Gemeinschaftsprojekt zum Holocaust - Piccolo Theater Cottbus und Schaubühne Berlin bringen "Stolpern" auf die Bühne

Was vor 80 Jahren als Wannseekonferenz in die Geschichte einging und die Deportation und Ermordung von Juden organisierte, wollen Jugendliche aus Cottbus und Berlin in dem gemeinsamen Theaterprojekt "Stolpern" reflektieren. Von Josefine Jahn
Die Jugendlichen der Theatergruppe des Cottbuser Piccolo Theaters proben, was jeder von ihnen zuvor aufgeschrieben hat. Ein Gang durch ihre Stadt, aber jeweils mit einem konkreten Ziel, erklärt Ensemble-Mitglied Florian Jähne. Es ging darum, den Weg zwischen dem eigenen Zuhause und dem nächsten Stolperstein zu beschreiben, sagt der 20-Jährige.
Diese Stolpersteine gibt es seit 1992, und sie erinnern an das Schicksal der Menschen, die in der NS-Zeit ermordet, deportiert oder vertrieben wurden. Über 75.000 Stolpersteine gibt es inzwischen in Deutschland und 26 weiteren europäischen Ländern.
Zum Theaterprojekt gehören Schreibworkshops, ein Besuch in der Gedenkstätte Buchenwald und viele Proben, mal in Berlin, mal in Cottbus. Daraus soll ein gemeinsames Theaterstück werden.
"Diese Einzelschicksale gehen einem sehr nahe"
Die Klammer bilden die Stolpersteine, die Namen und Geschichten, die sich damit verbinden, erklärt der Cottbuser Regisseur Matthias Heine. Ihm ist wichtig, dass die Jugendlichen darüber reden, was sie an rassistischen und diskriminierenden Erfahrungen gemacht haben.

Für die 18-jährige Jula Zwicker, die seit mehreren Jahren im Kinder- und Jugendtheater mitspielt, sei das eine gute Herangehensweise an das sensible Thema Drittes Reich und Judenverfolgung. In der Schule, sagt sie, finde dieses Thema im historischen Kontext statt. In dem Theaterstück werde eher auf die Gefühlsebene eingegangen. "Und ich glaube, dass man in der Kunst allgemein Themen nochmal ganz anders begegnen kann und der Blick darauf nochmal verändern wird", sagt Jula Zwicker.
Als sie das erste Mal von dem Projekt gehört habe, fand sie es zunächst "krass, weil es ein sehr großes und schweres Thema ist", beschreibt sie ihre Gedanken. Auch der Besuch in der Gedenkstätte Buchenwald, habe sie sehr beeindruckt. "Ich habe dort von so vielen Einzelschicksalen gehört, von deren Lebenswegen. Es ist sehr intensiv und auch sehr wichtig, davon zu erfahren. In der Schule spricht man über den Nationalsozialismus und die Shoah im Großen und Ganzen. Aber diese Einzelschicksale gehen einem sehr nahe."

Stolpersteine werden gestohlen und müssen wieder ersetzt werden
Die Jugendlichen sollen ihren eigenen Blick auf das Geschehene entwickeln, aber auch auf die Gefahr, die Rassismus in der Gegenwart birgt, erklärt Heine. "Und so sind wir darauf gekommen, aus der Vergangenheit in die Gegenwart zu stolpern und uns die Entwicklung neuer rechter Strukturen in unserer Gegenwart anzugucken."

Jung-Schauspieler Florian Jähne hat während des Projekts recherchiert, dass die Diskriminierung von jüdischen Mitbürgern in und um Cottbus mehrere Jahrhunderte zurückgeht und ist umso entsetzter darüber, wie heute teilweise mit dem Gedenken umgegangen wird. Es werden Stolpersteine gestohlen und müssen wieder ersetzt werden. "Da fragt man sich, warum macht man das und welchen Hintgergrund hat das genau."
Die Arbeit an diesem Gemeinschaftsprojekt mit dem Arbeitstitel "Stolpern" wird noch einige Monate dauern. Die erste Aufführung ist am 10. Juni 2022 am Cottbuser Piccolo Theater gegplant. Eine Woche später soll es an der Berliner Schaubühne laufen.
Sendung: Kulturradio, 20.01.2022