5.000 Arbeitsplätze fallen weg - Galeria Karstadt Kaufhof schließt 52 Warenhäuser - auch in Berlin und Cottbus

Mo 13.03.23 | 16:50 Uhr
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Symbolbild:Eine Filiale von Galeria Kaufhof im Tegel QUartier.(Quelle:imago images/J.Ritter)
Audio: rbb24 Abendschau | A.Tiemeyer und M. Kell | 13.03.2023 | Bild: imago images/J.Ritter

Deutschlands letzter großer Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof will mehr als 50 Häuser schließen. In der Cottbuser Filiale sollen noch in diesem Jahr die Lichter ausgehen. Zwei Berliner Häuser werden im nächsten Winter aufgegeben.

Deutschlands letzter großer Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof will nach Angaben des Gesamtbetriebsrats 52 der noch verbliebenen 129 Warenhäuser schließen. Nach rbb-Informationen wird der Standort in Cottbus zum 30. Juni geschlossen, der in Potsdam nicht. In Berlin sollen die Kaufhäuser in der Wilmersdorfer Straße (Charlottenburg) und in der Müllerstraße (Wedding) die Pforten schließen. Diese beiden Filialen sollen zum 31. Januar 2024 aufgegeben werden - wobei für die Müllerstraße eine Wiedereröffnung nach jahrelanger Sanierung im Raum steht.

Nicht betroffen von den aktuellen Schließungsplänen sind demnach die Berliner Filialen Ring-Center, Alexanderplatz, Hermannplatz, Tempelhofer Damm, Kurfürstendamm, Schloßstraße, Carl-Schurz-Straße und Tegel.

"Ein rabenschwarzer Tag"

"Insgesamt werden somit weit über 5.000 Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren", teilte das Unternehmen am Montag mit. "Dies ist ein rabenschwarzer Tag", betonte der Betriebsrat. Der Konzern sprach von 4.300 Arbeitsplätzen.

Der Hintergrund: Galeria Karstadt Kaufhof hatte Ende Oktober zum zweiten Mal innerhalb von weniger als drei Jahren Rettung in einem Schutzschirm-Insolvenzverfahren suchen müssen. Als Grund für die bedrohliche Lage des Unternehmens nannte Konzernchef Miguel Müllenbach damals in einem Mitarbeiterbrief die explodierenden Energiepreise und die Konsumflaute in Deutschland. Der Manager ließ von Anfang an keinen Zweifel daran, dass die erneute Sanierung mit erheblichen Einschnitten in das Filialnetz und einem deutlichen Stellenabbau verbunden sein würde.

Verdi: 250 Beschäftigte in der Region betroffen

Die Gewerkschaft Verdi mahnt, die angekündigten Schließungen könnten enorme Auswirkungen auf die betroffenen Innenstäfte haben. "Es drohen Verödung und Leerstand", hieß es in einer Mitteilung. "Es ist unbedingt notwendig, eine Zusammenarbeit und Diskussion - vor allem mit der Signa - zu organisieren", teilte die Gewerkschaft mit.

Die Verdi-Fachbereichsleiterin für den Bereich Handel, Conny Weißbach, sagte der rbb24 Abendschau, sie hoffe, dass noch Filialen auf der Schließungsliste gerettet werden können. Das hänge unter anderem davon ab, ob die Konditionen für Galeria als Mieterin nochmal verbessert werden könnten und ob die Kommunalpolitik noch Einfluss auf die Entscheidung nehmen könnte. "Wir reden allein in den drei Warenhäusern (Anm. Red.: 2x Berlin und 1x Cottbus) von mehr als 250 Beschäftigten, hinzu kommen Mitarbeitende aus den Lebensmittelabteilungen, Gastronomie und Untervermietungen sowie umliegende Geschäfte und kleinere Einzelhändler, die von den Galeria Warenhäusern als Ankermieter abhängig sind", so Weißbach weiter.

Verdi geht bei der Schließung der Berliner Filiale in der Müllerstraße zudem davon aus, dass diese nach einer Komplettsanierung 2027 wieder öffnen kann. Weißbach sagte, hier stelle sich vor allem die Frage, was mit den Jobs in der Zwischenzeit passieren soll. Die Gewerkschaft setze sich dafür ein, dass die Beschäftigten vorübergehend in anderen Filialen in Berlin unterkommen können.

Die Gewerkschaft fordert, dass der Galeria-Chef und Immobilieninvestor René Benko versprochene Zusagen einhält.

Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) zeigte sich bei rbb24 Brandenburg aktuell erleichtert, dass die Filiale in seiner Stadt erhalten bleiben soll. Das sei eine gute Nachricht für die Einzelhändler in der Brandenburger Straße und besonders für die Beschäftigten von Galeria Karstadt Kaufhof, sagte Schubert rbb24 Brandenburg aktuell. Für den Erhalt habe wohl auch gesprochen, dass die Stadt Potsdam wahrscheinlich 1.000 Quadratmeter des Standortes für einen Bürgerservice anmieten will. Erste Gespräche dazu seien bereits gelaufen, so Schubert.

Von der Pandemie stark betroffen gewesen

Es ist bereits der zweite Versuch, den Handelsriesen durch ein Schutzschirmverfahren und den damit verbundenen Schuldenschnitt wieder dauerhaft auf Erfolgskurs zu bringen. Ein erster Anlauf, der 2020 während des ersten Corona-Lockdowns gestartet worden war, hatte dem Unternehmen trotz der Schließung von rund 40 Filialen, dem Abbau von etwa 4.000 Stellen und der Streichung von mehr als zwei Milliarden Euro an Schulden nur vorübergehende Entlastung gebracht.

Bereits Anfang 2021 und Anfang 2022 noch einmal musste der geschrumpfte Handelsriese angesichts der Pandemie um staatliche Unterstützung bitten. Insgesamt griff der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) dem Traditionsunternehmen in zwei Hilfsaktionen mit 680 Millionen Euro unter die Arme - ohne Erfolg.

Kleiner und dezentraler werden

Der Galeria-Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz, der auch schon das erste Schutzschirmverfahren als Sanierungsexperte begleitet hatte, zeigte sich zuletzt zuversichtlich, dass es dank des zweiten Schutzschirmverfahrens noch eine Perspektive für den Warenhauskonzern gebe. "Ich bin davon überzeugt, dass die Galeria-Warenhäuser eine Zukunft haben, wenn auch nicht in ihrer derzeitigen Form", sagte er.

Das Unternehmen müsse dafür allerdings kleiner und dezentraler werden. Galeria werde hoffentlich "in drei Kalenderjahren" wieder Gewinn machen. Vorher fielen wegen der Umstrukturierungskosten etwa für Umbauten sicher weitere Verluste an.

Sendung: rbb24 Abendschau, 13.03.2023, 19:30 Uhr

111 Kommentare

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  1. 111.

    "Kaufhaus bezahlt Miete, Energie, Beratung, Service und den damit verbundenen (hohen) Lohnkosten."

    Soll nicht das Problem des zahlenden Kunden sein. Wenn niemand mehr ins Kaufhaus geht hat das Kaufhaus etwas falsch gemacht.

  2. 110.

    Hat das einen besonderen Grund, dass Sie Flüchtlinge in Anführungszeichen setzen...?

  3. 109.

    Na dann können doch ins ehemalige Kaufhaus „Flüchtlinge“ einziehen und § hin is5 da§ Platzprobleme gelöst

  4. 108.

    "... Kaufhof für 120€, wenn ich das gleiche Bekleidungsstück online 40% günstiger bekomme ..."
    Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei ...

    Kaufhaus bezahlt Miete, Energie, Beratung, Service und den damit verbundenen (hohen) Lohnkosten.
    Wenn keiner mehr hingeht, steigen zwangsläufig die Preise für "Einzelartikel" bzw. es müssen Artikel aus dem Bestand genommen werden.

  5. 107.

    Wenn eine Kaufhausware keinen Profit abwirft, so ist dies ein klares Signal, dass der Kunde diesen Kram nicht kaufen will. Und natürlich ist Betriebswirtschaft gleich Profit, ansonsten wäre es ein eingetragener Verein.

  6. 106.

    Selbstverständlich. Die beste Qualität zum billigsten Preis. Ich kaufe mir doch kein Lacoste-Poloshirt im Kaufhof für 120€, wenn ich das gleiche Bekleidungsstück online 40% günstiger bekomme. Zeiten ändern sich und viele Kaufhäuser haben die Zeiten verpennt. Shopping-Malls haben noch etwas Zukunft, da etwas frischeres Konzept. Aber reine Kaufhäuser sind tot.

  7. 105.

    Mal eine Frage in die Runde:

    "Anfang 2021 und Anfang 2022 musste der geschrumpfte Handelsriese angesichts der Pandemie um staatliche Unterstützung bitten. Insgesamt half der Wirtschaftsstabilisierungsfonds dem Konzern mit insgesamt 680 Millionen Euro."
    aus https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/galeria-insolvent-101.html

    Ist der Staat dort "blauäugig mit hineingeschlittert" oder hätten schlaue Leute dieses Ende evtl. voraussehen können?
    Oder anders herum, hätte man sich die Millionen sparen können?

  8. 104.

    Tja... Das war dann mal weg.
    Das war mit den Immobiliendeals von Arcandor seinerzeit schon absehbar, dass nur Kapital aus dem Konzern gezogen werden soll. Da wurderts auch niemanden, dass jetzt nichts mehr da ist, auf das neue Konzepte aufgebaut werden können.
    Die auf der Strecke bleiben sind wie immer die Arbeitnehmer. Und die Sozialkassen sollens wieder richten...
    Jetzt sind die Kaufhauslagen in den Städten das nächste Kapital, das verscherbelt wird. Bald sehen wir dort schicke teure Eingentumswohnungen in neuen Bauten. Unten drin sicher einer der x-beliebigen Klamottenketten und Co. Thats life!

  9. 103.

    Das stimmt. Nach dem Kauf des Karstadt-Konzerns wurden alle Immobilien an eine neu gründete Firma verkauft. Dann zu teuren Mieten wieder an Karstadt vermietet. Mit sukzessiv schlechterem Angebot werden Kunden abgeschreckt. Online business erst garnicht richtig ausgebaut. Jetzt kann der Investor über 52 top immobilien verfügen und hat mit Karstadt richtig Kasse gemacht. Dabei hat dem armen Mann unsere Regierung noch kräftig finanziell unterstützt.

  10. 102.

    Ernsthafte Frage? Das liegt natürlich daran, dass bei kleinen Firmen die Zahl der dann Arbeitslosen deutlich geringer ausfällt als bei großen Firmen.
    Die Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt bei der Zahl 5000 ist dann natürlich deutlich signifikanter sind als bei 12.
    Und natürlich fallen 12 auf die Straße gehende betroffene Protestler weniger auf, als wenn dies 5000 tun. Die haben so natürlich eine viel größere Chance, mehr Aufmerksamkeit bei den Berichterstattenden zu bekommen.

  11. 101.

    Vielem kann ich zustimmen - allerdings geht man irgendwann nicht mehr gerne an einen Ort von dem man >vergrault< wird. Angebot statt Nachfrage. Ich würde immer noch gerne in ein Kaufhaus gehen, wenn es meinen Bedürfnissen und sicherlich auch denen vieler anderer entgegenkommen würde. Nachfrage statt Angebot.
    Früher konnte ich zum Hermannplatz gehen und wußte, in der Kurzwarenabteilung gibt es Knöpfe in mehreren Grüntönen, die richtigen Haken für die Gardinenstange, in der Computerabteilung sehr gute Beratung und dann das passende LAN-Kabel, in der Damenabteilung Kleidung in Kurzgrößen, Bettwäsche in Übergröße, unten dann die Taschen, Seifen, ach - doch noch schnell noch zum Friseur und Photos für den Ausweis machen lassen, dann Geld ziehen am Bankomat - was ist daran nicht zeitgemäß? Heute ist jedes dieser Anliegen eine Extra-Tages-Projekt, besonders wenn man älter wird nicht leicht. Aber es ging dem Besitzer nie um die Kundschaft fürchte ich, es ging immer um die Immobilien.

  12. 100.

    Ein attraktives Warensortiment und Personal, das für den Kunden da ist, statt wegzurennen, wenn Kunde mit Kauf droht.

    Und natürlich auch die Gegenseite wäre gefordert. Täglich erlebt man in beliebigen Geschäften angebliche Kunden, die sich eine Stunde beraten lassen und so Personal blockieren, um anschließend genau diesen Artikel im Internet zu kaufen. Geschäfte sind keine kostenlosen Beratungsstellen, sie leben vom Verkauf.

  13. 99.

    Galeria ist nicht mehr zu retten. Früher oder später werden die restlichen Filialen auch geschlossen.

    Die Mitarbeiter müssen sich was neues suchen.

    Das Modell Kaufhaus ist sicher auch nicht mehr zeitgemäß

  14. 98.

    Soziale Inkompetenz? Glaube ich eher nicht. Ein Problem habe ich, wenn immer nur die Beschäftigten in großen Unternehmen so eine Aufmerksamkeit bekommen. Aber wenn eine kleine Firma stirbt interessiert es kaum die Öffentlichkeit. Wo bleibt da der Aufschrei? Das kritisiere ich eigentlich.

  15. 97.

    Sie haben Recht: Der Staat darf und soll nicht alles "richten". Wirtschaft muss von sich aus laufen. (Enteignung ist sowieso kein akzeptables Mittel.)
    Aber der Staat kann und sollte schon unterstützen, schon weil alle Staaten das machen, ist es erforderlich, um konkurrenzfähig zu bleiben. Meines Erachtens sollte er nur mehr darauf achten, wann, was er wie unterstützt und was er oder besser gesagt die Beschäftigten und die Bürger dafür bekommen. Dafür muss er sich auskennen und dafür benötigen die Politiker Leute, die sich auskennen, sie top informieren und sie beraten.

  16. 96.

    Das stimmt alles. Aber was könnte dagegen unternommen werden oder besser für eine Gesundung der Filialen.

  17. 95.

    Sicher nicht ausschließlich, aber seinen Beitrag als Konsument leistet man schon.

  18. 93.

    Ich denke, das stimmt, aber andererseits ist es auch so, dass Karstadt nicht genug zeitgemäße Werbung macht. In Spandau z. B. ist ein tolles Kaufhaus und die Angestellten sind top. Zu teuer sind sie insgesamt nicht. Teils kann man sehr schöne Sachen sehr günstig einkaufen. Es macht Spaß, mit ihnen zu "stöbern". Warum haben sie nie eine Aktion "Karstadt Metaversum Kunde rein Kunde raus" oder "Welcome im Paradise" oder Ähnliches gemacht....Warum gibt es eine Abteilung, deren Name sich so anhört, als sei sie nur für Jugendliche, während heutzutage gerade auch Frauen bis ins höhere Alter diese Kleidungsstücke dort tragen...Die Abteilung wird von den Kundinnen übersehen. Sie kaufen dort nicht und kommen nicht wieder, weil sie gar nicht gesehen haben, dass es das, was sie suchen, dort gibt, und sie tragen nach draußen die versehentlich unrichtigen Botschaft: das was ich suche und unsereins trägt, haben die nicht, sondern nur was für alte (nur versteckt hinter einem Namen)

  19. 92.

    Zwar glaube ich, dass das nicht der einzige Grund ist, aber ich stimme in jedem Fall zu, dass das eine große Rolle spielt.

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