Abbaggerung von Groß Lieskow jährt sich - 40 Jahre ohne die Heimat

Sa 10.06.23 | 10:28 Uhr
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Ortseingang aus Cottbus kommend Groß Lieskow (Foto: Archiv Roswitha Kupsch)
Audio: Antenne Brandenburg | 09.06.2023 | Nico van Capelle | Bild: Archiv Roswitha Kupsch

Für den Tagebau Cottbus-Nord wurden vier Orte vollständig zerstört - einer davon war Groß Lieskow. 1983 mussten die Einwohner wegziehen und damit ihre Heimat verlassen. 40 Jahre später wollen viele am Gedenkstein wieder zusammenkommen. Von Josefine Jahn und Nico van Capelle.

Roswitha Kupsch zeigt in die Ferne. Wo früher Leben war, gähnt heute ein Loch, zur Hälfte gefüllt mit Wasser. "Das war das Hauptdorf, das war, wo unser zentrales Leben war."

1983 mussten die 255 Einwohner von Groß Lieskow aus ihren Häusern raus, den Ort verlassen, weil die Bagger des Tagebaus Cottbus-Nord näher rückten. Roswitha Kupsch war gerade Mutter geworden, als ihr Heimatdorf für die Braunkohle abgebaggert wurde, genau wie 137 weitere Orte in der Lausitz.

Jahrzehnte Später, 2018, fuhr schließlich der letzte Kohlezug im Tagebau Cottbus-Nord, seit April 2019 wird die Grube geflutet. Entstehen soll der Cottbuser Ostsee, das größte künstliche Gewässer Deutschlands. Der Anblick tue ihr "in der Seele weh", so Kapusch. "Deshalb gehe ich ganz selten bis hier ran."

Roswitha Kupsch mit Jänschwalder Pfarrer Ingolf Kschenka (Mitte) und Jürgen Nattke (Foto: rbb/Jahn)
Roswitha Kupsch mit dem Jänschwalder Pfarrer Ingolf Kschenka (Mitte) und Jürgen Nattke | Bild: rbb/Jahn

Neue Heimat - aber nicht dasselbe

Zu Groß Lieskow gehörten rund 150 Gehöfte, eine Schule, sorbisches Kulturgut - sowie eine "wunderbare Kirche [und] funktionierende Gemeinde". Vieles mussten die Groß Lieskower damals zurücklassen. Roswitha Kupsch hätte zum Beispiel gern "einen Teil unseres Brunnens, ein Wagenrad oder ein paar Tiere" mitgenommen.

Dass der Ort zerstört wurde, mache sie von Jahr zu Jahr wehmütiger. Es sei ein Heimatgefühl gewesen, das mit ihrem jetzigen Wohnen in Cottbus nicht vergleichbar sei. "Man ist weggezogen, hat eine gute Wohnung, hat auch ein neues Umfeld. Aber meine Groß Lieskower Freunde, die ich seit Kindergartenzeiten habe, sind heute immer noch meine wichtigsten Personen."

Alte Dorfkirche und Schulhaus Groß Lieskow (Foto: Archiv Roswitha Kupsch)
Das Schulhaus und die Dorfkirche | Bild: Archiv Roswitha Kupsch

Positive Entwicklung

Die Pläne für den ehemaligen Tagebau freuen Kupsch. Es sei positiv, dass er zu einem Erholungsgebiet wird, dass daraus "etwas Sinnvolles" entsteht, sagt sie. Mitte der 2020er Jahre soll der Cottbuser Ostsee fertig geflutet sein. Zurzeit ist der Wasserhahn jedoch erstmal wieder zugedreht. Ende Mai wurde die Flutung wegen der anhaltenden Trockenheit vorübergehend gestoppt, wie auch schon in den vergangenen Jahren.

Wenn alles fertig ist, hofft Roswitha Kupsch, "dass große Gedenktafeln um den Ostsee aufgestellt werden und wir auch Groß Lieskow gedenken." Sie wünsche sich auch, dass darauf Bilder ihres alten Heimatortes zu sehen sind.

Treffpunkt: Gedenkstein

Einen Gedenkstein gibt es bereits seit 2013, seitdem treffen sich ehemalige Bewohner einmal im Jahr, immer am zweiten Samstag im Juni. Bis zu 150 Leute seien bei solchen Treffen dabei gewesen.

Auch an diesem Samstag sollen - zum 40-jährigen Jubiläum der Ortsabbaggerung - die früheren Groß Lieskower am Gedenkstein zusammenkommen. Kupsch bereitet das Treffen gemeinsam mit Jürgen Nattke, der ebenfalls in Groß Lieskow lebte, und dem Jänschwalder Pfarrer Ingolf Kschenka vor.

Es sei nicht nur ein Zusammentreffen der älteren Bewohner, sagt Kupsch. "Die bringen auch ihre Kinder mit, die damals vielleicht noch gar nicht geboren waren." Jeder bringe auch etwas mit, wie Kaffee oder Sekt. "Man unterhält sich miteinander. Danach geht's uns besser."

Hier war Groß Lieskow

Sendung: Antenne Brandenburg, 09.06.2023, 16:40 Uhr

6 Kommentare

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  1. 6.

    stimmt genau und die neuen Heizgesetze werden auch vielen die Heimat,das Zuhause oder die Existenz rauben und das ohne Sinn oder Verstand,den die sogenannte Wärmepumpe fördert die „Wärme“tief aus dem Erdreich, aber damit auch das dort befindliche CO2 und Methangas, die Vorrichtung selbst dafür verbreitet gefährliche Flurgase,neben der Tatsache dass es komplett unerforscht ist welche geologischen Folgen solche Erdbohrungen haben oder welche baustatischen Folgen entstehen im Hinblick auf Setzungen des Fundaments.Es ist sehr schade um diese Kirche von damals, aber einen See dort entstehen zu lassen ist vielleicht nützlich.Es sollte darüber nachgedacht werden das ehemalige Dorf zu rekonstruieren, die damals Vertriebenen würden sich ggf.daran gewöhnen können?

  2. 5.

    Wieder mal das typische Gejammere. Nach 40 Jahren sollte man sich, wenn man will, an die geänderten Lebensumstände gewöhnt haben. Die meisten Umzügler haben sich vom Wohnraum her deutlich verbessert. Aber so sind halt viele unserer Landsleute, Jammern bis der Arzt kommt . Und die jährlichen Prozessionen zum zum Ort des Grauens -- wenns hilft . Dabei meine ich nicht, dass man die alte Heimat vergessen soll, aber Erinnerung ist einer der Sache, die man im Herzen trägt.

  3. 4.

    Sicher man kann es nicht selber fassen oder begreifen was es bedeutet die Heimat zu verlieren wenn man es nicht selbst durchlebt hat! Nur die Nummer mit dem billigen Strom in der DDR das kann ich ungern so stehen lassen! Die DDR hatte so gut wie keine eigenen Energiequellen und quetschte diese aus auf Teufel komm raus! Da gibt es noch ein zwei mehr Sachen zu betrachten als nur ihre Trauer um ihre Heimat! Leider gehört auch das zur Wahrheit.

  4. 3.

    Die Meisten haben keine Ahnung von dem was es bedeutet seine Heimat für immer zu verlieren. Orte der Kindheit nie wieder besuchen zu können. Und das bei den Kommunisten auch noch de facto entschädigungslos. Diese Banditen haben es wörtlich genommen das man Heimat nicht entschädigen kann.
    Und wofür? Damit die Leute billigen Kohlestrom hatten. Der ist jetzt weg, Die Umwelt zerstört und die wahren Kosten zahlen jetzt alle.

  5. 2.

    Die Meisten haben keine Ahnung von dem was es bedeutet seine Heimat für immer zu verlieren. Orte der Kindheit nie wieder besuchen zu können. Und das bei den Kommunisten auch noch de facto entschädigungslos. Diese Banditen haben es wörtlich genommen das man Heimat nicht entschädigen kann.
    Und wofür? Damit die Leute billigen Kohlestrom hatten. Der ist jetzt weg, Die Umwelt zerstört und die wahren Kosten zahlen jetzt alle.

  6. 1.

    Was soll die Trauer? Wenn die Energiewende so wie sie aktuell geplant wird, fertige ist, wird sich niemand mehr leisten können, auf dem Dorf zu wohnen.
    Fernwärme, die unser Wirtschaftsminister zum Heizen verwendet, lohnt da nämlich nicht.

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