Interview | Berliner Wasserballikone Hagen Stamm - "Die Nerven liegen blank"

Di 19.01.21 | 10:35 Uhr
Wasserball-Nationaltrainer Hagen Stamm
Bild: imago images / Insidefoto

Der Berliner Hagen Stamm hat im Wasserball schon vieles erlebt - doch die Corona-Pandemie stellt auch den Bundestrainer vor besondere Herausforderungen. Im rbb|24-Interview spricht der 60-Jährige über abgesagte Turniere, Raufereien im Trainingslager und den Glauben an Olympia.

Der Präsident der Wasserfreunde Spandau 04 und Wasserball-Bundestrainer Hagen Stamm blickt auf eine lange Spieler- und Trainerkarriere zurück. Doch so krasse Einschränkungen in den Spielbetrieb wie in der Corona-Pandemie hat der 60-jährige Berliner noch nie erlebt. Aktuell bereitet er die deutsche Nationalmannschaft in einer "Blase" auf die Olympia-Qualifikation vor. Am Dienstag um 18:30 Uhr erscheinen die deutschen Wasserballer nach zehn Monaten Pause zurück auf der internationalen Wasserball-Bühne. In einem Testspiel geht es gegen den EM-Zehnten aus Georgien.

rbb|24: Hallo Herr Stamm, wie geht es Ihnen?

Hagen Stamm: Wir sind alle gesund, leben aber mitten in der Corona-Blase. Es ist etwas eintönig hier und täglich grüßt das Murmeltier, aber wir können gut trainieren in dieser Bundeswehkaserne in der Nähe von Dortmund.

Wie sehr freuen Sie sich, nach zehn Monaten Zwangspause Ihr Team wieder international in Aktion zu sehen?

Wir freuen uns sehr, sind hier seit dem 3. Januar zusammen und die Georgier als Trainingspartner sind seit drei Tagen hier. Die Jungs sind geschädigt - wegen des eingestellten Spielbetriebes in der Bundesliga und einer Champions League auf Sparflamme. Daher sind wir froh und aufgeregt, dass es international wieder losgeht.

Was erhoffen sich sich von dem Spiel gegen Georgien?

Wir wollen uns positiv überraschen lassen. Es ist auf jeden Fall besser, als immer nur gegeneinander zu spielen. Gestern mussten wir sogar das Training abbrechen, da ein deutscher und ein georgischer Spieler aneinandergeraten sind. Die Nerven liegen blank, wir sind also gespannt.

Wie sehen Sie Ihre Chancen, sich in Rotterdam im Februar für die olympischen Spiele zu qualifizieren?

Unsere Chancen stehen bei zehn bis 20 Prozent. Es gibt nur noch drei der zwölf Plätze zu vergeben, aber einfache Aufgaben wären langweilig.

Mit welchen Problemen haben Sie denn neben der Corona-Pandemie noch zu kämpfen?

Wir müssen auf Dennis Eidner und Ben Reibel verzichten, die bei der WM 2019 noch dabei waren. Eidner verfolgt jetzt eine Karriere als Feuerwehrmann, Reibel hat Rheuma. Deswegen hoffen wir, dass wir irgendwie durchkommen, obwohl wir nicht die volle Kapelle haben.

Dass die Olympischen Spiele 2021 in Tokio stattfinden, davon gehen Sie aus?

Die Japaner wollen das unbedingt machen, Tokio wird stattfinden, wahrscheinlich mit durchgeimpftem Teilnehmerfeld. Die Frage bleibt noch, ob mit oder ohne Zuschauer. Olympische Spiele sind immer etwas ganz besonderes und ich möchte nicht noch einmal eine Absage oder einen Boykott wie 1980 in Moskau erleben müssen.

Eigentlich hätte sich Ihr Team Ende Januar bei einem Turnier in Montenegro noch Spielpraxis holen können. Eigentlich...

Wir mussten das Vorbereitungsturnier absagen, obwohl wir dort mit den USA, Serbien und Montenegro super Trainingspartner gehabt hätten. Unklare Flugwege und Corona-Fälle bei den Serben und Montenegrinern haben dann für eine Absage unserseits gesorgt. Wir stehen da eben nicht alleine und müssen da jetzt durch.

Auch die Wasserballerinnen von Spandau 04 verzichten - und zwar auf den Europa-Pokal. Warum das?

Das haben die Spielerinnen aufgrund der aktuellen Situation entschieden. In Berlin konnten wir das Vorrundenturnier zur Euro League nicht durchführen, nach Budapest wollte auch niemand reisen, da das halbe Team Angst um die Gesundheit hatte. Deswegen haben wir verzichtet und hoffen auf nächstes Jahr.

In der Zukunft könnten Sie dann auch in der neuen Schwimmhalle in Spandau trainieren. Die soll, wenn alles klappt, 2027 stehen.

Darauf freuen wir uns sehr, wenn das Ding denn endlich steht. Doch ich glaube das erst, wenn ich persönlich dort dann ins Becken springe. Seit 30 Jahren wird uns das schon versprochen. Eine neue Halle ist dringend notwendig, denn unsere Trainings- und Wettkampfhalle in Berlin-Schöneberg ist mittlerweile auch sehr marode geworden.

Vielen Dank für das Gespräch.

Dieser Text ist eine redigierte Fassung. Das Interview führte Friedrich Rößler aus der Sportredaktion.

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