Interview | Sport in Zeiten von Corona - "Wer keine Beschwerden hat, darf weiter körperlich aktiv sein"
Während der Profisport fast komplett lahmliegt, fragen sich viele Menschen, ob sie noch Sport treiben sollten. Worauf man dabei achten sollte und was wir von den Erkenntnissen aus China lernen können, erzählt der Pneumologe Matthias Krüll im rbb|24-Interview.
rbb|24: Herr Krüll, Großveranstaltungen, zuletzt auch der Halbmarathon, sind wegen des Coronavirus abgesagt worden. Sehen Sie diese Entscheidung als alternativlos an?
Matthias Krüll: Ja, denn wir wissen sehr gut, dass wir die beste Chance haben mit einem blauen Auge durch diese ganze Pandemie zu kommen, wenn wir es schaffen, diese hohe Dynamik ein wenig einzudämmen und zu bremsen. Bei einer Veranstaltung wie dem Halbmarathon haben wir gerade in der Startphase zehntausende Menschen, die auf engstem Raum stehen. Im Ziel stehen sie dann schnaufend und schwitzend auf engstem Raum. Das zu vermeiden, ist glaube ich tatsächlich alternativlos.
Also wird der Berlin-Marathon Ende September dann auch abgesagt?
Das hoffe ich nicht. Wir wissen nicht genau, wie die Dynamik ist. Wir können nur versuchen, das rasante Ausbreiten zu verhindern. Wir hoffen natürlich nicht, dass das bis in den Herbst hineingeht. Wir denken aber auch, dass möglicherweise dann die Durchseuchungsrate so ist, dass man sagt: Der größte Teil der Bevölkerung und der möglichen Teilnehmer ist möglicherweise schon durch so eine Infektionsrunde durchgegangen, sodass es dann auch unbedenklich ist, zu starten.
Können wir damit rechnen, dass im Sommer zum Beispiel in der Bundesliga wieder gespielt wird, oder würde man, wenn man damit einfach nur das Problem verschieben?
Ich hoffe, dass wir nach einer gewissen Zeit wieder mit solchen Veranstaltungen anfangen können. Ob das in sechs oder acht Wochen ist - was ich nicht glaube – oder wahrscheinlich erst in drei oder vier Monaten, wird man sehen. Die Daten aus China haben aber gezeigt, dass das Eindämmen oder Begrenzen sicher ein wichtiger Punkt ist.
Wie kann man sich denn privat jetzt noch fit halten - vielleicht auch unter Quarantäne - und was muss man beachten, wenn man Sport treibt?
Das Wichtigste ist tatsächlich, dass Sie versuchen sollten, größere Menschenansammlungen zu vermeiden. Ich weiß nicht, ob der Besuch im Fitnessstudio jetzt noch die beste Idee ist. Wenn sich zwei Leute unterhalten, verbrauchen sie ungefähr sechs Liter Luft pro Minute. Und mit jedem Wort stößt man auch eine Art Wolke an kleinsten Wasserpartikelchen aus. Das passiert in einem Kreis von einem bis 1,50 Meter. Wenn ich Sport mache, sind das mitunter 120 Liter Luft, die ich auspuste - und ich mache das viel kräftiger. Das heißt, ich verteile das mehr. Ich sollte also jetzt versuchen, beim Sport mehr Abstand zu den Umliegenden zu halten und das nicht in geschlossenen Räumen zu machen. Wenn ich draußen joggen gehe, ist das sicher kein Problem. Es gelten natürlich die allgemeinen Regeln: Wenn man krank ist, sollte man keinen Sport machen. Wenn die Nase läuft, sollte ich das nicht tun: Das ist so eine Lebensweisheit.
Muss man Angst haben, das Virus in sich zu tragen, ohne es zu merken und nur noch nicht getestet worden zu sein?
Angst muss man nicht haben, die Chance ist aber da. Wir haben aus den anderen Ländern gelernt, dass es tatsächlich eine gewisse Rate von Infizierten gibt, die völlig asymptomatisch - also ohne irgendwelche Beschwerden - sind. Das macht die Sache im Moment eben auch so schwierig und unvorhersehbar. Es gibt diese Dunkelziffer an Positiven, die zwar keine Symptome haben, aber andere durchaus anstecken können. Wenn man keine Beschwerden hat, spricht eigentlich nichts dagegen, weiter körperlich aktiv zu sein.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führten Marco Mehner und Simon Wenzel, rbb Sport. Es handelt sich um eine redigierte und gekürzte Fassung.
Sendung: rbb UM6, 13.03.2020, 18 Uhr