muss ehrlich sagen: Nein. Wir wurden kontrolliert. Wir mussten jeden Morgen Fieber messen. Das galt auch für die ganzen Sportler, schon bevor wir angereist sind. Jeder wurde gesundheitlich richtig gecheckt und überprüft. Da habe ich mir keine Sorgen gemacht. Es waren auch keine Zuschauer dabei. Es waren nur Sportler - Boxer, Trainer und Physios. 

Wie war die Stimmung vor Ort ohne Zuschauer und Co.?

Man hat halt nur seine eigenen Leute gehört. Niemand anderes hat geschrien oder so. Ich habe meine deutschen Teamkollegen gehört, die mich angefeurt haben. Ich habe alles gut verstanden. Man hat viel, viel mehr Ruhe.

Wie ging es weiter, als die Absage feststand. Wie lief die Rückreise?

Nach meinem Kampf gab es ein Teammeeting. Sie haben uns gesagt: 'Ihr packt eure Sachen. Könnt ganz ruhig euren Abend genießen. Und ab morgen geht direkt von London aus der Flieger zurück.' Es hat alles super geklappt. Aber wir haben uns natürlich alle ein bisschen Sorgen gemacht. Weil im Endeffekt kamen wir am Flughafen an, haben die Abflugtabelle gesehen und da war alles gestrichen. Außer unser Flug nach Berlin und der nach Frankfurt. Gott sei Dank ist es gut gegangen.

Wie froh sind Sie, nun wieder in Berlin zu sein?

Ich kann das gar nicht beschreiben. Berlin ist einfach meine Heimat. Ich war jetzt mehrere Wochen weg - die ganze Zeit nur trainieren (Anm. d. Red.: Vor dem Quali-Turnier in London waren die deutschen Boxer im Trainingslager in Sheffield). Man versucht sich, auf diese eine Sache zu fokussieren. Für mich hat es natürlich gut geklappt. Aber im Endeffekt: Zuhause ist es am Schönsten.

Stand jetzt hält das IOC an der Durchführung der Olympischen Spiele in Tokio im geplanten Zeitrahmen fest. Halten Sie das für richtig?

Es kann sein, dass Olympia am Ende verschoben wird. Man weiß es nicht. Genauso wie die Fußball-Europameisterschaft verschoben wurde (Anm. d. Red.: Die UEFA hat das Turnier um ein Jahr auf 2021 verschoben). Es ist alles für die Sicherheit und Gesundheit, die natürlich vorgeht. Und wenn bis dahin der Stand des Coronavirus so bleibt, glaube ich auch, dass es dazu kommen wird.

Was würde eine Verschiebung für Ihre Qualifikation bedeuten - bleibt sie gültig?

Ich denke schon. Wieso sollte das nicht so sein. Das IOC hat gesagt: Das Turnier wird so gewertet. Die Leute, die sich qualifiziert haben, haben sich qualifiziert. Für die, die weitergekommen sind, aber nicht mehr die Chance hatten zu kämpfen, geht das Turnier natürlich an einem neuen Datum weiter. Sie haben dann die Gelegenheit, sich zu qualifizieren. Da sind auch noch ein paar Leute von uns, die - das denke ich - schaffen werden. 

Wie wäre es für Sie, wenn die Olympischen Spiele verlegt oder gar abgesagt würden?

Das wäre ein sehr komisches Gefühl. Man geht so lange seinem Traum nach. Man trainiert jeden Tag. Man denkt auch den ganzen Tag und die Nacht nur darüber nach: Olympiade, Olympiade, Olympiade. Man hat so viele Turniere geboxt und will nur dorthin. Man sieht seine eigene Familie nicht, seine Freunde nicht - hat keine Freizeit. Wenn sie jetzt sagen: Stopp, es geht nicht, dann ist das traurig. Ich denke nicht nur für mich und die Boxer, sondern für alle Sportarten. 

Wie sieht nun Ihr Trainingsplan für die nächsten Wochen aus - aktuell ist der Stand ja, dass es im Juli in Japan losgeht?

Ich bin jetzt gerade vom Turnier gekommen und habe zwei harte Kämpfe gemacht. Da steht erstmal ein bisschen Ruhe an. Eine Pause würde mir jetzt auch sehr guttun. In ein, zwei Wochen werde ich dann wieder anfangen, joggen zu gehen. Der Rest hängt auch davon ab, was jetzt in nächster Zeit wegen des Coronavirus mit den Sporthallen festgelegt wird. Wenn sie sagen: Die Hallen werden wieder aufgemacht, wäre das natürlich top. Dann muss man sich nichts Anderes zu überlegen. 

Wenn die Olympischen Spiele stattfinden, was nehmen Sie sich vor?

Man sagt ja: Dabei sein ist alles bei Olympia. Das ist das Motto. Ich finde, das ist nicht schlecht. Olympia ist natürlich das Große vom Großen. Aber wenn ich zu einem Turnier fahre oder fliege, dann um Erster zu werden. Das ist mein Ziel - auch bei Olympia: Für Deutschland die Goldmedaille mit nach Hause zu nehmen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Uri Zahavi, rbb Sport.

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