Freizeitsport in Berlin und Brandenburg - "Wir trainieren unter absurden Bedingungen"

Do 28.05.20 | 12:24 Uhr | Von Till Oppermann
F-Junioren Fussballtraining im Stadion Bad Wörishofen (Quelle: imago/Bernd Feil)
Bild: imago/Bernd Feil

Seit dem 15. Mai ist es in Berlin und Brandenburg auch Freizeitsportlern wieder erlaubt, im Verein Sport zu treiben. Dabei gelten in den Ländern unterschiedliche Regeln - die bisweilen bizarre Blüten treiben. Von Till Oppermann

Wegen der Corona-Pandemie mussten sich viele Sportler in Berlin und Brandenburg wochenlang allein fit halten. Beim SV Schmöckwitz-Eichwalde trainieren mittlerweile alle Mannschaften wieder. Vereinsvorstand und Jugendtrainer Dieter Müller erklärt: "Das ist die Gunst unserer Anlage." Weil man zwei volle Plätze habe, könne man für alle 18 Mannschaften des Vereins jede Woche zwei Trainingszeiten anbieten. Den Rahmen dafür schafft eine Lockerung der Eindämmungsverordnung.

Ein Kind auf 320 Quadratmetern

Seit dem 15. Mai ist theoretisch wieder Kleingruppentraining erlaubt. Vorausgesetzt "die Sportausübung erfolgt kontaktfrei und die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen den Sportlerinnen und Sportlern sowie zu anderen Personen ist durchgehend sichergestellt", wie es zum Beispiel in der Eindämmungsverordnung des Berliner Senats heißt. Der Umsetzung stehen in erster Linie Platzprobleme im Weg. "Wir trainieren unter abenteuerlichen Bedingungen", sagt Müller. Die Gruppengröße beim Training ist auf acht Personen beschränkt - inklusive Übungsleiter. Laut den zusätzlichen Maßgaben des Berliner Fußballverbandes muss eine solche Gruppe eine ganze Platzhälfte für sich haben. Dieter Müller beschreibt skurrile Bilder. "Man trainiere mit sieben G-Jugendlichen auf einer Hälfte. Jeder Sechs- oder Siebenjährige habe so 320 Quadratmeter für sich. "Das muss man sich mal in einer Wohnung vorstellen."

In Brandenburg werden sogar die Hallen geöffnet

In Brandenburg gestaltet sich die Lage anders. "Wir haben keine staatliche Begrenzung bei der Gruppengröße", sagt Christian Gerber. Er ist der Leiter der Breitensportabteilung des SC Potsdam. Wegen guter Vorbereitung kann auch der größte Sportverein der Mark schon wieder ein breites Sportangebot bieten. "Gerüchte über die Öffnung der Sportstätten hatten sich ja schon vorher verbreitet." Deshalb habe man sich rechtzeitig mit den Trainern abgesprochen, um passende Angebote zu schaffen. Es habe sich vor allem die Frage gestellt, welche Gruppen ihr Sportangebot nach draußen verlagern können. Im Breitensport seien das insbesondere Aerobic und Gymnastikgruppen. "Schwierig gestaltet es sich für uns derzeit da, wo wir in Sporthallen sind und kein freies Gelände haben", sagt Gerber. Doch auch da besteht Anlass zur Hoffnung. Anfang der Woche hat die Landesregierung angekündigt, dass sie ab dem 28. Mai grundsätzlich wieder öffnen dürfen. Vorher muss dem Gesundheitsamt aber ein Hygienekonzept vorgelegt werden.

Handschuhe bei Frühlingswetter

Mit dem Gesundheitsamt hatten auch die Schmöckwitzer Fußballer zu tun. Neben den Vorgaben des Verbandes gab es vor dem Re-Start des Vereinssports noch eine weitere Hürde. "Wir mussten ein eigenes Hygiene- und Nutzungskonzept schreiben", erzählt Müller. Erst nach der endgültigen Genehmigung durch das Bezirksamt Treptow-Köpenick war der Sportplatz wieder freigegeben. Jetzt gilt es, zahlreiche Regeln zu beachten. Zum Beispiel dürfe jeder Spieler nur einen Ball anfassen. Die Kinder müssen deshalb immer ihr eigenes Spielgerät mitbringen. Bei den Erwachsenen ergeben sich komische Bilder. Man habe zwar jeden Ball einzeln beschriften müssen, so Müller, die Trainer sollen aber trotzdem entlastet werden. Die zweite Männermannschaft erscheine deshalb mit Handschuhen. "Manche tragen Gummi- oder Skihandschuhe zur Fußballkleidung."

Hauptsache man wird aktiv

Auch die Brandenburger Trainer stehen vor ungeahnten Aufgaben. Damit im Zweifelsfall die Infektionsketten nachvollzogen werden können, müssen sie Listen über alle Trainingsteilnehmer führen. Gerber sagt: "Wir müssen für jede Einheit eine Liste vorhalten." Diese sei im Infektionsfall für das Gesundheitsamt bestimmt. Generell nehme man die Vorgaben sehr ernst. "Wenn es für die Sportart einen Fachverband gibt, halten wir uns an die Empfehlungen." Leichtathleten und Volleyballer trainieren deshalb in kleineren Gruppen. Ansonsten entscheide man individuell nach Alter der Teilnehmer und dem vorhandenen Platz über die Gruppengröße. Denn bei Kindern sei das Einhalten der Hygieneregeln schwerer, so Gerber. Die Hauptsache sei sowieso, dass alle wieder einen aktiven Tag in der Woche hätten. Ob man nun erstmal nur eine Dreiviertelstunde trainieren könne, sei dabei egal. "Wir freuen uns über jeden, der wieder Sport machen kann."

Bier als Motivation

Das gilt auch für die Schmöckwitzer. "Gerade die Kids sind froh, sich endlich wieder bewegen zu können." Etwas schwerer fällt die Motivation da bei den älteren Mannschaften. Ab der A-Jugend sei wenig Spannung im Training, sagt Müller. Weil alle wüssten, dass der nächste Zweikampf und das nächste Punktspiel in weiter Ferne liegen, sähen die Einheiten eher nach Feierabendfußball aus. "Keiner geht an seine Grenzen." Deshalb müssen Dieter Müller und seine Trainerkollegen zu besonderen Maßnahmen greifen. "Wenn wir um Bier wettend ruhende Bälle aufs Tor schießen, dann geht bei allen die Konzentration hoch." Und etwas Hoffnung haben die Fußballer. Denn in Nordrhein-Westfalen seien Punktspiele vielleicht schon bald wieder erlaubt, so Müller. "Jetzt lauert man natürlich auch als Berliner auf die nächsten Lockerungen."

Beitrag von Till Oppermann

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