Streit zwischen Berlin und Brandenburg - Brandenburger Grüne nennt SPD-Position zum Neun-Euro-Ticket einen "Fehler"

Di 13.09.22 | 11:32 Uhr
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Archivbild: Die Hand eines Mannes hält auf dem Potsdamer Hauptbahnhof ein 9-Euro-Ticket. (Quelle: dpa/S. Stache)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 12.09.2022 | Theresa Majerowitsch | Bild: dpa/S. Stache

Die Diskussionen um einen Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket halten an. Die Brandenburger Landesregierung lehnt eine Übergangslösung bisher ab. Die Grünen scheren nun aus. Berlin will noch in dieser Woche ein Modell präsentieren.

In der Brandenburger Landesregierung aus SPD, CDU und Grünen entbrennt offenbar ein Streit darüber, inwieweit sich das Land um einen Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket bemühen soll. So teilte die Landesvorsitzende der Grünen in Brandenburg, Alexandra Pichl, am Montag mit, die ablehnende Haltung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Landesverkehrsminister Guido Beermann (CDU) sei "ein Fehler".

"Den Fokus auf eine bundesweite Lösung ist richtig", so Pichl, "der regionalen Alternative vorschnell eine Absage zu erteilen ist allerdings grundfalsch." Angesichts der großen Zahl von Pendlern nach Berlin müsse Brandenburg "seinen Teil dazu beitragen, dass den Menschen eine Nachfolgelösung für das Neun-Euro-Ticket angeboten wird. Einerseits durch Unterstützung des Vorschlags für das bundesweite Modell, andererseits durch aktive Arbeit mit Berlin an einem Plan B", stellte Pichl fest und mahnte: "Ein gemeinsamer Verkehrsverbund bedeutet gemeinsame Verantwortung."

Linke fordert Verhandlungen mit Berlin

Die Linke begrüßte den Vorstoß von Pichl: "Ich freue mich, dass die Grünen als erste der Brandenburger Regierungsparteien ausscheren", teilte der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion, Andreas Büttner, am Dienstag mit. "Sie nehmen Abstand von der Verweigerungshaltung der Koalition", ergänzte er.

Die Linke hatte bereits im Juni einen Antrag gestellt, dass das Land Brandenburg die Forderung Berlins an die Bundesregierung nach einer dauerhaften und bezahlbaren Anschlusslösung für das Neun-Euro-Ticket unterstützen soll. Zudem wurde die Landesregierung darin aufgefordert, "unverzüglich mit dem Berliner Senat und dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) in Verhandlungen über eine temporäre Anschlusslösung" für die Hauptstadtregion zu treten.

In dem Antrag stehe "genau das, was auch Frau Pichl gefordert hat", erklärte Büttner. Der Antrag steht am kommenden Freitag im Landtag auf der Tagesordnung.

Brandenburger Infrastrukturminister: "Kein Bedürfnis"

Die Bundesregierung strebt im Rahmen des jüngsten Entlastungspakets ein Nachfolgeangebot des Neun-Euro-Tickets für 49 bis 69 Euro pro Monat an. Die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte ein zeitlich begrenztes, regionales Nachfolgeangebot in Aussicht gestellt. Sie plant eine Überbrückungslösung von Oktober bis Dezember 2022 für die Hauptstadt, bis ein bundesweites Ticket kommt.

Beermann hatte dagegen am Montag gesagt, Brandenburg habe dort kein Bedürfnis. "Eine große Stadt, die weltweit für ihren ÖPNV beneidet wird, und das fünftgrößte Flächenland in Deutschland, das stark durch den ländlichen Raum geprägt ist - das stellt eine große Herausforderung im Tarifgefüge dar." Für ihn stehe im Vordergrund, das Angebot der Verkehrsunternehmen trotz drastisch steigender Energiepreise zu erhalten. Schon in der vergagenen Woche hatte sich Ministerpräsident Woidke (SPD) ähnlich geäußert: "Nur über billige Tickets zu reden, wäre für die Fläche Brandenburgs verfehlt."

Fahrgastverband kritisiert Brandenburg

Der Fahrgastverband IGEB kritisierte die bisherige Haltung der Brandenburger Landesregierung am Montag. Brandenburg müsse über seinen Schatten springen, forderte der stellvertretende Vorsitzende, Jens Wieseke, gegenüber rbb24 Brandenburg aktuell. Der Bund wolle anderthalb Milliarden Euro in ein Nachfolge-System investieren, die Länder müssten zusätzliches Geld dazugeben. Die Vorraussetzungen seien aber schwierig, weil Brandenburg "schlicht und ergreifend" weniger Geld als Berlin habe, ergänzte Wieseke.

In der Hauptstadt wird derweil weiter an einer Übergangslösung für 29 Euro im Monat gearbeitet - bis es ab Januar vielleicht bundesweit ein 69-Euro-Ticket gibt. Aktuell sieht dieses vorübergehende Ticket aber nur die Geltungsbereich A und B vor und damit keine Verbindungen nach Brandenburg. Damit auch der Bereich C eingebunden wird, müsste sich Brandenburg finanziell beteiligen.

"Es ist eine Lösung für die Berlinerinnen und Berliner. Ich würde mir wünschen, dass es für ganz Brandenburg auch gelten würde", erklärte die Berliner Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) am Montag. Die beiden Länder hätten jedoch unterschiedliche Bedingungen, auch finanziell, und damit müsse man umgehen, sagte sie der rbb24 Abendschau. "Wenn wir Partner sein wollen", dann müsse man sich gegenseitig aber auch etwas ermöglichen - auch wenn es teils unterschiedliche Bedarfe gebe, so Jarasch weiter. Schon in dieser Woche will Jarasch die Berliner Lösung präsentieren.

Sendung: rbb24 Abendschau und rbb24 Brandenburg aktuell, 12.09.2022, 19:30 Uhr

93 Kommentare

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  1. 93.

    Abschließend: Wenn ich Ihre Kommentare lese, kann ich alle Jugendlichen verstehen, die aus den Brandenburger Dörfern in die Stadt abhauen.

  2. 92.

    Hören Sie doch bloß einmal damit auf, Stadt und Land gegeneinander ausspielen zu wollen und denken Sie einfach mal über Ihr Dorf hinaus. Stadt und Land brauchen sich gegenseitig oder was meinen Sie, wo die Brandenburger das angebaute Obst und Gemüse sonst loswerden, wenn nicht in den Städten, darunter auch Berlin? Mein Opa hat in den 1920ern schon Obst aus der Gegend um Werder nach Berlin auf den Großmarkt gefahren. Ziegel für den Bau der Häuser kamen aus Rathenow und Glindow, Textilien für die Berliner Damen aus Guben. Daran wurde gut verdient. Wenn Brandenburg Berlin mit Nahrungsmitteln, Strom und anderem versorgt, tut es das auch heute nicht umsonst, sondern verdient daran.
    Für Berlin sind die BVG und die S-Bahn als Teil des VBB verantwortlich. Hier muss der VBB also gar nichts ausschöpfen. Wenn der Bedarf nicht da ist, weil viele Brandenburger lieber Auto fahren, macht der Ausbau der Linien keinen Sinn.

  3. 91.

    Na, super, Sie können sehr wohl sachlich und lösungsorientiert zu diesem Thema auftreten! Und das erste Mal versuchen Sie die Bedarfsträger zu erfassen. Denn bisher hatte ich den Eindruck, dass u.a. die Rentner bitte schön in ihren Wohnungen bleiben müssen. Das ist der erste Beitrag von Ihnen, den man mal wirklich mit zustimmendem Häckchen versehen kann. Haben Sie weitere vernünftige Vorschläge auf Lager? Und kennen Sie weitere Verkehrsverbünde? Da machen auch Straßenbahnen mit! Haben Sie da eine Idee?

  4. 90.

    ,,Und ohne eigenen Flughafen BER, fliegt Berlin nur auf die Schnauze, aber sonst nirgendwohin,,.

  5. 89.

    Ich frage mich warum die Politiker immernoch über den Preis und allem drum herum diskutieren und lammentieren müssen. Die sollten ein deutschlandweit gültiges 29€-Ticket einführen. Spanien will ja sogar ein 0€ (i.W.: NULL EURO) Ticket einführen. Und da kommt kein Steuerzahler für auf. Finanziert werden soll es durch eine Übergewinn- und einer Bankensteuer. Ist aber hier nicht möglich. Der FDP sei dank.

  6. 88.

    Hatte und hat Berlin genug Ackerflächen und Viehställe, um sich zu versorgen? Das wurde vor der Wende aus Brandenburg nach Berlin gekarrt. Jetzt steht Berlin auf Bio. Das kommt wiederum aus Brandenburg. Oder ist Berlin schon soweit, dass die Biogärten in ausreichender Menge auf den Hausdächern vorhanden sind? Die Schrebergärten werden kaum den Bedarf decken. Die Wochenmärkte werden von Händlern aus Brandenburg versorgt. Immer mehr Industrien siedeln sich rings um Berlin herum in Brandenburg an, weil Berlin lieber teuere Wohnungen baut. Strom wird auch in Brandenburg für Berlin, durch die vielen schrecklichen Windräder produziert. Schwedt versorgt noch Berlin mit Benzin, Diesel. Reicht das am Beispielen oder brauchen sie noch mehr?

  7. 87.

    Nein, es erwartet keiner hier, dass jedes Dorf Schienen erhält. Das wissen Sie genauso. Es soll ein sinnvolles Konzept geben. Das heißt, dass die Verkehrsträger (Bahn, Bus, Auto) sinnvoll miteinander verbunden werfden. Bspw. Park& Ride an größeren Bahnhöfen, zentrale Umsteigehaltestellen, wo sich mehrere Buslinien kreuzen, diese möglichst zur gleichen Zeit ankommen, abfahren. Gleiches an Bahnhöfen. Umsteigezeiten, die auch für Rentner machbar sind. Nicht nur Schulkindertransporte. Taktzeiten von zwei Mal die Stunde. S-Bahn-Linien verlängern (S3 nach Fürstenwalde, S46 bis Bestensee, Teupitz, usw. ) Einfach die Möglichkeiten ausschöpfen, die der VBB hätte. Nur er schöpft sein Potenial hauptsächlich für Berlin aus. Damit nur 40 Prozent von dem was ginge.

  8. 86.

    Strecken, Takte und Haltepunkte in Brandenburg müssten besser angepasst werden und nicht jede einzelne ,, Milchkanne,, mehr abgefahren werden. Die Busse sind oftmals zu langsam und dadurch natürlich leer.

  9. 85.

    Berlin boomt eben und wird halt voller und jetzt auch noch ein günstiges Nahverkehrsticket dazu, wird es halt noch voller.

  10. 84.

    Es leben aber nicht alle Brandenburger in Potsdam-Nord. Viele müssen eben doch durch die Stadt und eben nicht nur zum Flugplatz. Oder was meinen Sie, wo fahren die ganzen Leute mit Bus, Bahn und Auto morgens und nachmittags hin?

  11. 83.

    Sie haben nicht Unrecht. Es gab selbst vor 1991 weit mehr Linien in Brandenburg als heute, aber eben nicht nur. Man muss sich doch auch fragen, wieviel Fahrgäste realistisch aus einem Dorf ins nächste fahren. So lange viele auf ihrem Auto beharren, wird sich der Bau einer Bahnstrecke schlichtweg nicht lohnen. Es wird auch gar nicht überall möglich sein oder wollen sie Acker- und Waldbesitzer enteignen? Was ist gegen den Bus einzuwenden?

  12. 82.

    Absolut logisch, dass der ÖPNV da ausgebaut werden muss "wo noch nie jemand ein-oder ausgestiegen ist".

  13. 81.

    "Na, man sollte sich vorher überlegen wie weit man von seinem Arbeitsplatz weg wohnen möchte." Ist eher was für Singlehaushalte. Ich denke, daß einige Familien bei unterschiedlichen Arbeitsplätzen der Eltern, die Fahrtwege einfach in Kauf nehmen müssen, um nicht arbeitslos zu sein in dem Flächenland BRB. Da bringt bisweilen ein Umzug gar nichts, da es nur den Fahrtweg von einem Elternteil auf den anderen verlagert.

  14. 80.

    Ja, der einzigste der Spaß am Bus fahren in Brandenburg hat, ist wahrscheinlich der Busfahrer - wird dafür sogar noch bezahlt und stellt die Klimaanlage ein, wie er es will. Auf dem platten Land sollte man einen eigenen Pkw haben, deshalb rumpeln ja auch die Busse, leer oder fast leer, über die Straßen. Da hilft auch kein 9 Euro Ticket.

  15. 79.

    Bei uns benötigt der Linienbus für 25 Km zur nächsten Stadt, ca. 50-60 min. auf schlechten Landesstrassen, weil jedes noch so kleine Dorf und jeder Dorfplatz angefahren wird, wo noch nie jemand ein-oder ausgestiegen ist. Für besseren ÖPNV sollten die Grünen und das Land Brandenburg, sich erst einmal für Investitionen und einen Ausbau des ÖPNV einsetzen und nicht nur ,,billige Tickets,, als Wahlgeschenke verteilen.

  16. 78.

    Es gab auch noch die Westhavelländischen Kreisbahnen und wahrscheinlich noch andere Kreis-und Kleinbahnen, als Bahnverbindungen der Brandenburger Städte und Dörfer. Durch Mauerbau und Teilung ist aber sehr viel stillgelegt worden und in Vergessenheit geraten.

  17. 77.

    Wenn Ich das Flugzeug besteigen möchte, benutze Ich, den Berliner Eisenbahn-Aussenring, über Golm, Ludwigsfelde, BER - ohne durch Berlin zu fahren - geht bequem und schnell.

  18. 76.

    Informieren Sie sich Bitte doch mal, welche Bahnstrecken und Bahnverbindungen, es schon im 19. und 20. Jahrhundert in Brandenburg gab. Zum Beispiel nur mal anklicken: Osthavelländische Kreisbahnen, usw. Selbst vor 100 Jahren war es möglich, Dörfer und Kleinstädte mit der Bahn zu verbinden - im 21. Jahrhundert in Deutschland fahren vielerorts nur langsame Busse über marode Straßen und Bahnstrecken werden stillgelegt, statt endlich reaktiviert.

  19. 75.

    Wie stellen Sie sich denn den Nahverkehr in vielen Dörfern sonst vor, außer mit Bussen? Sollen in jedes noch so kleine Dorf Schienen verlegt werden? Nicht überall hin waren die Verbindungen früher, also vor der Wende, besser. Bin oft genug eine Stunde von Werder bis zum Dorf gelaufen, weil der Bus weg war und auch nur vier Mal am Tag fuhr. Damals arbeiteten aber auch nicht so viele außerhalb des Dorfes, sondern bei LPG und GPG. Dass Berliner ne größere Klappe als Brandenburger haben, ist ein Gerücht, dass scheinbar von Generation zu Generation weiterverbreitet wird. Schon insofern absurd, weil es den typischen Berliner gar nicht gibt. In Berlin wurde schon immer eingewandert, sei es aus Brandenburg, Schlesien, Frankreich, Ostpreußen usw. Außerdem wurden um 1920 erst viele Orte eingemeindet, die vorher zu Brandenburg gehörten. Vielleicht rührt der Neid auch ursprünglich da her.

  20. 74.

    "Ohne BRB war und ist Berlin verloren"?
    WARUM sollte Berlin OHNE Brandenburg verloren sein ? Es ging doch vor der Wende auch gut ohne.
    Geben Sie doch mal einige Beispiele Ihrer Äußerung.

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