Interview | Albas Manager Marco Baldi - "Basketball ist nicht das Allerwichtigste"

Do 02.04.20 | 09:45 Uhr
Marco Baldi zu Gast bei "Talk aus Berlin" (Quelle: rbb)
Bild: rbb

Chats organisieren, das Team bei Laune halten: Obwohl die Basketball-Saison unterbrochen ist, hat Alba-Geschäftsführer Marco Baldi viel zu tun. Im Interview sagt er, warum die Corona-Krise auch große Vereine trifft und wo er jetzt den Fokus setzt.

rbb|24: Letzte Woche Mittwoch haben Sie in einer Videokonferenz mit für eine verlängerte Saisonunterbrechung gestimmt, warum haben Sie sich gegen einen Abbruch entschieden?

Marco Baldi: Es gibt kein Argument für einen Saisonabbruch, außer einer möchte seine Ruhe haben. Denn keiner weiß, was kommt und man kann sich durchaus Szenarien vorstellen, dass man sich irgendwann sehr ärgern würde, wenn man jetzt vorschnell Optionen zumacht, die man eventuell später wieder ziehen könnte. Und insofern denke ich, war das richtig, was die Liga entschieden hat - mit großer Mehrheit auch.

Die kleinen Clubs merken aber schon nach wenigen Wochen die Folgen einer Unterbrechung. Sie sind ja schon seit Jahrzehnten im Geschäft, kennen auch die Sorgen der anderen, sind auch Basketball-Bundesliga-Vizepräsident: Wie schwer fällt es Ihnen als Manager eines großen Clubs, sich da zu positionieren?

Mir fällt das überhaupt nicht schwer, weil ich finde, das hat mit einem relativ normalem Menschenverstand zu tun und weniger mit groß und klein. Wir haben auch viel mehr zu verlieren: Alba Berlin hat an die 150 Angestellte; wir sind ja auch ein großer Sozialakteur in der Stadt mit 120 Trainerinnen und Trainern, die da aktiv sind. Und alle würden gern wissen wollen, wie es da weiter geht. Und wir wollen das Schiff am Laufen halten und das ist sicher kein kleineres oder größeres Problem, als bei kleineren Clubs. Insofern stört mich diese Verkürzung mit groß und klein immer ein bisschen. Alle müssen kämpfen, alle sitzen da auch letztendlich im selben Boot. Und insofern finde ich jetzt auch richtig, wenn man jetzt nicht nur versucht, seine eigenen Probleme zu lösen, sondern dass man sich darüber hinaus die Zeit nimmt, um über den eigenen Tellerrand zu schauen.

Was bedeutet denn jetzt diese Pause bis mindestens Ende April für Alba Berlin konkret, wie sieht beispielsweise der Alltag der Spieler aus?

Die Spieler scharren natürlich mit den Hufen und versuchen, sich irgendwie fit zu halten. Ein Mannschaftstraining wäre dumm und das gibt es auch nicht. Natürlich würde jeder gern wissen, wie es weiter geht, das geht ja allen Menschen in allen Bereichen gerade so. Ich weiß, wir haben verschiedene Chatgruppen und so was eingerichtet, wo die Jungs quasi alle miteinander verbunden sind und die sich austauschen, aber früher oder später fällt denen natürlich die Decke auf den Kopf - wie allen anderen auch.

Viele Vereine haben ja auch ihre ausländischen Profis in die Heimat reisen lassen. Bei Alba ist Peyton Siva wieder in den USA, Martin Hermannsson wieder in Island. Wieso haben Sie sich dazu entschieden, die Spieler fahren zu lassen?

Ich denke, das ist eine Selbstverständlichkeit, dass man in Krisenzeiten den Menschen überlässt, wo sie sein wollen. Die meisten wollen natürlich bei ihren Familien sein und ich glaube, da muss man nicht diskutieren, sondern das ist das Einfachste, was man entscheiden kann und auch das Naheliegendste. Und wenn der Trainings- oder Spielbetrieb wieder laufen sollte, dann werden wir auch fähig genug sein, das alles auf die Schnelle so zu organisieren, dass das alles auch wieder funktionieren kann.

Dabei war es doch bis zur Unterbrechung so eine gute Saison für Alba, mit dem Pokalgewinn 2020 endlich der erste Titel unter Coach Aito Garcia Reneses, als Tabellenvierter für die Playoffs qualifiziert - was bleibt davon übrig?

Wir haben noch viel Zeit, uns darüber Gedanken zu machen, ob und wie so eine Saison dann gewertet wird. Ich setzte mich dann dafür ein, dass bei einem Abbruch der Pokalsieger auch gleichzeitig zum Meister erklärt wird. (lacht). Nein, was für uns wichtig ist, ist dass wir ein sehr intaktes Team beieinander haben, das über Jahre jetzt zusammengewachsen ist. Das sieht man auch in solchen Situationen, in solchen Krisen, wie eng die miteinander kommunizieren und sich praktisch suchen und eigentlich auch auf die Uhr schauen, wann sie endlich wieder zusammen sein können und auch wieder zusammen spielen können. Also gar nicht für den Beruf, sondern auch, weil was fehlt. Denn neben dem Spiel vermissen die Spieler auch die Kollegen und das Spiel, das man über die Saison immer weiter verbessert hat, das fehlt unseren Protagonisten jetzt und das bleibt auch, das wird nicht so schnell verloren gehen.

Wie sehr vermissen Sie den Basketball, denn mit dem Spiel an sich beschäftigen Sie sich momentan ja eher wenig bis gar nicht?

Wir alle wissen - und das ist für mich nicht neu - dass Basketball nicht das Allerwichtigste auf der Welt ist. Sondern wir wissen genau, welche gesellschaftlichen Teile aktuell enorm gefordert sind: viele Menschen im Gesundheitssystem, aber auch Journalistinnen und Journalisten, viele, die für die Versorgung tätig sind. Das sind diejenigen, die jetzt alles am Laufen halten. Was aber tatsächlich fehlt, ist das Kribbeln vor Spielen. Diese Rituale, die man da auch hat, dass man, wenn man sich Richtung Halle bewegt und man weiß, gegen wen man spielt, dass sich dann so eine angenehme Unruhe vor dem Spiel aufbaut, dass man dann das Publikum um sich hat, die Fans, also diese ganze Bewegung, die das immer auslöst - das fehlt. Aber das werden wir bald wieder haben. Fragt sich nur wie bald. Und dann werden wir das alle um so mehr genießen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dieser Text ist eine redigierte Fassung. Das Telefoninterview führte Astrid Kretschmar.

Sendung: Inforadio, 04.04.2020

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