Interview | Herthas Finanz-Geschäftsführer Ingo Schiller - "Hertha könnte auch ohne Spiele sehr lange durchhalten"

So 03.05.20 | 17:23 Uhr
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Herthas Finanz-Geschäftsführer Ingo Schiller im Gespräch mit Investor Lars Windhorst (Quelle: imago images/Matthias Koch)
Bild: imago images/Matthias Koch

Die Bundesliga-Klubs hoffen auf eine Saison-Fortsetzung. Herthas Finanz-Geschäftsführer Ingo Schiller erklärt im Interview, warum die für die Liga wichtig wäre, wie es den Berlinern wirtschaftlich geht und wie er trotz Corona-Krise die kommende Saison plant.

rbb|24: Herr Schiller, wenn einem Unternehmen von heute auf morgen der Großteil der Einnahmen wegbricht, kann es schnell in einen gehörigen Schlamassel geraten. Dennoch sind auch die Hertha-Fans im Bezug auf die Pläne der Bundesliga, den Spielbetrieb fortzusetzen, nicht einer Meinung. Was sagen Sie dazu?

Ingo Schiller: Das kann ich sehr gut verstehen. Ich glaube, dass die Situation so besonders ist, dass keiner ein Patentrezept hat. Aber uns geht es darum, dass wir als Liga und Vereine ein Angebot gemacht haben, das natürlich auch beinhaltet, dass unser Wirtschaftsbetrieb weitergeht. Allein bei Hertha hängen da 250 direkte Arbeitsplätze dran, über 1.000 beim Verein. In der Liga sind es insgesamt über 60.000. Das ist ein Wirtschaftsfaktor und gleichzeitig ist es natürlich auch ein Stück Rückkehr zur Normalität.

Diejenigen, die das kritisch sehen, argumentieren damit, dass es nicht ausgerechnet die Profi-Fußballer sein müssen, weil die genug Geld hätten. Die DFL hat im vergangenen Jahr 1,4 Milliarden Euro an das Finanzamt abgeführt. Ich glaube, darum geht es auch in erster Linie: Dass die Liga weiter mit den Vereinen existieren kann, oder?

Absolut. Es wird sehr viel einfacher, die Liga in ihrer jetzigen Form aufrecht zu erhalten, wenn wir diese Spiele ohne Zuschauer durchführen können. Ich glaube, dass da ein sehr umfangreiches und nachvollziehbarers Konzept erarbeitet wurde. Jetzt geht es darum, zu prüfen, ob das die richtige Grundlage ist, um den Spielbetrieb wieder aufzunehmen.

Seit dem vergangenen Sommer hat Hertha mit Lars Windhorst einen Investor, der rund 224 Millionen Euro in den Verein gesteckt hat. Wie wäre denn die Lage bei Hertha ohne das Geld von Lars Windhorst?

Natürlich ist das der große Unterschied und auch der Grund, warum Sie heute mit einem entspannteren Finanz-Geschäftsführer sprechen, im Vergleich dazu, wenn die Situation anders wäre. Wir sind sehr froh über diesen Partner und haben dadurch natürlich eine innere Stärke und Ruhe, diese herausfordernde Situation anzugehen.

Da stellt sich natürlich die Frage, ob die Diskussion um die 50+1 Regel, die besagt, dass kein Investor die Mehrheit an einem Verein haben darf, noch zeitgemäß ist - gerade in diesen schwierigen Zeiten. Wäre es also besser, diese Regel abzuschaffen?

Ich glaube, da besteht kein direkter Zusammenhang. Auch im Rahmen der 50+1 Regel waren und sind Investitionen möglich. Das zeigt unser Beispiel, aber auch eine Reihe anderer Beispiele in der Liga. Natürlich wäre die Bewertung wahrscheinlich eine andere, aber ich glaube, dass wir in der aktuellen Situation auch mit den Statuten 50+1 die Situation beherrschen können. Ich glaube, dass man diese Diskussion jetzt nicht vermischen sollte. 

Nun weiß niemand, wie es weitergeht. Da stelle ich mir die Frage: Wie planen Sie als Finanzchef die kommende Saison?

Es ist eine ganz andere Herausforderung, die wir als Team jetzt in verschiedenen Szenarien durchdenken müssen. Das gilt ja nicht nur für die kommende, sondern auch für den Rest dieser Saison. Die Frage, ob wir überhaupt weiterspielen und die Tatsache, dass es in jedem Fall ohne Zuschauer sein wird, hat auch Einfluss auf die kommende Spielzeit. Dann müssen wir vielleicht noch Sponsorenverträge nacherfüllen oder Rückerstattungen leisten. Aber ich sehe das Ganze eher als Aufgabe und nicht als Belastung.

Am Mittwoch wollen die Bundesregierung und die Länderchefs entscheiden, ob die Saison mit Spielen ohne Zuschauer fortgesetzt wird oder nicht. Mal angenommen, die Entscheidung fällt gegen eine Saisonfortsetzung: Wie lange kann Hertha BSC ohne Spiele durchhalten?

Wir können sehr lange durchhalten, aber ich glaube, das ist nicht die Frage, denn es geht ja um den Wettbewerb. Es geht um die Liga in ihrer Gesamtheit und in ihrem Bestand, wie wir sie kennen und brauchen und die Fans, die das weiter erleben möchten. Wir benötigen den Wettbewerb, um den Spielbetrieb auch auf lange Sicht fortzusetzen. Es geht mehr darum, die Liga zu erhalten und nicht darum, wie lange Hertha BSC durchhalten kann.

Jetzt hat eine Diskussion um die Liga begonnen, an der sich sogar DFL-Geschäftsführer Seifert beteiligt. Da geht es um Spielergehälter, Ablösesummen und Berater, die Millionen kassieren. Wird sich nach der Corona-Krise daran noch jemand erinnern wollen oder finden Sie, dass diese Diskussion in absehbarer Zeit geführt werden muss?

Ich glaube, dass die auf jeden Fall geführt werden muss. Wir haben Exzesse erlebt, vor allem im Ausland, aber auch in der Bundesliga. Die Schraube hat sich immer schneller und immer weiter gedreht und daran haben wir alle unseren Anteil. Jetzt können wir aber auch Bestandteil und treibende Kraft einer Veränderung werden. Ich glaube, dass die Werte, für die der Fußball und der Sport allgemein stehen, Bestand haben. Wenn wir diese nach vorne stellen und den Menschen wieder mehr Erlebbarkeit und Nähe vermitteln, haben wir eine große Chance, aus dieser Krise noch etwas Positives mitzunehmen. Aber im Moment gilt es erstmal, die Situation zu überstehen, hoffentlich mit den richtigen Entscheidungen, die der Bundesliga dann auch weiterhelfen. Dann haben wir auch die Zeit und die Möglichkeit, diese grundlegenden Fragen anzugehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Thomas Kroh, rbb Sport. Es handelt sich um eine leicht gekürzte und redigierte Version.

Sendung: Inforadio, 03.05.2020, 14:28 Uhr

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12 Kommentare

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  1. 12.

    Früher war es so, da spielte der Fussball für den Fan durch Ticketerlöse und Bandenwerbung. Durch den Einstieg des Bezahlfernsehen ist das Geschäftsmodell ein anderes geworden. Der Fussball spielt nicht mehr für den Fan,sondern der Fan dient dem Fussball. Nach dieser Corona Pause lockt Sky die Fussball Fans mit einem ganz besonderen Bon Bon, "Fussball im Free TV." Damit dieses Geschäft wieder anspringt, läuft die Werbetrommel für dieses Ereignis schon auf Hochtouren wenn es am 16.05. heißt, Kick Off. Der Blick auf dieses Ereigniss wird ein bißchen ungewohnt sein und der ein oder andere Fan wird sich die Augen reiben wenn er seine Lieblinge in einem leeren Stadion den Ball hinterher jagen sieht. Das könnte auch auf die Stimmung schlagen bei dem ein oder anderen. Aber wie sagte U. Höneß die Tage. "Da muß er durch der Fan, die Kröte muß erschlucken."

  2. 11.

    Lassen Sie mich raten, Sie sind Anhänger des super tollen Kultvereins aus Köpenick, der dem Kommerz mit dem Verkauf von Eisernen Monopoly-Editionen und Klebebildchen bei Rewe trotz. Der das Olympiastadion natürlich immer füllen würde, obwohl vor 10 Jahren nicht mal die Försterei regelmäßig voll war.

  3. 10.

    Man muss kein Rechengenie sein,dass aus der Krise Bayern,BVB,RB,Hoffenheim Bayer ,Wolfsburg und Charlottenburg am Besten wegkommen.Der Rest kämpft ums überleben.Wer 4 Trainer rausschmeißt....
    Die Fans werdens mitmachen,denn jetzt lockt der BCC.Als Fan würde ich gehen,wie damals (da verlor der Verein meine Sympathien) als die Spiele verschoben wurden.

  4. 9.

    OMG was für ein grober Schreibfehler. Du kannst ja nicht einmal den Vereinsnamen richtig abschreiben.

  5. 8.

    Na immerhin ist eine ganze Kurve voll besetzt. Nicht schlecht für den unsympathischsten Verein der ersten und zweiten Liga. Geld + Arroganz = Hertha Windhorst BSC

  6. 7.

    Genau so ist das . Man muss die richtige "Zahlen" vergleichen. Ehrlich wäre ein Abbruch und eine Erneuerung des Systems - national und international ! Ich glaube aber, dass UEFA und FIFA nicht bereit dazu ist, egal wer da oben sitzt !
    Wir brauchen Spiele und ... Brot aber nicht für die Miliarden. Auch nicht WM 2022 mit Sklaven in Katar. Lass uns die Kriese als eine Chance nutzen !

  7. 6.

    Ich kann nachvollziehen, dass die Profi-Vereine wieder spielen wollen, selbst Geisterspiele lassen durch die Übertragungsrechte Geld in die Kassen spielen.
    Aber es müssen sovielmal Tests für die Spieler, Trainer usw. durchgeführt werden, die an anderer stelle fehlen.
    Ich pflege zu Hause meine Mutter, muss regelmäßig einkaufen, für sie beim Arzt Rezepte, dann zur Apotheke Medikamente abholen und im absoluten Notfall mit ihr zusammen zum Arzt.
    Jedesmal komme ich mit einem schlechten Gefühl nach Hause, selbst jetzt mit Maske im öffentlichen Leben.
    Aber einen Test bekomme ich nicht, da ich nicht als medizinisches Personal gelte, keinen nachweisenbaren Kontakt mit einem infizierten habe und nicht im Risikogebieten war. Das gibt die aktuelle Testkapazität nicht her. Aber für die Profi-Fußballer sind die Kapazitäten plötzlich da. Man sieht ja beim FC Köln, was passieren kann, wenn wieder trainiert wird.

  8. 5.

    Welch ein grober Schreibfehler!

    Herta könnte auch ohne Spieler sehr lange durchhalten.

    Da ist etwas dran Herr Geschäftsführer.

  9. 4.

    Wenn man keine Ahnung von der Wichigkeit der Ostkurve hat, dann sollte man sich besser gar nicht äußern. ;-)

  10. 3.

    Die DFL hat im vergangenen Jahr 1,4 Milliarden Euro an das Finanzamt abgeführt. Und wie viele Milliarden sind durch den Spieler-Transfer vor den Fiskus gerettet worden? Wer zahlt die vielen Hundertschaften an Polizeieinsätzen. Siehste, da steht dann schon ein Minus vor den 1,4 Milliarden. Ich würde nach Argumenten suchen die wirklich was mit dem Sport zutun haben. Das wär dann vielleicht ehrlich. Weil wir den Sport lieben. Aber nicht den Francesco, der für 20 Millionen kurz vor Ladenschluss gekauft wurde, und nur auf der Bank sitzt. Weil mal wieder über Soll und Haben nachgedacht wurde?

  11. 2.

    Empfehlung:
    Spielbetrieb sofort wieder aufnehmen
    - ohne Zuschauer
    - ohne Spieler
    - nur ein Schiedsrichter für An- und Abpfiff

  12. 1.

    Nur mal so eine Frage. Wenn tatsächlich sogenannte Geisterspiele stattfinden, hätte Hertha da nicht einen Wettbewerbsvorteil? Denn die spielen ja im Gegensatz wie z.B. die Bayern oder die Dortmunder, fast immer vor mäßig gefüllten Rängen.

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