Kommentar | Protestaktion in Jänschwalde - Anketten löst keine Probleme

Mo 19.09.22 | 14:58 Uhr | Von Andreas Rausch
Eine Klimaaktivistin blockiert eine Gleisverbindung für den Transport von Braunkohle zum Kraftwerk Jänschwalde (Quelle: dpa/Patrick Pleul).
dpa/Patrick Pleul
Video: rbb24 | 19.09.2022 | Gespräch mit Andreas Rausch | Bild: dpa/Patrick Pleul

Aktivisten ketten sich an Gleise des Kraftwerks Jänschwalde in Spree-Neiße und behindern so den Betriebsablauf. Das Engagement ist lobenswert, löst aber keine Probleme, kommentiert Andreas Rausch.

Was sind das für Zeiten? Alles ist auf den Kopf gestellt! Es ist Krieg mitten in Europa, und die Grünen plädieren für Waffenlieferungen und lassen auch noch Kohlekraftwerke länger laufen. Die Sozialdemokraten pumpen Milliarden in die Auf- oder besser Nachrüstung der Bundeswehr. Selbst die FDP biegt die Schuldenbremse, bis sie quietscht.

Wir nabeln uns energietechnisch von Russland ab - und alle schlottern vor Herbst und Winter. Die einen, weil sie fürchten, die explodierten Preise nicht zahlen zu können. Die anderen, weil sie Furcht vor dem entladenden Zorn des Volkes auf den Straßen haben. Und doch gibt es in diesen wilden Zeitenwendezeiten Konstanten und Anker, auf die wir uns verlassen können.

Kraftwerksbetreiber muss Leistung drosseln

An diesem Montagmorgen war da wieder einer, ausgeworfen von der "Unfreiwilligen Feuerwehr", wie sich die Aktivisten oder wahlweise auch Rebellen selbst nennen. Sie hatten sich an die Förderbänder und Gleise gekettet, über die die Rohbraunkohle aus dem Tagebau ins Kraftwerk Jänschwalde transportiert wird.

Und sie waren erfolgreich. Der Betreiber Leag musste teilweise die Hälfte seiner Leistung vom Netz nehmen und sprach von einem verantwortungslosen Eingriff in die Versorgungssicherheit.

Katz und Maus? Oder beißt sich die Maus selbst in den Schwanz?

Das Katz- und Maus-Spiel ist nicht neu. Aktivisten unterschiedlicher Zugehörigkeit fordern seit Jahren immer wieder den Stopp der fossilen Energieerzeugung, zur Not auch durch Enteignung der Konzerne, wenn es sein muss. Das Motto ist immer gleich: Je spektakulärer die Aktion, desto größer die öffentliche Aufmerksamkeit. Also Klotzen statt Kleckern.

Dann machen wir das jetzt mal: Wir enteignen die Leag, wir stoppen die Tagebaue und Kraftwerke. Das ist - zweifellos - sehr gut fürs Klima. Und sonst? Den dann wegbleibenden Kohlestrom holen wir woher? Aus Atomkraftwerken? Aus teurem Gas? Oder aus nicht vorhandenen Speichern hinter zu wenigen Windrädern? Mögliche Blackouts infolge der Stromlücke kompensieren wir wie? Und die infolge der Angebotsverknappung weiter explodierenden Preise, wer zahlt die nochmal? Und so weiter und so fort. Wir könnten das noch eine Weile fortschreiben.

Es ist wirklich lobenswert, sich zu engagieren, zumal für den Klimaschutz. Dass die Welt sich auch hier wandelt, und nicht zum Guten, ist nach diesem Sommer für alle offenkundig. Aber sich öffentlichkeitswirksam anzuketten und zu fordern, ohne über die Aktion hinauszudenken, ist Populismus. Und der hat noch nie Probleme gelöst.

Sendung: rbb24, 19.09.2022, 13:00 Uhr

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