Kommentar | Contra Bundesliga-Start - Der Fußball darf, was andere nicht dürfen

Mi 06.05.20 | 18:58 Uhr | Von Lars Becker
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Christian Gentner (l.) und Marko Grujic (r.) im Zweikampf. Quelle: imago images/Bernd König
Bild: imago images/Bernd König

Die Politik hat der Fußball-Bundesliga grünes Licht für eine Fortsetzung der Saison gegeben. Ab Mitte Mai darf es mit Geisterspielen weitergehen. Damit wird "König Fußball" ungerechterweise zurück auf den Thron gehievt, kommentiert Lars Becker.

Sie werden also wieder spielen. Die Politik hievt "König Fußball" zurück auf den Thron. Es war nicht anders zu erwarten - spätestens seit dem gemeinsamen Auftritt der Ministerpräsidenten Söder und Laschet mit den Fußball-Funktionären Rummenigge, Watzke und Seifert vor gut zwei Wochen - exklusiv bei "Bild-TV" [bild.de]. Die intensive Lobbyarbeit der einflussreichen Protagonisten hat sich gelohnt, die apokalyptischen Bilder eines unmittelbar bevorstehenden Exitus einer Milliarden-Branche - vor allem von Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke mit Verve permanent an die Wand gepinselt - sie haben gewirkt.

Der Fußball wird bevorzugt. Er darf, was andere nicht dürfen. Während im Olympiastadion und an der Alten Försterei bald Körperkontakt, Zweikämpfe, Grätschen - notwendigerweise - erlaubt sind, muss die Bevölkerung weiter Abstand halten und die Kontaktbeschränkungen einhalten. Ja, parallel zur Rückkehr zum Spielbetrieb werden jetzt auch die massiven Beschränkungen für den Amateur- und Breitensport langsam wieder gelockert, irgendwann dann auch Bolz- und Sportplätze für Kinder, Jugendliche und Erwachsene - mit Einschränkungen - wieder geöffnet. Später. Es bleibt eine Ungleichbehandlung, eine Sonderrolle für den Fußball.

Viele Fragen bleiben offen

Von Wirksamkeit und Einhaltung des DFL-Konzeptes sind Politik und Wirtschaft überzeugt. Salomon Kalous bizarres Kabinen-Video hat einen sicher nicht repräsentativen, aber doch interessanten Einblick hinter die Kulissen ermöglicht. Missachtungen der Hygiene- und Abstandsvorgaben dürfte es - wie auch in der Gesellschaft - in vielen Klubs geben. Und niemand weiß, ob die Profis zu Hause die Regeln beachten.

Die entdeckten positiven Fälle bei den ersten Testreihen der 36 Profiklubs interpretieren die Verantwortlichen als Beleg für die Wirksamkeit ihrer Strategie. Dass nur die betroffenen Spieler in Quarantäne müssen, ist umstritten. Und ob das ausgefeilte Konzept im Alltagsbetrieb standhalten wird, bleibt fraglich. Was passiert bei einem positiven Test im Trainings- oder gar im Spielbetrieb? Ein einziger infizierter Profi - und das ganze Konzept platzt. Zudem warnen Sportmediziner, dass eine Corona-Infektion auch für Profisportler, für junge Menschen ohne jede Vorerkrankungen, mit fatalen Folgeschäden verbunden sein könnte.  

Und wo werden die Bundesliga-Spiele eigentlich gezeigt? Bleiben die Live-Übertragungen ausschließlich im Bezahlfernsehen, besteht die reale Gefahr, dass die Fans sich privat in größeren Gruppen zum gemeinsamen Fußball-Erlebnis treffen. Auch die mögliche Wiedereröffnung von Kneipen und Bars löst das Problem nicht.

Glaube für neues Bewusstsein fehlt

DFL-Chef Christian Seifert ist es beeindruckend gelungen, den Ligaverband durch die Krise zu navigieren. Zurückhaltend und ohne Forderungen zu stellen hat er hartnäckig und deutlich die Interessen der Klubs vertreten. Seifert hat die Milliarden-Branche ermahnt, demütiger zu werden, das eigene Handeln zukünftig zu überdenken, um breitere gesellschaftliche Akzeptanz zu erlangen.

Wenn dann allerdings umgehend Bayern-Sportdirektor Hasan Salihamidzic um die Ecke biegt und von einer im Sommer bevorstehenden großen Transfer-Offensive trompetet, fehlt mir schlicht der Glaube an das vorhandene Bewusstsein.

Jetzt gilt: Sie werden wieder spielen, auch wenn ich das nicht richtig finde. Eines ist aber klar: Der deutsche Profi-Fußball kickt auf Bewährung. Und das in vielerlei Hinsicht.

Sendung:  rbbUM6, 06.05.20, 18:00 Uhr

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Beitrag von Lars Becker

6 Kommentare

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  1. 6.

    Schon interessant, man legt ein Hygiene Konzept vor, aber Bedarf es eines solchen wenn man sich eh nicht daran hält?
    Schuld ist nicht nur Kalou, dass dieses Konzept ad absurdum geführt wird. DAs Konzept besagt, dass das Team, welches positive Tests hat komplett zwei Wochen in Quarantäne geht. 1. FC Köln nix da der Rest trainiert weiter - und es muss ja noch mindestens einen anderen Verein geben mit positiven Test. Die DFL hält sich nicht an die eigenen Vorgaben - warum also soll der Rest der Welt sich an irgendwelche Regeln halten? Vorbild sieht anders aus.

  2. 5.

    Klar, für den Fußball wird alles möglich gemacht.Geld regiert die Welt. Das soll mir mal einer zeigen,wie Fußball ohne Körperkontakt und Abstand geht. Ha ,ha....Aber die normalen Leute,die im Fitnesstudio ihr Immunsystem stärken, wo man auch mit Abstand trainieren könnte, die dürfen nicht trainieren.Danke, liebe Politiker, gut gemacht. Hauptsache den Fussballfuzzis wird alles recht gemacht. Denen würde ich wünschen, das sie mit Maske spielen müssten.

  3. 4.

    Dass viele Kicker nicht gerade "die hellsten Kerzen auf der Torte" sind, haben sie schon oft bewiesen. Nicht zuletzt jetzt in der Corona-Krise. Es waren weit mehr als Einzelfälle, bspw. Training in 12er-Gruppen, Verletzungsbehandlung auf dem Platz ohne Handschuhe oder Maske. Auch bei dem dummen Kabinen-Video haben die anderen Spieler ja munter mitgemacht, was die Bezeichnung als "Einzelfall" schon mal widerlegt.
    Aber wo das Geld regiert, hat die Vernunft halt leider nichts mehr zu sagen. Fußball ohne Körperkontakt ist schlichtweg nicht möglich - es sei denn beim "Tipp-Kick"!
    Traurig, dass sich die Politiker da nicht stärker und klüger gezeigt haben als die Vereinsbosse und Spieler!
    Wenn Spielbetrieb, dann hätte man alle Beteiligten (Spieler, Trainer, Betreuer usw.) für die gesamte Restsaison in Quarantäne halten müssen. Hoffen wir nur, dass nun nicht zu viele Unschuldige unter dieser Fehlentscheidung leiden müssen.

  4. 3.

    Fussball hat die meisten und größten Lobbyisten scheint mir
    Ausserdem ist mir neu das es da keine körperlichen Kontakt gibt.
    So ein Quatsch.

  5. 2.

    Schrittweise Öffnung bedeutend: nacheinander, mit der geringster Gefährdung zuerst (siehe zuerst ältere Schüler)
    Was ist nun gefährlicher:
    Kontrollierte Geisterligaspiele oder Amateurfussball auf hunderten Plätzen?

  6. 1.

    Ich hoffe die müssen auch einen Mund/Nasenschutz tragen.... und denken sie bitte an die Abstandsregelung... Hauptsache Fußball der darf alles... naja da geht es nur mit und ums Geld.

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