1.000-Meter-Umweg für Gehbehinderte - Bahnhof von Lauchhammer nach Modernisierung nicht barrierefrei

Mi 18.01.23 | 12:05 Uhr | Von Phillipp Manske
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Gleisübergang Bahnhof Lauchhammer
Video: rbb|24 | 17.01.2023 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell | Bild: rbb/Phillipp Manske

Nach der Modernisierung des Bahnhofs von Lauchhammer haben Reisende im Rollstuhl, Rollator oder mit Kinderwagen schlechte Karten. Sie müssen einen ein Kilometer langen Umweg nehmen, um auf das gegenüberliegende Gleis zu kommen. Von Phillipp Manske

Vor anderthalb Jahren ist der Bahnhof in Lauchhammer von der Deutschen Bahn für rund 4,5 Millionen Euro saniert worden. Davor mussten Fahrgäste über die Gleise gehen, wenn sie von Bahnsteig zu Bahnsteig wechselten, diese Gefahr sollte gebannt werden. Nun verbindet eine moderne Fußgängerbrücke die Bahnsteige miteinander, jeweils 82 Stufen sind es auf jeder Seite, die überwunden werden müssen.

Für Holger Hennig aus Lauchhammer eine Zumutung. Der Mann leidet an Multipler Sklerose: "Das ist ein kompletter Planungsfehler, hier so einen Bahnhofsübergang zu bauen, ohne dass ein Fahrstuhl gebaut wurde." Henning schaffe maximal zehn Stufen am Stück, so dass der Fußgängerübergang für ihn keine Option ist.

Gleisübergang Bahnhof Lauchhammer ohne Aufzug
Gleisübergang Bahnhof Lauchhammer ohne Aufzug | Bild: rbb/Phillipp Manske

Deutsche Bahn verweist auf stufenfreien Weg

Die Deutsche Bahn verweist auf rbb-Nachfrage auf die Gefahren für Reisende vor dem Umbau sowie auf die Möglichkeit für gehbehinderte Reisende: "Ein Überqueren der Gleise wie vor dem Umbau ist aus Sicherheitsgründen nicht mehr möglich. [...] Die Deutsche Bahn hat außerdem einen stufenfreien Weg zu den Bahnsteigen und fünf Parkplätze für mobilitätseingeschränkte Reisende [...] errichtet."

Den stufenfreien Umweg gibt es tatsächlich, jedoch führt er über Pflasterstraßen und unbefestigte Sandwege und ist einen Kilometer lang. Eine Hürde für Reisende wie Holger Hennig: "Wenn ich jetzt nach Cottbus muss, würde ich auf der Seite parken, würde hier abfahren und würde prima nach Cottbus kommen. Aber dann kommt ja das Problem, ich muss nachmittags zurück, und muss dann wieder rüber und dann komme ich auf der Gegenseite an." Für ihn allein sei das nicht machbar, sagt der Senior.

Zu wenig Fahrgäste für einen Aufzug

Rund 300 Menschen steigen täglich am Bahnhof in Lauchhammer ein und aus. Laut DB zu wenige, um den Fußgängerübergang um zwei Aufzüge zu ergänzen: "Bei Bahnhöfen unter 1.000 Reisenden am Tag sind grundsätzlich zunächst keine Aufzüge vorgesehen, d.h. eine Finanzierung von Aufzügen muss in solchen Fällen über Drittmittel erfolgen. Aufzüge könnten nachgerüstet werden, dafür ist die Brücke auch ausgelegt."

Lauchhammers Bürgermeister Mirko Buhr (parteilos) ärgert die Verschlechterung nach der Sanierung: "Letztendlich ist es ein Bauwerk der Deutschen Bahn. Und wir hatten zuvor eine nahezu barrierefreie Erreichung des anderen Gleises. Und jetzt erst seit Neubau der Brücke ist diese Situation so entstanden."

Den Einwohnern von Lauchhammer bleibt nach aktueller Lage nur, mehr Bahn zu fahren, um die Nachrüstung der Aufzüge zu rechtfertigen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 17.01.2023, 19.30 Uhr

35 Kommentare

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  1. 35.

    Ich stimme Ihnen in Ihren Ausführungen vollkommen zu. Eine einfache Schranke tut´s auch, analog der Schranken an den Bahnübergängen.

  2. 33.

    Laut alter Luftbildaufnahme gab es vor der Sanierung nur einen Bahnsteig und zusätzlich ein begehbaren Bereich auf den Gleisen. Das heißt, der Zug hält auf der gegenüberliegenden Schiene und die Leute laufen auf den Gleisen. Keine Ahnung wie das Signal technisch realisiert wurde, aber in diese Zeit durfte keine Bahn auf dem Hauptgleis fahren.
    Aber wie gesagt, es gibt einen Übergang, ist zwar nicht optimal, aber besser als gar nichts. Wo ist eigentlich die ganze Kohle(Geld) geblieben, dass ist doch eine Tagebauort. Hätte man mal etwas investieren können, statt immer auf die Anderen zu schimpfen.

  3. 32.

    Ja, und genau diese unrealistisch negativen Annahmen verursachen unter'm Strich viel mehr Leid als sie verhindern. Wenn man konsequent den Worst Case annimmt, kann man eigentlich gar nichts mehr machen. - Eine vernünftig abwägende Sicherheitsbetrachtung hätte hier zu einer Warnanlage (Ampel und Glocke) und ggf einer Fußgänger-Schranke an der niveaugleichen Querung geführt, wie sie in tausenden Fällen funktioniert - und niemandem die Teilhabe am Leben massiv erschwert. Das Restrisiko wäre damit völlig ausreichend reduziert; auf Null kann man es eh niemals bringen.

  4. 31.

    Wie am Ende des Artikels gesagt wird, wenn nicht mehr Bahn fahren, lohnt sich ein Fahrstuhl nicht. Man muss es auch wirtschaftlich sehen. Es ist letztlich ein Umweg da, man muss halt 400 m bis zur Überquerung laufen.
    Wenn es dem Ort sehr wichtig ist, dann muss dieser den Fahrstuhl mitfinanzieren. Sprich der Bürgermeister ist dort die Ansprechsperson.

  5. 30.

    Eine berechtigte Frage. Die Querung erfolgte vorher jahrelang direkt über die Schienen. Jede Lösung hat ihre Vor- und Nachteile. Dazu gibt es in dem Beitrag keine Fakten, sich eine eigene Meinung zu bilden. Auch eine direkte Querung kann signaltechnisch geregelt werden. Dass bei geringem Nutzungsaufkommen eine teure Aufzuganlage die Bahn nicht bezahlen will, ist verständlich.

  6. 29.

    Es wird immer vom so bezeichneten "worst case" ausgegangen: Je höher die Fahrgeschwindigkeit, desto länger der Bremsweg für den Fall, dass jemand rübergeht ohne recht zu schauen. Meines Wissens gilt die Strecke als "schnelle Regionalverkehrsstrecke".

    Zu Fuß Gehenden wird weniger Umsicht zugetraut als Autofahrenden. Erst oberhalb von 160 km/h ist mit ebenerdigen Straßenübergängen Schluss, bei zu Fuß Gehenden wird schon früher abgewunken. Wahrscheinlich muss erst ein zertifizierter Gehschein gemacht werden, um diese Asymmetrie aufzuheben.

  7. 28.

    Was nützt den ein Fahrstuhl wirklich? Innerhalb kürzester Zeit würde alles demoliert und funktionsunfähig. Ist an anderen Orten gut zu sehen.

  8. 27.

    Warum eigentlich wird die niveaugleiche Querung überhaupt generell als zu unsicher angesehen? Gibt es dafür statistisch belegte Gründe? Und ist es nicht so, dass vorgegebene Brückenwege erfahrungsgemäß auch durch's Gleisbett abgekürzt werden? Oder darf man solche Fragen nicht stellen?

  9. 25.

    So etwas kann auch nur jemand sagen der noch nie auf so etwas wie Barrierefreiheit angewiesen war. Egoistischer geht es kaum!

  10. 24.

    Na, dann kommt mal nach Wannsee ,Bahnsteig 8 - fallls Ihr ihn findet!

  11. 23.

    Warum baute die DB keine Rampen an die Brücke? Die würden zumindest Kinderwagen, Rollstuhlfahrern und Rollkoffern helfen. Im Gegensatz zu Aufzügen sind Rampen billiger und nicht kaputt. Ich glaube, die Überführung hat insgesamt 82 Stufen, also auf jder Seite 41. Denn 16 cm Stufenhöge ergibt dann 6,56 m Geamthöhe. Das paßt eher zu einer Eisenbahnüberführung. @7 Das ist Ketzerei. @8: Diese sinnlose Hetze gegen Grüne hilft nicht weiter. genauso könnte man statt Grüner auch AfD oder CDU einsetzen.

  12. 22.

    Es muss doch nicht für jeden und alles zum Nulltarif alles und jeden vorhanden sein.
    Das Ding ist Barrierefrei -damit Basta!

  13. 21.

    Ich denke einfach mal, es trifft sich knallharte Kommerzialität, die die Bahn (AG) spätestens seit Hartmut Mehdorn heimgesucht hat, mit staatlich erlassenen Regelungen ohne jeglichen Ermessensspielraum. Wenn Vor-Ort-Situation und Regel nicht zusammenpassen wollen, umso schlimmer für die Vor-Ort-Situation.

  14. 20.

    Polen würde ich nicht unbedingt als positives Beispiel sehen. Fahrbahnen auch in Wohngebieten so einfach nach Lust und Laune zu queren wie hier, kann Menschen eine Menge Geld kosten. Dafür sind dann recht wenige Querungen vorgesehen, die unabdingbar genommen werden müssen.

    Aus EU-Recht, Barrierefreiheit schaffen zu müssen, wird mithin im Umkehrschluss, alle anderen Querungsmöglichkeiten für zu Fuß Gehende zu unterbinden. Das Ziel angesichts der nationalen Regierung ist recht eindeutig.

    Dass die Fahrstühle funktionieren, ist hingegen außerordentlich erfreulich. Beim Vorschlag a) und b), die DB AG betreffend, gehe ich selbstverständlich mit.

  15. 19.

    Oder es sollen so wenig Fahrgäste werden, dass man den Bahnhof ganz zu macht.

  16. 18.

    Das klingt nicht nur danach.

    Die DB macht es sich einfach, ihren eigenen Richtlinien nach ist der Bahnhof barrierefrei.

    Da die DB zu 100% der Bundesrepublik Deutschland gehört, könnte man im zuständigen Verkehrsministerium natürlich dafür sorgen, dass

    a) eine gesetzliche Regelung für tatsächliche Barrierefreiheit getroffen wird

    b) die DB ihre eigenen Richtlinien der Realität anpasst.

    Alleine es fehlt das Interesse. Was würde das nur kosten?

    OT: Ich war vor Weihnachten im Urlaub in Lodz. Dort gibt es kilometerlange Straßen an Wohngebieten entlang, die so stark befahren sind, dass statt Übergängen alle paar hundert Meter (und auf jeden Fall an jeder Bus- oder Tramhaltestelle) Unterführungen existieren. Mit (funktionierenden) Fahrstühlen...

  17. 17.

    Nun, wir sind in einer marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaft. Und die Bahn AG hat ihre Regelwerke und auch der Straßenbau: Sie würden sich wundern, wenn Sie diese, tja wie nun, altertüml. oder neuzeitl. Regeln kennen würden. Werden z.B. bestimmte Abstände zw. Ast an z.B. BAB nicht eingehalten, also unterschritten, dann wird eben neu gebaut, bis die Regel wieder stimmt. Traurig aber wahr! Es geht leider wieder zulasten der Bürger, wie in Lauchhammer. Mit nur(! wurde vergessen zu schreiben)1000 langem(Um)weg & bezahlen können es die Fahrgäste auch noch. Vielleicht sollten Herr Wissing und Herr Lindner mal eingeladen werden! Bedingung! Anreise mit den Öffentlichen. Vielleicht gibt es dann derart Unfug zu vermeiden, ein Gesetz. Die 'wackeren' Bürger, die sich dann mit verfehlten Planungen beschäftigen, werden dann fordern: Gesetz xyz wurde nicht beachtet. Warum??? - Tja, nun, zeigt man auf LH!

  18. 16.

    "Tolle" Idee von der DB: Gehbehinderte Menschen sollen einen Kilometer laufen, über unbefestigte Sandwege und Pflasterstraßen. Da haben sich die 4,5 Millionen Euro ja richtig gelohnt.

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