Porträt | Hirschfelder Osterhase - Der Mann hinter dem Hasenkostüm

So 09.04.23 | 10:18 Uhr
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Der Hirschfelder Osterhase Dieter Melzer auf Tour (Bild: dpa)
Der Hirschfelder Osterhase Dieter Melzer auf Tour | Bild: dpa

Seit 55 Jahren ist Dieter Melzer in Südbrandenburg als Osterhase unterwegs. Sein Markenzeichen sind motorisierte Zweiräder. Wer ist der Mann, der unermüdlich Schokolade an Kinder verteilt und dafür Hunderte Kilometer zurücklegt?

18 Jahre war Dieter Melzer aus Hirschfeld (Landkreis Elbe-Elster) alt, als er erstmals in das Kostüm des Osterhasen schlüpfte. Mittlerweile ist Melzer 73 Jahre alt - und der wahrscheinlich dienstälteste Osterhase Brandenburgs. Seit 55 Jahren fährt er zur Osterzeit durch Südbrandenburg, um Kindern Geschenke zu bringen.

Auch in diesem Jahr ist Dieter Melzer wieder unterwegs, nimmt sich aber dennoch die Zeit, in alten Fotos zu blättern und in Erinnerungen zu schwelgen. Melzer erzählt beispielsweise von seinen Zweirädern - ein Markenzeichen des Hirschfelder Osterhasen.

Dieter Melzer bereitet sich auf seine Tour vor (Bild: dpa)
Dieter Melzer bereitet sich auf seine Tour vor | Bild: dpa

Der Hirschfelder Osterhase wird zum Familienunternehmen

Seine erste Tour absolvierte Melzer auf seiner 350er Jawa, erzählt er. Danach tourte der Osterhase auch auf anderen DDR-Motorradklassikern durch das Land: Schwalbe, ES, RT. Nicht immer führte es ihn weit weg, den Hirschfelder Kindergarten besuchte er mehrfach. "Diese Kinder haben vielleicht schon Enkel", sagt Melzer mit Blick auf die alten Fotos.

1989 stieg dann seine Tochter Carina, selbstverständlich ebenfalls kostümiert, mit auf das Motorrad. Der Hirschfelder Osterhase bleibt Familientradition. Auch Melzers Frau oder Enkel haben schon geholfen.

Melzer verteilt meist Süßigkeiten, Eier und geweihtes Osterwasser. Nicht nur Kindergärten kommen in den Genuss der besonderen Tradition: seit einigen Jahren besucht er regelmäßig auch die Kinder- und Jugendabteilungen von Krankenhäusern, beispielsweise in Lauchhammer (Oberspreewald-Lausitz) oder in Cottbus.

Kindergärten, Pflegeheime, Krankenhäuser

Sieben Mal, sagt Dieter Melzer heute, habe er in seinen 55 Osterhasenjahren weiße Ostern erlebt. Eine besondere Herausforderung für den Hasen, der traditionell auf zwei Rädern unterwegs ist.

Das Kostüm hat sich in all den Jahren mehrfach verändert. "Es wurde immer wieder etwas Neues ausgedacht", sagt der 73-Jährige. Die Hitze unter dem Kostüm konnte Dieter Melzer aber noch nicht abstellen. "In dem Altersheim haben wir Sauna pur, hin und zurück", sagt Melzer mit Blick auf ein altes Foto, das ihn beim Beschenken älterer Menschen zeigt.

"Es ist schon ganz schön bewegend, was man hier alles durchgestanden hat und das man es überhaupt so lange durchgehalten hat", so Melzer. Dass er 55 Jahre den Osterhasen spielen würde, habe er nie gedacht. "Aber nach den ersten Einsätzen war die Sache so faszinierend für mich, dass ich nicht mehr loslassen konnte." Die Freude der Kinder, die dem Hasen entgegengebracht werde, sei eine schöne, eine dankbare Sache, so Melzer. Doch auch die Besuche in Altersheimen würden ihn glücklich machen. "Ältere Patienten wollten mich am liebsten gar nicht mehr nach Hause lassen. Drei ältere Damen haben sogar geweint vor Freude. Da muss man aufpassen, dass man nicht selbst weint", sagt Melzer sichtlich gerührt.

36 Einsätze, 800 Kinder

Mittlerweile beginnt Melzer seine Touren schon vor der eigentlichen Osterwoche. Er hat mehr Termindruck als etwa ein Weihnachtsmann, sagt er. Der habe vier ganze Adventssonntage, einen ganzen Monat Zeit. Und es gibt einen weiteren Grund: vor Ostern würden viele Kinder aus Krankenhäusern entlassen. Auch diese Kinder wolle er gern beschenken. In der Osterwoche selbst besucht Melzer dann hauptsächlich die Kindergärten in der Region.

36 Einsätze hat Melzer in diesem Jahr - rund 800 Kinder bekommen von ihm Geschenke. Geld bekommt Melzer dafür nicht. Manchmal, so sagt er, bekommt er einen kleinen Obolus, vor allem für die Fahrtkosten. Die von ihm verteilten Süßigkeiten seien häufig Spenden.

Viele Veränderungen hat Melzer in seiner Zeit wahrgenommen - vor allem bei den Geschenken, die die Kinder bekommen. Schon jüngere Kinder würden heutzutage beispielsweise Handys bekommen. Manche Kinder in den Kindergärten hätten sogar Wunschzettel bei seinen Besuchen parat.

Geheimnis- und Hoffnungsträger

Stolz macht Melzer, dass er für viele Kinder ein Geheimisträger sei. "Die vertrauen einem eigentlich alles an, die überschlagen sich beim Reden", so Melzer. Das traurigste Ereignis habe sich im Stadtpark Großenhain ereignet, erzählt er. Ein Mädchen hatte ihn immer wieder fixiert und war zum Ende des Besuchs schließlich doch noch zu ihm gekommen - um zu berichten, dass sie regelmäßig von ihren Eltern geschlagen werde. "Die hat sich gedacht, dem Osterhasen kannst du das anvertrauen", so Melzer. Den Erzieherinnen habe er daraufhin einen Hinweis gegeben.

Sein emotionalstes Erlebnis habe er in einer Krebsklinik für Kinder gehabt, erzählt Melzer: "Ich bin in ein Zimmer gekommen, da lagen zwei kleine Patienten verkabelt. Die Eltern saßen neben dem Bett und als ich in Erscheinung getreten bin haben die Eltern geweint vor Freude." Es sei das erste Mal gewesen, dass er selbst auch unter seinem Kostüm geweint habe.

In die Krankenhäuser gehe Melzer stets allein, sagt er. Seiner Tochter wolle er das nicht zumuten. "Aber es geht nichts darüber. Ich habe mir das auf die Fahnen geschrieben, habe damit angefangen und kann jetzt nicht sagen, ich komme nicht mehr."

Nach Ostern hat dann auch der wahrscheinlich dienstälteste Osterhase des Landes wieder frei. Er habe zwar schon darüber nachgedacht, auch als Weihnachtsmann aufzutreten - doch dann bekomme er Probleme mit seiner Frau. "Wenn ich Weihnachten auch noch anfange, dann brennt wahrscheinlich die Luft."

Sendung: Brandenburg Aktuell, 08.04.2023, 19:30 Uhr

5 Kommentare

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  1. 5.

    Ein feiner Mensch. Meine Hochachtung. Hoffentlich kann er dies noch viele Jahre fortführen. Ich wünsche es ihm.

  2. 4.

    COOL :-))

  3. 3.

    Meinen Respekt. Habe den Bericht gesehen. Sah wie eine normale doku aus. Was er aber seit Jahren macht und mit welchem Hintergrund, verdient Anerkennung. Ich ziehe meinen Hut.

  4. 2.

    Da kommen Kindheitserinnerungen auf.
    Danke Herr Melzer!

  5. 1.

    Ein Ehrenmann. Respekt und meine Hochachtung.

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