Bilanz der regionalen Starter - Diese Olympischen Momente werden in Erinnerung bleiben

So 08.08.21 | 14:30 Uhr
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Von links: Annika Schleu | Kajak-Vierer aus Deutschland mit Ronald Rauhe | Olympia, Diskuswurf, Frauen, Finale, im Olympiastadion. Kristin Pudenz aus Deutschland freut sich über den zweiten Platz (Quelle: dpa/Stanislav Krasilnikov, Oliver Weiken, Jan Woitas)
Bild: dpa/Stanislav Krasilnikov, Oliver Weiken, Jan Woitas

Ein historisches Fahnenträgerduo, ein positiver Corona-Test, reichlich Silber und Bronze, ein Eklat beim Fünfkampf und ein triumphales Karriereende: Die Athleten aus Berlin und Brandenburg haben in Tokio zahlreiche denkwürdige Momente erlebt.

Zwei Berliner schreiben als Fahnenträger-Duo Geschichte

Für Patrick Hausding war die Sache klar. "Ich kann Medaillen gewinnen, so viel ich will, aber Fahnenträger kann man in seinem Leben nur einmal werden", sagte Europas erfolgreichster Wasserspringer aller Zeiten. Streng genommen stimmt das nicht so ganz, schließlich wurde Tennis-Legende Roger Federer diese Ehre für die Schweiz gleich zwei Mal zu Teil.

Eine große Sache war es dennoch für die beiden Berliner Patrick Hausding und Beachvolleyballerin Laura Ludwig. Auch, weil es bei diesen Spielen in Tokio das erste Mal war, dass jeweils ein Athlet und eine Athletin gemeinsam die Fahne trugen. Und Hausding und Ludwig wurden dabei in einer Wahl auserkoren - auch von ihren Teamkollegen und -kolleginnen.

Und während im Vorfeld noch geflachst wurde (Ludwig: "Du musst die Fahne tragen, du hast den größeren Bizeps." Hausding: "Das ist noch nicht abgesprochen. Die Fahne darf nur nicht kaputtgehen oder runterfallen, und wir dürfen nicht über unsere Füße stolpern"), herrschte hinterher vor allem Stolz: "Auf die Wettkämpfe hat das natürlich keinen Einfluss, aber man nimmt ein schönes Gefühl mit."

Laura Ludwig und Patrick Hausding als Fahnenträger der Eröffnungsfeier von Tokio 2021 (imago images/Jasmin Walter)
Die Fahnenträger der deutschen Olympia-Mannschaft bei der Eröffnungsfeier in Tokio: Laura Ludwig (l.) und Patrick Hausding.Bild: imago images/Jasmin Walter

Die erste deutsche Medaille

Passend zum wasserspringenden Fahnenträger Hausding fischte mit Lena Hentschel eine Berliner Teamkollegin im Team mit Tina Punzel aus Dresden die erste deutsche Medaille aus dem Becken. Im Synchronspringen vom Drei-Meter-Brett holten die beiden die Bronzemedaille. Mit etwas Glück, weil die Italienerinnen patzten, aber auch, weil die Vorbereitung passte. "Wir haben dasselbe Vorbereitungsprogramm absolviert wie vor dem Weltcup in Tokio. Wir haben auch wieder zeitversetzt in der Nacht trainiert, um die Zeitverschiebung zu simulieren. Damals hat es gut funktioniert", sagte Bundestrainer Lutz Buschkow vor dem Wettkampf.

Lena Hentschel (l.) und Tina Punzel freuen sich über Bronze bei Olympia
Lena Hentschel (l.) und Tina Punzel freuen sich über Bronze bei Olympia.Bild: imago images/Franz Waelischmiller

Der erste deutsche Corona-Fall

Mal eben die Tour de France überstehen, dann ab in den Flieger Richtung Tokio, um auch bei Olympia anzutreten. Und dann das: ein positiver Corona-Test. So geschehen beim Berliner Radprofi Simon Geschke, dem noch am Tag der Eröffnungsfeier eröffnet wurde: Ausschluss von allen Wettkämpfen und strikte Quarantäne.

Eine Quarantäne, die es in sich hatte. Geschke schilderte die Anforderungen an Körper und Geist in den gruseligsten Tönen. "Mir geht es mittlerweile vor allem körperlich nicht so gut, und ich glaube, das liegt eher nicht an Covid-19", sagte der Radprofi etwa im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung".

Zum Glück nahm Geschke die Sache zunehmend mit Humor und legte vor allem auf Social Media eine Leistung hin, die ihm eigentlich zu einer Ehrenmedaille gereichen sollte. Immerhin durfte er nach zwei negativen PCR-Tests und insgesamt acht statt der eigentlich vorgeschriebenen 14 Tage in Isolation sagen: Raus aus dem Hotel, rein in den Flieger.

Bis zum Ende der Olympischen Spiele am Sonntag sollte Geschke übrigens der einzige deutsche Athlet mit positivem Corona-Test bleiben.

Acht Hundertstel Sekunden an Gold vorbei

Die Cottbuserin Emma Hinze wirkte ein kleines bisschen enttäuscht nach dem Gewinn der Silbermedaille mit Kollegin Lea Sophie Friedrich im Teamsprint auf der Bahn, denn Gold war zum Greifen nah. 0,085 Sekunden trennten das Duo vom Olympiasieg, der an die Konkurrentinnen aus China ging.

Zum Trost gab es allerdings silbernes Edelmetall um den Hals und Glückwünsche aus allen Richtungen. Bundestrainer Detlef Uibel bezeichnete Silber als "absolute Top-Leistung", Olympiasiegerin Kristina Vogel freute sich riesig für das junge Duo und der Oberbürgermeister von Cottbus verspracht Hinze eine besondere Ehrung auf dem Bürgersteig vor dem Rathaus.

2. Platz und Silbermedaille fuer Deutschland mit links Emma Hinze und Lea Sophie Friedrich. Quelle: dpa/Roth
Freude über Silber: Bahnrad-Fahrerinnen Emma Hinze (l.) und Lea Sophie Friedrich (r.).Bild: dpa/Roth

Überraschende Silber-Medaillen

Schon vor ihrem letzten Wurf, als feststand, dass Kristin Pudenz die Silbermedaille sicher hat, war der Diskuswerferin aus Potsdam die Rührung anzusehen. Der letzte Wurf ging ins Netz, aber egal, anschließend gab es kein Halten mehr für die Freudentränen. Pudenz hatte überraschend die erste Medaille für die deutschen Leichtathleten bei diesen Spielen gewonnen.

Ähnlich emotional reagierte Lukas Dauser nach seinem Silber-Coup am Barren. Der Turner, der jahrelang in Berlin lebte, konnte gar nicht fassen, was er da gerade erreicht hatte. "Das ist irgendwie alles wie im Film", sagte der Sportler, der im Vorjahr zur Olympia-Vorbereitung von Berlin nach Halle gezogen war. "Es ist unglaublich, ich kann es noch gar nicht richtig in Worten beschreiben, was mir das bedeutet, weil das gerade so auf mich einprasselt."

Kristin Pudenz (l.) und Lukas Dauser (r.) feiern ihre Silbermedaillen. Quelle: imago images
Doppelter Fahnen-Jubel: Diskuswerferin Krisitn Pudenz und Turner Lukas Dauser freuen sich über Silber.Bild: imago images

Drama um Fünfkämpferin Annika Schleu

Es hätte so schön sein können. Annika Schleu lag auf Gold-Kurs im Modernen Fünfkampf. Nach dem Schwimmen und dem Fechten lag sie auf Platz Eins und ging als Favoritin ins Springreiten. Hier nahm das Drama dann seinen tränenreichen Lauf. Sie bekam ihr Pferd Saint Boy nicht unter Kontrolle. Die Tränen liefen der Berlinerin schon übers Gesicht, noch bevor sie in den Parcour gestartet war.

Nach dramatischen Szenen, in denen Schleu auf Geheiß ihrer Trainerin das Pferd auch mit der Gerte schlug, ritt sie schließlich los. Doch der Albtraum ging weiter. Das Pferd verweigerte mehrfach und Schleu musste ohne Punkte abgeschlagen in den abschließenden Laser-Run starten. Die Gold-Hoffnungen waren dahin.

Was bleibt, ist die bittere Enttäuschung und ein Shitstorm wegen des Umgangs mit dem Pferd, weswegen sich Schleu vorerst auch aus den sozialen Medien zurückzog. Zudem wurde Bundestrainerin Kim Raisner vom Weltverband von den Spielen ausgeschlossen. Noch nicht beendet ist dagegen die Debatte über die Regularien im Springreiten beim Modernen Fünfkampf.

Annika Schleu aus Deutschland nach dem Reiten / picture alliance/dpa | Marijan Murat
Annika Schleu ist bitter enttäuscht nach ihrem dramatischen Lauf beim Springreiten im Modernen FünfkampfBild: picture alliance/dpa | Marijan Murat

Das märchenhafte Karriereende von Ronny Rauhe

Es ist der Traum eines jeden Athleten: sich mit einem Erfolg von der sportlichen Bühne zu verabschieden. Der Potsdamer Ronald "Ronny" Rauhe wollte seine Karriere eigentlich schon 2016 beenden. Da gewann er in Rio de Janeiro Bronze im Einer über 200 Meter. Doch seine Ehefrau Fanny überzeugte ihn, noch bis zu den nächsten Spielen weiterzumachen, wo der Kajak-Vierer nur noch über 500 Meter antreten musste. Ideal für den Sprint-Spezialisten. Also machte Rauhe weiter. Dann kam Corona, die Spiele wurden verschoben. Die Lebensplanung des 39-Jährigen wurde wieder über den Haufen geschmissen, doch er machte weiter.

Am vorletzten Tag der Spiele stand das langersehnte letzte Rennen an. Und Rauhe und sein Team führten knapp. "Als ich vor dem letzten Schlag gesehen habe, dass wir vorne sind, haben mich die Emotionen überrannt. Dafür habe ich eineinhalb Jahre länger gearbeitet. Ich hätte mir nichts anderes erträumen und wünschen können. Das macht es mir heute leicht, meine Karriere zu beenden", sagte Rauhe sichtlich angefasst. Das deutsche Boot fuhr als erstes über die Ziellinie. Nochmal Olympiasieger zum Abschluss, das perfekte Ende.

Das noch gekrönt wurde, weil der Potsdamer bei der Abschlussfeier die deutsche Fahne tragen durfte. Ein rundum perfekter Abschluss.

Ronald Rauhe nach dem Sieg (dpa/AP Photo/Lee Jin-man)
Emotionen pur bei Ronny Rauhe nach seinem Olympiasieg zum Karriereende.Bild: dpa/AP Photo/Lee Jin-man

Ausgeglichene Medaillenbilanz von Berlin und Brandenburg

Die Medaillenbilanz der Athletinnen und Athleten aus der Region* ist zwischen Berlin und Brandenburg bei der Anzahl ausgeglichen.

Für die Hauptstadt gab es Silber im Deutschlandachter mit Steuermann Martin Sauer und Olaf Roggensack. Dazu kamen vier Bronzemedaillen durch die Wasserspringer Patrick Hausding und Lars Rüdiger sowie Lena Hentschel (mit Tina Punzel aus Dresden), Bogenschützin Lisa Unruh mit dem Team und Tim Hecker im Canadier-Zweier.

Mit ihm im Boot saß der Potsdamer Sebastian Brendel. Silber für Brandenburg holten die Cottbuserin Emma Hinze im Teamsprint, die Potsdamer Diskuswerferin Kristin Pudenz und Kanute Jacob Schopf (im "Generationenboot" mit Max Hoff).

Und dann gab es zum Abschluss noch die erste und einzige Goldmedaille für die Region für den Kajak-Vierer mit den Potsdamern Ronny Rauhe und Max Lemke.

Damit würde Brandenburg im Medaillenspiegel vor Berlin liegen, virtuell auf Platz 46 - etwa vor Rumänien, Indien, Südafrika oder Österreich. Berlin würde auf Rang 71 stehen - immerhin vor der Mongolei, Argentinien, Nigeria oder Mexiko.

Medaillen aus Berlin & Brandenburg (Quelle: rbb)
Bild: rbb

Sendung: rbb24, 08.08.2021, 21:45 Uhr

8 Kommentare

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  1. 7.

    Sport ist wie die Filmbranche, alle feiern immer nur sich selbst.

  2. 6.

    Olympische Spiele gab es schon vor den Römern. Au Backe, hatten Sie keinen Geschichtsunterricht? Und da ging es auch schon um den Sieg.

  3. 5.

    Der gesamte Spitzensport ist nicht besser als die Gladiatorenspiele der Römer. Nur noch brüllende Sportler, welche sich in psychischen Ausnahmesituationen befinden. Dafür werden Millionen Steuermittel ausgegeben. Länder die sich das nicht leisten können dopen ihre Leute., was genauso schlimm ist. Statt sich an Leistungen von Freizeitsportlern zu erfreuen, werden die Zirkuskünstler bejubelt. Nur Gold zählt noch. Da spielt das Menschen- und Tierwohl keine Rolle mehr.

  4. 4.

    Den modernen Fünfkampf gibt es schon über 100 Jahre. Auch bei Olympia. Und Sie stellen jetzt schon fest, dass das Regelwerk schief ist?

  5. 3.

    Also in Erinnerung wird bleiben, dass es Pandemie-Spiele waren. Das macht Tokio hoffentlich einzigartig …

  6. 2.

    Da haben Sie recht. Der sogenannte " Faustschlag " sah eher wie ein Schubser aus Mensch und Tier standen auch noch unter Druck... War mein Eindruck.

  7. 1.

    Zum Thema Annika Schleu:
    Der Kern des Problems ist meiner Meinung nach das Reglement.
    Grundsätzlich: Reiterin/Reiter und Pferd gehören STETS ZUSAMMEN!
    Ein gestelltes Pferd wird nie mit Reiterin/Reiter zu 100% harmonieren!
    Ich war erstaunt das dies so geregelt wird. Sollte geändert werden!
    Ein Tennisspieler hat auch kein geliehenes/gestelltes Rack, sondern immer sein eigenes um 100% Leistung abzugeben und zu gewinnen.
    Der Schuldige ist das Reglement!!
    Annika Schleu kann nichts dafür und hat schon gar keine Hass-Kommentare verdient.
    Zugegeben: Ansteigen und den Ritt beenden wäre eleganter gewesen. Aber unter Stress kann das mal vergessen werden.

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