Rutschungsgefährdete Häuser - Bewohner in Lauchhammer fühlen sich allein gelassen

Fr 22.11.19 | 11:25 Uhr
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Die Külzstraße in Lauchhammer (Bild: rbb)
Die Külzstraße in Lauchhammer | Bild: rbb

Im Februar musste ein Ehepaar aus Lauchhammer quasi über Nacht sein Haus verlassen. Das Gelände, auf dem es steht, ist rutschungsgefährdet. Andere Anwohner müssen bis 2022 ausziehen. Sie alle warten bislang vergeblich auf Hilfe. Von Anke Blumenthal

Im Februar dieses Jahres hat die Külzstraße in Lauchhammer (Oberspreewald-Lausitz) unfreiwillige Berühmtheit erlangt: Über Nacht musste das Ehepaar Haack sein Haus verlassen. Das Haus steht auf dem Gelände eines ehemaligen Tagebaus und ist damit rutschungsgefährdet. Laut einem Gutachten kann der Boden darunter jeden Moment absacken, da der Grundwasserpegel immer weiter ansteigt. Auch Brunnen vor Ort können das nicht verhindern.

Auch andere Hauseigentümer sind in dem Gebiet davon betroffen, sie müssen ihre Häuser aber erst 2022 verlassen. Mit dem Landkreis und der Stadt haben sie alle schon Gespräche geführt, allerdings blieb bislang konkrete Hilfe aus. Die Verhandlungen über Entschädigungen für die Besitzer liegen auf Eis.

Das Ehepaar Haack aus Lauchhammer (Bild: rbb)
Das Ehepaar Haack aus Lauchhammer | Bild: rbb

Anwohner in großer Sorge

"Die Aufregung, monatelang. Behördengänge, alles im Alleingang. Da ist ja keine fremde Hilfe", beklagt Karl-Heinz Haack. Das Haus hat der fast 80-Jährige gemeinsam mit seinem Vater und Opa gebaut. Damals war er elf Jahre alt.

Entschädigungen für Familie Haack blieben bisher aus. Auch für die Nachbarn in der Külzstraße ist das ein verheerendes Signal. Sie haben zwar noch über zwei Jahre Zeit, fühlen sich aber schon jetzt wie Bittsteller, so Helga Moldenhauer. "Wir wollen nur den gleichen Besitzstand haben, den wir jetzt haben. Wir wollen nicht besser gestellt sein", erzählt sie. Das werde den Bewohnern aber unterstellt, wie sie meint. "Eine mündliche Zusage, dass man alles schnell machen möchte, haben wir sehr oft bekommen", meint Sebastian Moldenhauer. "Die Realität sieht komplett anders aus."

Unklare Rechtslage bei Alttagebauen

Für ein Haus der Straße gab es noch in den 1990-er Jahren eine Baugenehmigung. Für Ronald Starke, den Besitzer, ein Unding. "Wir werden hier als Ballast behandelt, wir werden von links nach rechts geschubst. Niemand sagt uns, was überhaupt hier Sache ist. Das sind unhaltbare Zustände."

Der Grund für die Untätigkeit der Behörden ist die unklare Rechtslage. Für die Braunkohlesanierung liegen in einem Verwaltungsabkommen mehrere Millionen Euro bereit. Bund und Land teilen sich die Kosten jeweils zur Hälfte. Es gibt sogar einen Paragraphen, der  das Problem des steigenden Grundwassers aufgreift. Doch das Abkommen gilt nur für Tagebaue ab 1945. Die Kippe von Lauchhammer ist deutlich älter.

Laut Bundesministerium ist das Land zuständig, das Land wiederum wendet sich an den Bund. "Zu den Vorschlägen konnte bislang noch kein Einvernehmen hergestellt werden. Hierzu laufen noch intensive Abstimmungen", heißt es vom zuständigen Landesinfrastrukturministerium.

Siegurd Heinze, Landrat Oberspreewald-Lausitz (Bild: rbb)
Siegurd Heinze, Landrat Oberspreewald-Lausitz | Bild: rbb

Kritik auch von der Lokalpolitik

Aktuell bedeutet das: Es passiert nichts. Hinzu kommt für die Betroffenen, dass es nur um den Verkehrswert der Häuser geht, nicht um mögliche Neubaukosten. "Verdammt nochmal, wir sind auch Steuerzahler! Und jetzt wird uns vorgeworfen, wir verschwenden Steuergelder, wenn wir uns ein neues Haus bauen möchten", sagt Ronald Starke fassungslos.

Lippenbekenntnisse seitens der Politik hat es viele gegeben. Im August war sogar Bundesfinanzminister Olaf Scholz in Lauchhammer. Das Gefühl, von "denen da oben" allein gelassen zu werden, hat mittlerweile sogar die Verwaltung vor Ort. "Ich hätte mir gewünscht, dass gerade ein sozialdemokratischer Finanzminister dafür Sorge trägt, dass soziale Gerechtigkeit sozial aussieht und gerecht zugeht in dem Fall vor Ort", meint Oberspreewald-Lausitz Landrat Siegurd Heinze (parteilos). Solidarität mit den Betroffenen könne er nicht erkennen.

Weitere Fälle möglich

Die Entschädigungen dürften in den zweistelligen Millionenbereich gehen. Auf dem Gebiet befinden sich auch vier Gewerbestandorte. Bürgermeister Roland Pohlenz rechnet sogar mit noch mehr Fällen, denn alte Kippen hat Lauchhammer genug. Für ihn ist es durchaus vorstellbar, dass weitere Hausbesitzer ihr Eigenheim schnell verlassen müssen.

Das Ehepaar Haack wohnt derweil seit März in einer kleinen Wohnung in Lauchhammer. Bis Weihnachten will der Landkreis die Umzugsaufwendungen übernehmen, aus reinem Anstand.

Sendung: Antenne Brandenburg, 22.11.2019, 16:10 Uhr;

7 Kommentare

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  1. 7.

    Ich finde es schon dreist die Betroffenen allein zu lassen. Wir geben jährlich Millionen Euro aus um anderen zu helfen. Wenn in Afrika eine Palme umfällt düsen unsere Politiker, egal von welcher Partei hin und überreichen Schecks. Wieso wird den Leuten in Lauchhammer nicht geholfen???

  2. 6.

    Das selbe wird auch in Großräschen passieren.

  3. 5.

    Was haben die Investitionen eines US-Konzerns mit dem Sanierungsabkommen zwischen Bundes- und Landesregierung zu tun? Sie können ja mal Elon Musk schreiben, dass er Häuser in Lauchhammer errichten soll und keine Fabrik in Grünheide.

  4. 4.

    Sie haben natürlich recht. Haben wir geändert, danke für den Hinweis.
    Beste Grüße
    aus der Redaktion

  5. 3.

    Roland Pohlenz ist nicht bei der Linken, sondern parteilos.

  6. 2.

    Na Hauptsache, das große Geld fließt nach GRÜNHEIDE....Traurig, wie man mit den Menschen umgeht!

  7. 1.

    Irgendwann holt uns der Fluch des "billigen" Kohlestroms ein.
    Sollte das Kohleloch "Ostsee"doch mal Endwasserstand erreichen....die Anlieger werden begeistert sein.

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