Gedenktag für Verkehrsopfer - "In dem Moment denkt man: Das war's."

Fr 15.11.19 | 14:49 Uhr
Feuerwehr- und Polizeifahrzeug und ADAC-Abschleppdienst an der mit Warnzeichen abgesicherten Unfallstelle (Quelle: dpa/Eyb)
Audio: Antenne Brandenburg | 15.11.2019 | Thomas Krüger | Bild: Symbolbild-dpa/Oskar Eyb

An diesem Wochenende wird weltweit der Verkehrstoten gedacht. Über 140 zählte Brandenburg im vergangenem Jahr. Einen dieser Unfälle hat der Lausitzer Rüdiger Jorewitz miterlebt. Die Folgen begriffen hat er erst mit der Zeit.

In Brandenburgs passieren jeden Tag durchschnittlich rund 225 Verkehrsunfälle, so steht es in der Statistik für das Jahr 2018. Dabei kamen über 140 Menschen ums Leben. Seit 2005 wird der Verkehrsopfer jährlich gedacht - am 17. November, dem Welt-Gedenktag.

Seit dem 20. August 2018 fährt Rüdiger Jorewitz aus der Lausitz anders Auto - langsamer, geradezu bedächtig. An diesem Tag hat er seinen langjährigen Freund und Arbeitskollegen bei einem Frontal-Zusammenstoß auf der B 169 verloren. Er selbst saß auf dem Beifahrersitz und überlebte.

"Ungebremst, ohne Reaktion"

Rüdiger Jorewitz und sein Kollege Hans (Name geändert) sind auf der Rückfahrt von einem Arbeitseinsatz. In Senftenberg haben sie den ganzen Tag in einem Einfamilienhaus Elektroleitungen in einem Bad verlegt. Der 63-Jährige ist Elektriker, er hilft Hans an diesem Montag. Die Arbeiten gehen gut voran, am Mittag isst Hans seine Bockwurst, so wie er das fast an jedem Arbeitstag macht. Es ist nach 16 Uhr, beide machen sich über die B 169 auf den Weg nach Cottbus.

"Auf der Nachhausefahrt, bei herrlichem Sonnenschein - und aus heiterem Himmel kam auf unserer Fahrspur mit hoher Geschwindigkeit ein Fahrzeug entgegengerast", erinnert sich Jorewitz. Es war ein schwarzes Auto, dass "ungebremst, ohne Reaktion" direkt auf sie zufuhr.

Rippenbrüche, aber kaum Schmerzen

Es vergehen nur wenige Sekunden zwischen Sehen und Begreifen, was jeden Moment passieren wird. "In dem Moment denkt man: Das war's. Das Leben ist zu Ende. Das letzte Wort von meinem Kollegen höre ich noch - 'ach du Scheiße'." Rüdiger Jorewitz überlebt den Totalzusammenstoß, auch der mutmaßliche Unfallverursacher überlebt.

Erste Hilfe bekommt Jorewitz von einem Autofahrer, der Augenzeuge des Unfalls wurde. Dieser wollte eigentlich ins Stadion der Freundschaft fahren, zum Pokalspiel zwischen Energie Cottbus und SC Freiburg. Doch nach dem Unfall kehrte er nach Hause um.

In diesem Moment weiß Rüdiger Jorewitz noch nicht, was mit seinem Kollegen und Freund Hans, los ist. Die Notärzte sagen es ihm noch am Unfallort. "Jetzt bleiben sie stark. Seien sie froh, dass sie so gut weggekommen sind. Ihr Kollege ist soeben verstorben." Er begreift die Worte anfangs kaum. "Das muss man erstmal verdauen. Das wird einem dann Tag für Tag bewusst." Jorewitz selbst hat ein paar Rippenbrüche, die Schmerzen spürt er in dem Moment kaum.

Der Unfallort ist für den 63-Jährigen seit dem 20. August 2018 Tabu. "Das steckt so drin, da möchte ich nie wieder lang fahren."

Psychologie rät, sich Hilfe zu holen

Wer selbst Zeuge einen Verkehrsunfalls geworden ist, sollte sich therapeutische Hilfe suchen, sagt der Cottbuser Verkehrspsychologe Peter Klepzig rbb|24. "Das sollte man möglichst schnell tun. Wobei ich betonen möchte, dass nicht jeder eine posttraumatische Belastungsstörung zeigt." Es habe auch viel damit zu tun, wie es dem Betroffenen aktuell im Leben geht - "das heißt, ob ich gerade auch andere seelische Belastungen habe und dieses plötzliche Ereignis zu den bestehenden Belastungen hinzu kommt."

Dass ein Unfallzeuge Hilfe braucht, könne man sowohl an körperlichen als auch seelischen Symptomen merken, erklärt Klepzig und nennt einige Beispiele. "Es können Schlafstörungen, Unruhezustände oder Essstörungen sein. Es kann auch vorkommen, dass jemand anfängt, Alkohol im Übermaß zu konsumieren."

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren

Die asiatische Elefantenkuh Don Chung steht im Freigehege und wirft mit ihrem Rüssel Erde in die Luft (Quelle: dpa/Pleul)
dpa/Pleul

Tierpark in Cottbus - Eine Paartherapie für Elefanten

Seit acht Monaten leben die Elefantendamen Sundali und Don Chung gemeinsam im Cottbuser Tierpark. Doch noch immer verstehen sie sich nicht so gut, wie es die Pfleger gern hätten. Wie schafft man es, dass sich zwei Dickhäuter mögen? Von Florian Ludwig