Ein überraschender Rücktritt – und mögliche Hintergründe - Energie Cottbus und der Fall René Markgraf

Mo 01.08.22 | 16:50 Uhr | Von Sebastian Schiller
Außenansicht des Stadions der Freundschaft, der Spielstätte des FC Energie Cottbus
Am Stadion der Freundschaft | Bild: rbb

Energie Cottbus muss seinen Verwaltungsrat neu ordnen. Der bisherige Vorsitzende René Markgraf ist überraschend zurückgetreten. Aus persönlichen und gesundheitlichen Gründen, heißt es. Doch es gibt auch schwere Anschuldigungen gegen ihn. Von Sebastian Schiller

Fußball-Regionalligist Energie Cottbus sucht einen neuen Vorsitzenden des Verwaltungsrates. Der bisherige Amtsinhaber René Markgraf trat im Juli für viele überraschend von diesem Posten zurück. Offiziell gehen Markgraf und Energie Cottbus aus persönlichen und gesundheitlichen Gründen des Unternehmers getrennte Wege. Das haben sowohl der Verein als auch Markgraf auf Nachfrage von rbb24 mitgeteilt.

Allerdings ist auch bekannt, dass Energie Cottbus öffentlich unter Druck stand, weil vor allem in sozialen Medien Anschuldigungen gegen den mittlerweile ehemaligen Chef des Verwaltungsrates erhoben worden sind. Markgraf stand mit Positionen medial im Fokus, die den Bemühungen des Vereins entgegenstehen. Es geht darum, dass er als Vorsitzender der Wählergemeinschaft "Stimme freier Bürger" in Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz) einen mutmaßlichen Rechtsextremen politisch unterstützt.

Rechtsextreme Rhetorik

In Senftenberg wird im September ein neuer Bürgermeister gewählt. Die Fraktion von René Markgraf unterstützt mit Matthias Stein ein ehemaliges Mitglied der AfD im Wettbewerb um den Chefposten im Rathaus. Dieser ist dadurch aufgefallen, dass er rechtsextreme Rhetorik nutzt.

Beim Aufstellungsparteitag der AfD Brandenburg zur Landtagswahl 2019 etwa sprach er davon, dass das Asylrecht abgeschafft werden müsse. Im Hinblick auf den UN-Migrationspakt, ein internationales Abkommen, sagte er, dass “damit […] neoliberale Globalisten und die Altparteien den deutschen und den europäischen Völkern offen den Krieg erklärt“ hätten. Außerdem solle “unsere Heimat“ in einen multiethnischen Besiedlungsraum verwandelt werden, so Stein.

Er folgt damit inhaltlich der Erzählung vom großen Austausch, einer vor allem unter Rechtsradikalen und Antisemiten beliebten Verschwörungsgeschichte, wonach die europäische Bevölkerung angeblich durch kulturell “fremde“ Bevölkerungsgruppen ersetzt werden solle.

Stein weist Vorwürfe zurück

Beobachter wie Paul-Philipp Neumann aus dem Landesvorstand der Grünen, selbst Senftenberger, bezeichnen Matthias Stein eindeutig als Rechtsextremisten. “Er war in Cottbus in einer Telegram-Gruppe aktiv, die die Corona-Proteste organisiert hat und hat unter anderem in seinem Profilbild eine schwarze Sonne gehabt, ein Symbol das überwiegend von der SS verwendet worden ist.“ In der Gruppe wurde von anderen Nutzern unter anderem dazu aufgerufen, eine Cottbusser Kommunalpolitikerin "abzufackeln". Entsprechende Screenshots liegen dem rbb vor.

Vorwürfe, die Neumann vorher bereits über den Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlich hatte. Stein selbst sagte dazu auf Nachfrage von rbb|24: "Die Vorwürfe in den sozialen Medien sind falsch. Zu keinem Zeitpunkt habe ich rechtsextreme Symbolik verwendet." Ein Screenshot liegt dem rbb allerdings vor. Auch wenn die Verwendung des Symbols laut Verfassungsschutz nicht strafbar ist, ist die "Schwarze Sonne" in Szenekreisen ein eindeutiges Erkennungssymbol, unabhängig von der verwendeten Farbe. Zu dem Vorwurf, er selbst sei rechtsextrem, antwortet Stein, er sei "nicht rechtsextrem" und "ein Demokrat der Mitte".

Unterdessen fordert das Parlament der Studierenden der BTU Cottbus - Senftenberg René Markgraf zum Rücktritt als Vorstandsmitglied des Fördervereins der Lausitzer Universität auf - mit Verweis auf den Vorwurf, Markgraf unterstütze einen Rechtsextremisten. Darüber berichtete die "Lausitzer Rundschau" [Bezahlschranke].

Spielfeld im Stadion der Freundschaft
Spielfeld im Stadion der Freundschaft | Bild: rbb

Druck auf Energie Cottbus

Ob die politische Unterstützung von Matthias Stein durch René Markgraf einer der Gründe für den Rücktritt des bis dato Vorsitzenden des Verwaltungsrats von Energie Cottbus war, ist nicht klar. Sicher ist aber, dass vor allem über soziale Netzwerke Druck auf den Verein ausgeübt worden ist.

Energie Cottbus versucht seit Jahren, das braune Image loszuwerden und sich von Rechtsextremen im Verein und dem Stadion abzugrenzen. Eine Beauftragte für Vielfalt und Toleranz ist eingesetzt worden, es gibt verschiedene Projekte gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung. Da passt es auch nicht, dass Markgraf Anfang Juli in einer Mail an die Spitzen der Fraktionen im Senftenberger Parlament und den Bürgermeister einen Mitbewerber im Rennen um den Chefsessel im Rathaus mehrfach beleidigt und unter anderem als "Nichts" bezeichnet hat.

Die Rücktritts-Entscheidung sei "im Zuge einer kurzfristig anberaumten Sitzung des Verwaltungsrates" getroffen worden, teilt Markgraf rbb|24 mit. Bereits am Tag darauf hat ihn der Verein aus der Liste der lebenslangen Vereinsmitglieder auf der eigenen Internetseite - der "Hall of Fame" - entfernt.

Sendung: Antenne Brandenburg, 24.07.2022, 09:30 Uhr

Nächster Artikel

Bild in groß
Bildunterschrift