Innenverwaltung entscheidet über Hygienekonzept - "Berührung ist beim Pferdesport völlig ausgeschlossen"

So 26.04.20 | 10:31 Uhr | Von Till Oppermann
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Ein Renntag im Jahr 2019 in Berlin-Mariendorf. / imago images/Marius Schwarz
Bild: imago images/Marius Schwarz

Auf den Rennbahnen in Mariendorf und Karlshorst soll ab dem 1. Mai getrabt werden. Ohne Publikum. Es geht um den Erhalt der Sportart - und ums Geld. Zu Wochenbeginn entscheidet die Innenverwaltung des Senats. Von Till Oppermann

Eigentlich ist die Saison auf den Berliner Trabrennbahnen in Karlshorst und Mariendorf zu dieser Zeit des Jahres längst in vollem Gange. Wäre da nicht die Corona-Krise. Wegen des Betretungsverbots für Sportstätten in Berlin dürfen bisher auch die Traber auch keine Rennen durchführen. Doch das soll sich nach dem Willen der Veranstalter nun ändern.

Gemeinsam mit den anderen Veranstaltern in Deutschland soll es einen Notfall-Rennplan geben. Natürlich ohne Publikum. "Wir haben bei der Senatsinnenverwaltung beantragt, am 1. Mai ohne Zuschauer fahren zu dürfen", erzählt Dimitrios Vergos. Er ist Geschäftsführer der Betreibergesellschaft der Strecke in Karlshorst - und hofft auf eine rasche Entscheidung. Sein Rennen ist der erste Termin des Notfallplans.

Training auf der Bahn ist bereits erlaubt

"Es wäre super, am Montag Bescheid zu wissen, damit wir den Startern klipp und klar sagen können, dass es stattfindet", sagt Vergos. Ihm habe man mitgeteilt, dass man sich noch mit dem Gesundheitsamt in Lichtenberg über das Hygienekonzept abstimmen müsse. Eine endgültige Entscheidung will die Senatsinnenverwaltung demnach Anfang der Woche treffen.

Damit die Rennpferde genug Auslauf bekommen, darf auf der Bahn seit Mitte März zumindest trainiert werden. Weitere Vorgaben habe es nicht gegeben. Die allgemeinen Regeln der Kontaktbeschränkungen bieten auch den Rahmen für das Hygienekonzept für die anvisierten Geisterrennen: Soziale Kontakte sind auf ein Minimum zu reduzieren. Das Tragen von Gesichtsmasken ist dringend empfohlen. Der Mindestabstand von 1,5 Metern ist einzuhalten.

Weitläufige Gelände

"Berührung ist beim Pferdesport völlig ausgeschlossen", sagt Heiko Lingk, der Pressesprecher der Trabrennbahn in Mariendorf. "Wir haben alle Argumente in der Hand." Er ist sich sicher, dass die Behörden mitspielen. Denn solange ein Fahrer hinter seinem Pferd im Sulky sitze, sei der Vordermann dreieinhalb bis vier Meter entfernt. Und auch zur Seite wäre durch die Anhänger locker zwei Meter Platz zwischen den Teilnehmern. "Es ist rein technisch gar nicht möglich, diesen Mindestabstand zu durchbrechen", schlussfolgert Lingk. Nur im Stall sei das theoretisch anders. Doch weil beim Bespannen der Pferde ein Pfleger vorne am Kopf und ein weiterer hinter dem Wagen stehe, sei auch hier genug Abstand gewährleistet.

Dabei kommt den Veranstaltern die Weitläufigkeit ihrer Gelände entgegen. Der Geschäftsführer der Betreibergesellschaft der Strecke in Karlshorst, Dimitrios Vergos, weiß: "Wir haben zwölf große Stallungen, in denen sich je sechs Menschen befinden würden". Und auch auf der Bahn selbst ist genug Platz. Das Gelände in Karlshorst ist 37 Hektar groß. Darauf würden sich am Renntag ungefähr zwanzig Funktionäre und achtzig Aktive verteilen. Und für alle habe man Masken und Desinfektionsmittel besorgt, so Vergos. "Wir schicken sogar Mitarbeiter herum, die regelmäßig alle Griffe auf dem Gelände desinfizieren." 

Rennpferd teuer im Unterhalt

In Mariendorf, wo man am 8. Mai das erste Rennen plant, ist die Lage ähnlich. Heiko Lingk beschreibt das bildlich. Das Areal sei 20 Hektar groß. "Das ist, wie wenn im Olympiastadion einer in der Ostkurve und einer in der Südkurve sitzt." Er macht sich ganz andere Sorgen: "Wenn die Rennen über Monate hinweg nicht stattfinden, gibt es keinen Trabrennsport mehr."

Denn ein Rennpferd sei ein teures Vergnügen. Man müsse monatlich für den Unterhalt mindestens 1.000 Euro veranschlagen. "Und manche Züchter haben Dutzende Pferde." Daher befürchte Lingk, dass in einer langen Phase ohne Rennen immer mehr Pferdebesitzer abspringen. Die Wiederaufnahme des Rennbetriebs sei deshalb ein wichtiges Zeichen.

Geisterrennen Verlustgeschaft für Ausrichter

Solange keine Veranstaltungen stattfinden, verdienen auch Fahrer und Trainer kein Geld. "Jeder Renntag, der jetzt stattfinden kann, hilft den Trainern und Aktiven, die von diesen Rennen leben", sagt Vergos. Für die Ausrichter sind Geisterrennen ein Verlustgeschäft. "Die fehlenden Wetteinsätze des Publikums treffen die Bahnen hart", sagt Lingk.

Deshalb erklären sich sogar mehrere Online-Buchmacher bereit, für die Dauer der Geisterrennen zugunsten der Bahnen auf Provisionen zu verzichten. "Die Wetten im Internet haben so den gleichen Charakter, wie Wetten, die sonst auf der Rennbahn abgegeben werden", erklärt Riko Luiking, der Geschäftsführer eines der größten Wett-Anbieter im Pferdesport.

Eine Chance für Karlshorst

Auch die Karlshorster können dadurch zumindest etwas durchatmen. Vergos meint, die rennfreien Monate im März und April hätten der Bahn jeweils ein blaues Auge verpasst. Zumal schon vor der Pandemie eine lukrative Rennreihe aus dem Kalender gestrichen wurde. Ein Buchmacher aus Frankreich hatte sie regelmäßig im Internet übertragen. Weil der Umsatz an einem Renntag im Nachbarland grundsätzlich ungefähr 20-mal größer ist als hierzulande, war das ein lukratives Geschäft für die Bahn an der Treskowallee. 

Die Rennen am Tag der Arbeit sind nun in doppelter Hinsicht eine Chance für den Berliner Trabsport. Weil in Frankreich bis zum 11. Mai keine Rennen ausgerichtet werden dürfen, will der französische Wettanbieter die Veranstaltung jetzt doch streamen. Für Karlshorst wäre das ein "super Tag", sagt Vergos. Immerhin werde das Rennen dann in Frankreich allein gezeigt und es seien hohe Umsätze zu erwarten.

Und es würde seine Verhandlungsposition mit den Franzosen stärken. Etwa wenn das nächste Mal über die Übertragung entschieden wird. Dann könne er nämlich sagen: "Passt mal auf, wir haben euch damals geholfen und jetzt wollt ihr uns schon wieder rausschmeißen?" Den Berliner Sport würde das "absolut" voranbringen, sagt Vergos. "Dadurch, dass es noch keine Absage gab, hoffe ich persönlich schon, dass wir am 1. Mai an den Start gehen dürfen."

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Beitrag von Till Oppermann

4 Kommentare

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  1. 4.

    Ich hatte früher Kontakt zum Trabrennsport und kann mich den kritischen Kommentaren nur anschliessen. Je intensiver man sich damit beschäftigt,desto deutlicher werden die fragwürdigen Seiten. Alle Tierschutzorganisationen kritisieren Trabrennen. Nur unter Druck ändert sich daüberhaupt was zugunsten der armen Tiere. Diese sogenannte Sport ist unwürdig und wird hoffentlich bald verschwinden.

  2. 3.

    Es geht hier nicht um "Sport" sondern, wie ja selbst zugegeben wird, nur um Geld.
    DieseTierquelerei für Zocker und blasierte Möchtegernprominenz kann man sich sparen.

  3. 2.

    Tut mir leid, aber jeglicher Pferderennsport ist in meinen Augen etwas, worauf die Welt im Sinne des Tierschutzes gut verzichten könnte.
    Das Pferd meiner Freundin stammte von der Trabrennbahn Mariendorf und hat ein paar Jahre gebraucht um wieder einigermaßen händelbar zu werden... Es konnte dann zum Glück konnte letztendlich noch viele Jahre gut betreut in Weidehaltung und mit liebevollen BetreuerInnen und ReiterInnen genießen.

  4. 1.

    Diese Tierquälerei gehört eh abgeschafft.

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