Schule und Gesundheitswesen - Cottbus an der Grenze der Integrationsmöglichkeiten

Mi 11.01.23 | 17:35 Uhr | Von Iris Wussmann
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Ein Schüler meldet sich (Foto: dpa/Gollnow)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 11.01.2023 | Sebastian Schiller | Bild: dpa

Bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen war Cottbus die erste Stadt im Land, die gesagt hat: Wir können nicht mehr. Das wird auch im Gesundheitswesen und in den Schulen der Stadt deutlich. Von Iris Wussmann

Es ist Pause in der Oberschule im Cottbuser Ortsteil Schmellwitz. Von den gut 270 Schülern sind 30 Prozent Migranten, 20 Schüler sprechen kein Deutsch. Die Lehrkräfte, von denen die Hälfte Seiteneinsteiger sind, müssten es eigentlich schaffen, alle Schüler zu unterrichten.

Doch das sei kaum machbar, sagt Schulleiter Tobias Kahl. Und wer nichts versteht, der schalte ab oder entwickle Frust. "Der Fokus liegt derzeit darauf, dass wir Lehrkräfte brauchen, die persisch-arabisch sprechen können." Gesucht würden aber auch Streetworker und Leute, die im Unterricht als Übersetzungshilfen arbeiten. "Wir brauchen einfach mehr Personal."

Schon jetzt würden Schüler aus dem Unterricht genommen, um Deutsch mit ihnen zu pauken, damit sie irgendwie den Anschluss schaffen. Die Klassen seien so voll, dass die Situation "nah an der Grenze des nachhaltig Leistbaren" sei.

"Das ist desolat"

Von dieser Grenze spricht auch die Integrationsbeauftragte der Stadt, Stefanie Kaygusus-Schurmann. Es seien viele Familien mit Kindern nach Cottbus gezogen, aber es gebe nicht mehr Schulen. Genauso sehe es bei der medizinischen Versorgung aus. "Es ist tatsächlich so, dass viele Beratungsstellen, Migrationssozialarbeitende und auch wir selbst merken, dass wir Kinder nicht mal mehr bei Kinderärzten unterbekommen. Wir schaffen es nicht, Hausärzte vor allem für migrantische Familien zu finden. Das ist natürlich desolat."

In dieser Woche startet in Cottbus eine Notsprechstunde für Eltern, die keinen Kinderarzt gefunden haben. Es ist eins der vielen Pflaster, mit denen man laut Kaygusus-Schurmann aber nicht weit komme. Sie spricht von einem strukturellen Problem. "Wir brauchen eine explizite Bildungsinitiative, sonst produzieren wir herkunftsbedingte Bildungsbenachteiligungen in Größenordnungen. Das können wir uns weder im Strukturwandel leisten, noch überhaupt."

Schick: "Cottbus braucht besondere Unterstützung"

Cottbus hat viel geleistet, doch im Gesundheitswesen und in den Schulen können keine Menschen mehr integriert werden, sagte der Oberbürgermeister der Stadt, Tobias Schick, (SPD) dem rbb. Es fehle sowohl an Platz als auch an Personal. "Dort brauchen wir schnelle Lösungen und vor allen Dingen Hilfe." Die Stadt habe eine besondere Lage, sei beliebt - und brauche deshalb besondere Unterstützung von Bund und Land, "am besten auch sehr verlässlich", so Schick. "Uns hilft keine Ad-hoc-Entscheidung für ein paar Monate - das ist eine Langzeitaufgabe."

Cottbus hat im Herbst die weiße Fahne gehisst

Bereits im Oktober hatte die Stadt Cottbus wegen des Zuzugs von Geflüchteten einen Forderungskatalog aufgestellt, damals noch unter dem Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU). Hauptanliegen war ein "Flüchtlingsgipfel mit Ministerpräsident und Kabinett unter Einbindung der Kommunen und daran anschließend Flüchtlingskonferenz mit dem Bundeskanzler." Cottbus hisse die weiße Fahne, hieß es von Kelch. "Wir können nicht mehr."

Schulen und Gesundheitsversorgung seien an der Kapazitätsgrenze. Darüber hinaus habe die Stadt keine "Signale der Unterstützung" von Land oder Bund erhalten, sondern würde vertröstet werden, so Kelch.

Sendung: Antenne Brandenburg, 11.01.2023, 16:30 Uhr

9 Kommentare

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  1. 9.

    Es ist prozentual einer eher geringe Zahl. Ich verstehe nicht, dass man da nichts hinbekommt. Obwohl, man müsste eigentlich schon dran gewöhnt sein.

  2. 8.

    Auch Sie laufen Gefahr in die Reihe "rechtsextrem" eingeordnet zu werden (wie auch Kommentar 1 und 2).
    22,3% (der Wählenden oder Wahlberechtigten = ?) sind letztlich doch gleich ganz Cottbus bzw. Brandenburg.
    Der Fakt der aus dem Beitrag stehen bleibt ist:
    "Schulen und Gesundheitsversorgung seien an der Kapazitätsgrenze. Darüber hinaus habe die Stadt keine "Signale der Unterstützung" von Land oder Bund erhalten, sondern würde vertröstet werden"
    Und da kann gegenwärtig weder Rot,Grün, Schwarz, Gelb was ändern, blau bzw. braun schon garnicht!

  3. 7.

    Ich habe den Artikel gelesen aber anscheinend haben sie nicht gesehen worauf ich geantwortet habe. Auf das bei Rechten so beliebten "Das Boot ist voll".

    Unbestritten ist aber dass Cottbus, wie ganz Südbrandenburg, ein Rechtsextremismus Problem hat. Das geht so weit dass Rechtsextreme ungehindert Fackelzüge veranstalten können und auch sonst sich eine starke rechtsextreme Szene in Cottbus etabliert hat, nicht erst seit der Wende.

    Wer das abstreitet oder ignoriert tut seiner Heimatstadt keinen Gefallen.

  4. 6.

    Dieser Kommentar lässt darauf schließen, dass Sie den Artikel nicht gelesen haben. Offensichtlich haben Sie einen Beißreflex, wenn Sie etwas über Cottbus lesen. Es geht hier vor allem darum, dass das Engagement der Leute an der Basis zwar vorhanden ist, aber die Bedingungen einfach schlecht sind. Und die Schul-, Kita-, Hort- und Kinderarztkapazitäten sind auch ohne Flüchtlings- und Migrationskinder schon nicht ausreichend. Klar kann man sich als Land und Bund darauf zurückziehen, dass die baulichen Voraussetzungen ja Aufgabe der Kommune seien, aber ohne Unterstützung wird die Stadt die Probleme nicht lösen können. Was hat das mit Rechtsextremismus zu tun?

  5. 5.

    Vielleicht kommt die Regierung auf die Idee private Aufnahmen analog wie Irland zu unterstützen.
    @Kramme und Günter, euer rechtsextremes Gesülze ist übrig.

  6. 4.

    Dort wo 22,3 % rechtsextrem wählen, die rechtsextreme AfD mit einem Rechtsextremisten an der Spitze die Mehrheit stellen und nichts gegen No Go Areas der Neonazis getan wird (Defend Cottbus, Spreelichter, ungestörte Fackelzüge durch die Stadt), wo selbst Polizisten straffrei offen mit Neonazis sympathisieren, dort hat auch schon vor Ankunft der Flüchtenden die Integration nicht funktioniert.

    https://www.tagesspiegel.de/berlin/afd-cottbus-nominiert-lars-schieske-als-oberburgermeister-kandidat-5424085.html

    https://www.rbb24.de/studiocottbus/politik/2020/02/polizisten-cottbus-graffito-ende-gelaende.html

  7. 3.

    Artikel wie dieser ermutigen nur die alten Generationen, die keine Integration mit jemandem wollen, der nicht weiß und deutsch ist. Es ist Zeit, weiterzuziehen, Leute.

  8. 2.

    Man könnte doch auch reine persisch- arabische Schulen einrichten. Die wenigen verbliebenen deutschen Schüler müssten dann nur diese Sprache lernen!

  9. 1.

    Auf gut deutsch, das Boot und sämtliche Beiboote sind voll.

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