Schlichtung kommt - Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst gescheitert

Do 30.03.23 | 16:14 Uhr
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Mitglieder verschiedener Berufsgruppen demonstrieren bei einer Protestaktion der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vor dem Potsdamer Kongresshotel vor Beginn der dritten Runde der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. (Bild: dpa-news/Carsten Koall)
Audio: rbb24 Abendschau | 30.03.2023 | A. Sundermeyer/J. Cruz | Bild: dpa-news/Carsten Koall

Die Tarfiverhandlungen im öffentlichen Dienst sind gescheitert. Jetzt müssen Schlichter übernehmen. Auch größere Streiks stehen wieder zur Debatte - wenn auch nicht sofort.

  • Arbeitgeber und Gewerkschaften erklären dritte Tarifrunde für gescheitert
  • Arbeitgeber boten 8 Prozent mehr Einkommen an
  • Nun sind Schlichter am Zuge
  • Streiks erst wieder nach Ostern möglich

Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen sind gescheitert - jetzt sind unabhängige Schlichter am Zug. Ab diesem Sonntag herrscht nach Angaben von Verdi für die Zeit der Schlichtung Friedenspflicht. Bis dahin seien höchstens kleinere regionale Warnstreiks geplant.

Mit Spannung wird jetzt erwartet, ob die Schlichter den aufgeheizten Tarifstreit lösen können - oder ob auch die Schlichtung scheitert und in einigen Wochen, nach Ostern, neue Streiks bevorstehen.

Nach zähem Ringen über drei Tage hinweg erklärten Verdi und der Beamtenbund DBB die Verhandlungen in der Nacht zu Donnerstag in Potsdam für gescheitert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte für die Arbeitgeber daraufhin an: "Wir werden jetzt die Schlichtung einberufen."

Gewerkschaften votierten einstimmig für das Scheitern

Die Schlichtung folgt einem festgelegten Verfahren mit Fristen. Eine Schlichtungskommission hat bis Mitte April Zeit, einen Einigungsvorschlag für das Einkommen der 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen vorzulegen. Die Vorsitzenden der Schlichtungskommission sind der ehemalige sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) für die Arbeitgeberseite und der ehemalige Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr (SPD) für die Gewerkschaften, wobei Lühr die entscheidende Stimme hat.

In drei Verhandlungsrunden ab Januar war Gewerkschaften und Arbeitgebern keine ausreichende Annäherung gelungen. Verdi-Chef Frank Werneke sagte: "Am Ende mussten wir feststellen, dass die Unterschiede nicht überbrückbar waren." Der Chef des Beamtenbunds DBB, Ulrich Silberbach, spielte auf die großen Teuerungsraten und die hohen Energiepreise in Deutschland an. Auftrag der Beschäftigten an die Gewerkschaften sei es gewesen, "dass sie nicht nur einen Inflationsausgleich erhalten, sondern eine Reallohnerhöhung". Die Gewerkschaftsgremien hätten einstimmig für das Scheitern votiert, erklärten Werneke und Silberbach.

Arbeitgeber boten 8 Prozent mehr Einkommen an

Ministerin Faeser und die Verhandlungsführerin der Kommunen, Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge (beide SPD), zeigten sich enttäuscht. "Ich bedauere sehr, dass die Gewerkschaften jetzt die Verhandlungen abgebrochen haben", sagte Faeser. "Wir hätten uns anderes gewünscht, und ich glaube, dass gerade in diesen Krisenzeiten es gut gewesen wäre, am Verhandlungstisch noch zu bleiben." Die Arbeitgeber seien "bis an die Grenze des Verantwortbaren für die öffentlichen Haushalte" auf die Gewerkschaften zugegangen.

Die Arbeitgeber boten laut Faeser 8 Prozent mehr Einkommen und einen Mindestbetrag von 300 Euro an - dazu eine steuerfreie Einmalzahlung von 3.000 Euro mit einer Auszahlung von 1.750 Euro bereits im Mai. Verdi und dbb hatten 10,5 Prozent mehr Einkommen gefordert, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Der Mindestbetrag, der vor allem Bezieherinnen und Beziehern unterer Einkommen zugute käme, war für sie zentral.

Nach dem 18. April muss erneut verhandelt werden

Wie es nach der Schlichtung weitergeht, ist offen. Spätestens am 18. April müssen nach einer Aufstellung der Gewerkschaften die Verhandlungen der Tarifparteien wieder aufgenommen werden. Der Tarifstreit kann dann endgültig gelöst werden - aber es können auch reguläre Streiks folgen. Streiks nach gescheiterter Schlichtung gab es bereits Anfang der 1990er Jahre im öffentlichen Dienst.

Betroffen von den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst sind Angehörige etlicher Berufe - unter anderem Erzieherinnen, Busfahrer, Angestellte von Bädern, Feuerwehrleute, Krankenschwestern, Verwaltungsangestellte, Altenpflegerinnen, Klärwerksmitarbeiter, Förster und Ärzte. Es geht um das Einkommen von über 2,4 Millionen Tarifbeschäftigten der kommunalen Arbeitgeber und 134.000 des Bundes. Auf die Beamtinnen und Beamten soll das Ergebnis nach dem Willen der Gewerkschaften übertragen werden.

Verdi Brandenburg: Angebot der Arbeitgeber zu wenig

Die Brandenburger Verdi-Landesleiterin Andrea Kühnemann sagte zum Scheitern der Verhandlungen, besonders für die unteren Einkommensgruppen spiele der von Verdi geforderte Mindestbetrag eine große Rolle. "Das letzte Angebot der Arbeitgeber, die 300 Euro, waren den Kollegen definitiv zu wenig", so Kühnemann. 300 Euro reichten kaum, um die Einkommensverluste durch die Inflation auszugleichen.

Auch kritisierte sie die angebotene lange Laufzeit des Tarifvertrages. Die Arbeitgeber hatten eine Laufzeit von 24 Monaten vorgesehen, über die der Tarifabschluss Bestand habe. Die Gewerkschaften forderten eine kurze Laufzeit von zwölf Monaten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 30.03.2023, 09:25 Uhr

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47 Kommentare

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  1. 47.

    Na dann muss eben nochmal richtig gestreikt werden , bis endlich die entsprechende Bewegung in die Sache kommt .

  2. 46.

    Das ist zu vermuten. Und die „Gleichmacherfraktion“ hier, gönnt die notwendigen Gehaltsunterschiede zu den höheren Gehältern nicht. Da verstehen manche das Leben und die dafür notwendigen Anstrengungen/Chancennutzung und Motivationsbelohnungen (Gehalt) nicht so richtig oder aber noch schlimmer und weit verbreitet: Unmoralische Missgunst.

  3. 45.

    Dieses Angebot hört sich zunächst zwar ganz okay an, ist es aber nicht
    Erstens ist die Laufzeit mit 24 Monaten zu lange
    Zweitens ist es gegenüber den niedrigen Lohngruppen ungerecht, da die oberen Lohngruppen deutlich stärker Profitieren würden, da der mindestbetrag von 300 Euro zu niedrig ist, der müsste bei 8 Prozent bei mindestens 400 Euro liegen
    Drittens ist für die Ukraine sofort 15 Milliarden Euro da, aber für die eigenen Angestellten nicht .
    Diese Entscheidung hat die Hitzigkeit dieses Tarifstreits befeuert

  4. 44.

    Ganz deiner Meinung
    Für die Bürger dieses Landes ist kein Geld vorhanden. Aber geht es um Krieg oder was auch immer, in welchem Land, da wird hineingebuttert was das Zeug hält. Ich bin schon lange enttäuscht von unsere Regierung.

  5. 43.

    Ich finde natürlich, dass wir alle mehr Geld nicht möchten sondern auch existentbedingt brauchen.Ich arbeite z.B. in eiber Firma dir nichtc tarifgebunden und noch nicht einmal einrn Betriebsrat hat. Deshalb sollte man mit Maximalforderungen vorsichtig sein. Es ist immer ein Verhandeln und ein Entgegenkommen.So war es immer. Man sollte vielleicht auch mal nachdenken was ein Abschluß in Regionen von 10 % ausmacht...Alle anderen Gewerkschaften würden, verständlicherweise, einen ähnlichen Abschluß erzielen wollen.Ergebnis wäre die Preisspirale dreht sich weiter, vieles wird noch teurer und es bleibt nicht viel vom Abschluß.Daher bitte mit Augenmaß und nicht all in gehen.

  6. 42.

    Die Lohn Preis Spirale ist voll in gange, letztendlich hat niemand mehr in der Tasche. Die Vernunft bei den Gewerkschaften ist, wie ich sehe, außer Kraft gesetzt worden.
    Es ist doch logisch das die Gewerkschaften der Freien Wirtschaft nachziehen werden, und dann? Ja dann Jammern alle wieder das die Handwerker, die Autos, und das Leben überhaupt teurer werden!! Eigentlich ist meine Meinung sinnlos, egal ob in China ein Sack Reis umfällt.

  7. 41.

    Falsch.
    Die Laufzeit wurde wie in allen Medienberichten unterschlagen. Es wurden 10% bei einer Laufzeit von 12 Monaten gefordert. Angeboten wurden 8% verteilt auf 24 Monate, d.h. 4% Erhöhung. Nicht mal die Hälfte. Inflationsausgleich ist damit nicht erreicht.

  8. 40.

    Da sieht man wieder einmal was der Wechsel des Warenkorbes nach dem die Inflation berechnet wird ausmacht. Zudem für eine realistische Einschätzung des Angebotes fehlt die Laufzeit. Sollte sie zwei oder drei Jahre sein hätte dieses Angebot zum wiederholten Male zu einem Reallohnverlusten geführt!

  9. 39.

    Ich verstehe hier einige nicht. Verdi verhandelt mit dem AG um eine Gehaltsanpassung, so wie es jeder andere außerhalb des ÖD auch macht. Wo ist da euer Problem? Liegt es daran, daß die Verhandlungen öffentlich verlaufen und somit Neid und Missgunst angesprochen werden? Dem ÖD laufen die Fachkräfte jetzt schon weg. Wenn dann gestreikt wird geht das Jammern wieder los. Aber das ist dann doch nur die Situation, die es auch ohne Fachkräfte gäbe. Also seit doch froh, wenn Verdi dafür kämpft, daß es auch morgen noch Krankenpflege, Müllabfuhr, Bürgeramt, Schwimmbäder usw. gibt.
    Arbeit muss fair bezahlt werden und das nicht nur außerhalb des ÖD. Auch ÖD Mitarbeiter benötigen z.B. mal einen Handwerker oder gehen einkaufen und müssen auch dort höhere Preise bezahlen. Auch weil dort die Mitarbeit fair entlohnt werden wollen.

  10. 38.

    Sie scheinen hier etwas falsch zu verstehen. Es geht hier unter anderem auch um die Krankenpfleger. Vom Klatschen alleine können die ihre Rechnungen nicht bezahlen.

  11. 37.

    Diese ganzen überzogenen Forderungen der Gewerkschaften sind einfach nur WIDERLICH.
    Am Ende zahlt die Zeche der Verbraucher weil die Preise dementsprechend steigen.

    Wissen die Gewerkschaften eigentlich was sie den Verbrauchern damit antun??
    Aber wahrscheinlich ist ihnen das völlig egal sonst würden sie diesen Schwachsinn nicht aufrechterhalten.

  12. 36.

    Das Angebot abzulehnen ist nicht nachvollziehbar. Es gibt ein Naturgesetz das sagt, wer mehr verdienen will, muss mehr arbeiten. Punkt. Die Masslosigkeit der Gewerkschaften und das naive Hinterherrennen ihrer Mitglieder ist kaum zu ertragen. Immer weniger Arbeitszeit und mehr Geld ? Wie soll das gut gehen. Viel viel wichtiger ist Personalaufstockung, aber irgendwie kommt das nicht an.

  13. 34.

    Ich habe Faeser nie diskutieren oder verhandeln sehen, geschweige noch blockend, wenn es um Milliarden Euros unserer Steuergelder zu Lasten noch unserer Enkel ging. Die nimmt sogar Kredite auf für andere ohne Sicherheiten und es wird nach Kiew transferiert. Wer da was fordert bekommt alles. Da gibt es keinerlei Wiedersprüche. Oder wurde jemand von uns dazu befragt? Großzügig nach außen, knauserig nach innen. Die Situation schuf die Ampel erst und verschärft weiter

  14. 33.

    Bei einem Angebot von 4% pro Jahr und einer Inflation von 8% - bitte Rechen Sie mir mal vor, wie sie auf 4 = 8 kommen.

  15. 32.

    Acht Prozent über 27 Monate Laufzeit sind 3,48 Prozent Lohnerhöhung brutto pro Jahr.
    Das ist eine bodenlose Frechheit.
    Die Inflation für Lebensmittel liegt bei über 20 Prozent!
    Es wird Zeit für einen wochenlangen Generalstreik in Deutschland.

  16. 31.

    Leider wurde hier in dem Text nicht sauber berichtet. Vermutlich um Stimmung zu machen. Das Angebot zieht sich über zwei Jahre. Somit gibt es eine Gehaltserhöhung von 4 % und 150 € in diesem Jahr und das gleiche noch mal im nächsten Jahr, bei einer Inflation von über 8 % seit bereits mehr als 1 Jahr. Unter Inflationsausgleich ist das Angebot lächerlich. Es werden Milliarden von Euro in alle Länder geschickt, aber für die eigenen Mitarbeiter soll es nicht einmal zum Inflationsausgleich reichen?

    Selbst die Rentner bekommen eine höhere Rentenanpassung!!!!!

  17. 30.

    8% reichen bei weiten nicht.
    Dank Habecks Energiepolitik liegt die Inflation deutlich drüber.
    Daher sind die 10% das absolute Minimum.

  18. 29.

    Wie viel haben Sie persönlich denn in diesem Jahr schon für den öffentlichen Dienst bezahlt? Wie viel haben denn die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes für ihre Leistungen bezahlt? Sie bekommen doch Gehalt oder Lohn?

  19. 28.

    Mir fehlen Details zu den Angeboten der Arbeitgeberseite, vor allem: über welchen Zeitraum wurden die 8% angeboten?
    Über 27 Monate wie im letzten Angebot vom 23. Februar wären aus meiner Sicht nicht akzeptabel. Über 12 Monate hätte ich ja gesagt.
    Die Einmalzahlungen sind ja ganz nett, aber als Ausgleich für eine wahrscheinlich dauerhaft bleibende Teuerung völlig unbrauchbar.

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