Wege zur Herdenimmunität - Cottbuser Mikrobiologin kritisiert Diskussion um Corona-Impfung von Kindern

Mo 02.08.21 | 18:12 Uhr
"Jugendlicher (14 Jahre alt) vor Impfung"; © Frank Hoermann / SVEN SIMON /dpa
Bild: Frank Hoermann / SVEN SIMON /dpa

Um in Deutschland eine Herdenimmunität gegen das Coronavirus zu erreichen, setzen einige Politiker und Immunologen auf eine Impfung ab zwölf Jahren. Auch der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz Michael Müller (SPD) hofft auf eine generelle Empfehlung der ständigen Impfkommission Stiko, doch die hält sich bisher zurück.

Dennoch wollen die Gesundheitsministerien der Länder offenbar künftig mehr Covid-19-Impfungen für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren anbieten. Das geht aus einer Beschlussvorlage für die Gesundheitsministerkonferenz am Montag hervor, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt.

Heidrun Peltroche, Leiterin desa Refewrenzlabors am Carl-Thiem-Klinikum Cottbus
Heidrun Peltroche | Bild: rbb/Josefine Jahn

Kritik an der Debatte kommt von der Mikrobiologin Heidrun Peltroche vom Carl-Thiem-Klinikum Cottbus, dem größten Krankenhaus im Süden Brandenburgs. "Die Diskussion läuft meiner Meinung nach ein bisschen falsch", sagte sie am Montag dem rbb.

Eine Herdenimmunität würde nicht erreicht werden, selbst wenn sich über zwölfjährige impfen lassen würden. Sie fordern deshalb: "Wir müssen die restlichen Erwachsenen erreichen."

Erwachsene sollten sich zur Impfung durchringen

Peltroche rechnet vor. Das Robert-Koch-Institut spreche bei einer Impfquote von 85 Prozent von einer Herdenimmunität, es gebe 4,5 Millionen 12- bis 18-Jährige. "Das ist nicht viel. Wenn wir die 4,5 Millionen impfen würden, reicht das noch lange nicht, um auf 85 Prozent Bevölkerungsimpfung zu kommen. Das sind 70 Millionen Einwohner."

Vollständig geimpft waren am Montag 52,3 Prozent der Bevölkerung, also knapp 43,5 Millionen Menschen [impfdashboard.de].

Der Fokus müsse klar auf den Erwachsenen liegen, die sich noch nicht geimpft haben, es aber könnten, sagt Peltroche. "Die sollten sich zur Impfung entscheiden. Die müssen sich dazu durchringen." Dann könne gegebenenfalls auch darauf verzichtet werden, die unter Zwölfjährigen zu impfen, sagt die Mikrobiologin.

"Kinder werden einfach nicht so schwer krank"

Aus Sicht von Heidrun Peltroche laufe die Diskussion um die Impfung von Minderjährigen auch deshalb in die falsche Richtung, weil sie bei einer Coronainfektion weniger stark erkranken würden. "Die ständige Impfkommission guckt sich an, wo der Schaden und der Nutzen für das Individuum ist. Und das ist tatsächlich bei Kindern so, dass die Wirkungen durch die Erkrankungen nicht so groß sind. Kinder werden einfach nicht so schwer krank."

Wenn man in Israel die Kinder impfe, habe das "sicherlich auch andere Gründe, weil dort ein Großteil der Bevölkerung einfach auch jung ist."

Stiko hält sich mit Empfehlung noch zurück

Bereits Anfang Mai hatten sich alle Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder darauf verständigt, dass alle Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren bis Ende August ein entsprechendes Impfangebot bekommen sollen.

Die Ständige Impfkommission empfiehlt die Impfung für Zwölf- bis 17-Jährige bisher nicht generell, sondern nur für Risikogruppen. Die Europäische Arzneimittelagentur hat allerdings die Impfstoffe von Biontech und Moderna generell für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren zugelassen. Mit dem Einverständnis ihrer Eltern können sie sich also bereits jetzt impfen lassen.

 

Was Sie jetzt wissen müssen

Sendung: Antenne Brandenburg, 02.08.2021, 17:30 Uhr

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