Fake News vor 70 Jahren - Als die USA angeblich Kartoffelkäfer über der DDR abwarfen

Mi 01.07.20 | 13:41 Uhr
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Propagandaplakate aus dem Jahr 1950
Audio: Antenne Brandenburg | 30.06.2020 | Iris Wußmann | Bild: rbb/Iris Wußmann

Amerikanische Flieger werfen Kartoffelkäfer ab, um die Ernte zu vernichten. Die DDR- Propagandamaschinerie lief auf Hochtouren und die Bürger wurden zum Käfersammeln verdonnert. Passiert vor 70 Jahren, mitten im Kalten Krieg. Von Iris Wussmann

Es ist eine skurrile Geschichte aus der Zeit des Kalten Krieges. Tausende Kartoffelkäfer fraßen sich im Sommer 1950 durch die Felder des noch jungen Arbeiter-und Bauernstaates DDR. Für den damaligen Landwirtschaftsminister Ernst Goldenbaum gab es dafür nur eine Erklärung: Die Käfer konnten nur aus amerikanischen Flugzeugen abgeworfen worden sein, denn zu jener Zeit herrschte so schlechtes Wetter, dass die Käfer allein hätten gar nicht fliegen können.

SED-Agitationschef Gerhard Eisler gab sich überzeugt: Die Kartoffelernte habe vernichtet werden sollen, die Wirtschaft geschädigt und die Menschen unzufrieden gemacht werden, weil der Westen damit habe vertuschen wollen, dass es in der DDR aufwärts ging. So die Argumentation damals.

DDR-Propagandaplakat gegen vermeintliche Amikäfer-Invasion
Propagandaplakat | Bild: rbb/Iris Wußmann

Propagandamaschinen liefen auf Hochtouren

Steffen Krestin, der Leiter des Cottbuser Stadtmuseums, beschreibt die Lage in den 1950er Jahren als erbärmlich. Eine Phase der harten Konfrontation zwischen Ost und West. Da liefen die Propagandamaschinen in beiden Lagern auf Hochtouren.

Zeitzeuge ist Georg Kretschmar aus Striesow (Spree-Neiße), damals elf Jahre alt. Er erinnert sich an die Propaganda, dass es, wie er sagt, die bösen Amerikaner gewesen seien, die besagte Käfer über der DDR abgeworfen hätten. Die Gemeinden seien verpflichtet gewesen, dafür zu sorgen, dass aus jedem Haushalt einer zum Kartoffelkäfersammeln bestimmt wurde. Geglaubt habe er die Geschichte schon damals nicht, sagt der heute 80-Jährige.

Zeitzeuge Georg Kretschmar aus Striesow
Zeitzeuge Georg Kretschmar | Bild: rbb/Iris Wußmann

"Wir wurden beschwindelt", so Kretschmer 70 Jahre nach der vermeintlichen amerikanischen Invasion von Kartoffelkäfern. Museumschef Steffen Krestin sieht in der Geschichte von 1950 durchaus Parallelen in die Gegenwart, was die Existenz von Fake News angeht. Man habe schon damals nicht immer darauf geachtet, ob das alles stimmt, sagt Krestin mit Blick auf die Geschichte.

Der Historiker Stefan Woll kennt die Geschichte von damals. Es gebe keinen Beleg dafür, dass Amerikaner so etwas gemacht hätten, sagt der wissenschaftliche Leiter des Berliner DDR-Museums. Denn wären tatsächlich über der DDR Kartoffelkäfer abgeworfen worden, hätten die sich auch ganz schnell im Westen verbreitet.

Offen bleibt die Antwort auf die Frage, warum es ausgerechnet 1950 so viele Kartoffelkäfer in der DDR gab. Eines ist sicher: Aus amerikanischen Flugzeugen sind sie wohl nicht gekommen.

28 Kommentare

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  1. 28.

    Richtig die Reparationszahlungen welche der Osten auch für den Westen mit erbringen musste wären enorm. Nie in der Geschichte der Menschheit würde mehr erbracht als die DDR leistete. Das Abwerben der Fachkräfte aus dem Osten war auch eine beabsichtigte Sabotage der DDR. Diese Fachkräfte welche auf Kosten der Menschen im Osten ausgebildet wurden, haben vermutlich mehr geleistet als der Marshallplan, welche mehr Propaganda war als wirklicher nutzen.

  2. 27.

    Lieber Blümel, es geht nun einmal um Fakten und nichts anderes. Wäre es ein Aushungern gewesen, dann wäre es ein Verbrechen. War es aber eben nicht. Die Darstellung von Thomas ist falsch auch wenn diese heute in die Hetze gegen Russland passt. Ein Kriegsverbrechen war im ersten Weltkrieg die Blockade Deutschlands durch die Briten. Diesem Verbrechen sind in Deutschland über 100.000 Kinder zum Opfer gefallen ! Aus Rücksicht auf die Briten wird dies Verbrechen leider heute vertuscht. Ihre Darstellung, dass man Bonzen schmieren musste um einen FDGB-Platz zu bekommen ist auch fern der damaligen Realität. Meinen Sie nicht so manche Hartz4-Familie würde gerne so einen FDGB-Platz nehmen, der zudem fast nichts gekostet hat.

  3. 25.

    Ich glaube, Sie werden nicht leugnen können, dass unter der Devise,"(allein) der Erfolg gibt Recht" , "Angriff ist die beste Verteidigung" und das Selbstverständnis, die Welt vor irgendeinem "Bösen" zu retten, seitens der USA zu anderen Mitteln gegriffen wird als in der Nachkriegszeit bspw. im Westen Deutschlands. Trump will das augenblicklich egalisieren und pocht zur Konfliktbewältigung auf die militärische Karte, während selbst in der NATO Entwicklungshilfe als Beförderung von Entspannung gesehen wird und in der so bez. 2 % Perspektive mit enthalten ist.

    Wer immer nur den groben Klotz sieht, auf den der grobe Keil gesetzt werden müsse, kalkuliert umfassendere Maßnahmen ein als jemand, dem zumindest ein Teil von Ethik in gewisser Weise die Hände bindet.

    Selbstverständlich lässt sich diese besagte Logik vom Wollen her auch umdrehen, wenn denn die zwischenzeitliche Sowjetunion technisch dazu in der Lage gewesen wäre.

  4. 24.

    Mit Marshallplan und nicht gezahlten Reparationszahlungen, hatten die Westzonen gegenüber dem Osten schon einen riesigen Vorteil. Die DDR konnte diesen Rückstand in seiner relativ kurzen Lebensdauer nicht mehr einholen. Die Unterstützung der anderen Ostblock Länder durch die DDR, tat sein übriges.

  5. 23.

    Liebe Alisia, sie haben da ganz tolle Beispiele für die Verdorbenheit der damaligen westlichen Welt gebracht. Nicht zu vergleichen mit der menschenfreundlichen Vorgehensweise von "Väterchen Stalin",und seinen Nachfolgern. Ungarn, Tschechen, und am Volksaufstand am 17. Juni Beteilite singen heute noch Loblieder. Wie konnten wir West - Berliner uns nur damals den sozialistischen Errungenschaften verweigern, wo uns doch bis zum Mauerbau die Flüchtlinge in Marienfelde mit Tränen in den Augen, vom stetig wachsenden Wohlstand im sozialistischen Lager berichteten. Von der um sich greifenden Meinungsfreiheit ganz zu schweigen. Beide Supermächte hatten und haben, zwecks Dursetzung ihrer Idiologien soviel Blut an den Händen, daß es für 2 Weltgeschichten reicht. Aber für uns war der springende Punkt, mir ein Land auszuwählen das ich zwecks Urlaub besuchen wollte, und einfach loszufahren, während die andere Seite einen Bonzen schmieren musste, um einen Platz im FDGB Heim zu ergattern.

  6. 22.

    Möglicherweise waren die Käfer mit Amerikanischen Lebensmittelimporten nach Europa gekommen? Direkt nach dem Krieg hat es jedenfalls solche Importe gegeben, und vermutlich mindestens noch bis 1947 nach dem Hungerwinter.

  7. 20.

    @Kalle: Den Text von "yogi" richtig lesen: Er schrieb von den Larven. Und die sind eher rötlich, nicht wie die fertigen Käfer schwarz/gelb.

  8. 19.

    Abseits des Lautstarken war es auf beiden Seiten ein "gentleman aggreement". Auch dass die Berliner (Vorderland-) Mauer mitnichten haargenau mit der Sektorengrenze identisch war, sondern einige Meter versetzt zurück stand - damit sie von Seiten der DDR ab und zu ausgebessert und repariert werden konnte, was in aller Ruhe dann auch vonstatten ging. Alles andere hätte Eskalation bedeutet. Dieses Zurückgesetztsein der Mauer war dann auch der Grund, weshalb das Bemalen und Besprühen der Mauer keineswegs auf dem Gebiet des Westteils von Berlin erfolgte, sondern auf dem Gebiet des Ostteils von Berlin. Die ließen das aus rein taktischen Gründen gewähren, solange ihr "Schutzwall" dabei nicht in seiner Funktion beeinträchtigt wurde.

  9. 18.

    Wenn Sie tatsächlich Käfer gesammelt hätten, dann wüssten Sie , dass die Biester nicht rot waren, sondern schwarz-gelb gestreift

  10. 17.

    Ich halte die Angelegenheit auch für offen, d. h. ich würde die Sache weder ausschließen wollen, noch davon ausgehen, dass es irgendeinen Beweis gäbe.

    Auszuschließen ist es m. E. deshalb nicht, weil die Diktion der USA eine sehr viel andere ist als die europäischer Staaten. Immer noch fühlt sich die Nation, die sich als "gods own country" begreift, auf der Seite eines alleinseligmachen "Guten" im Kampf gegen ein allumfassendes "Böse", dem es auf das Haupt zu schlagen gelte. Nicht nur innerhalb der USA seitens von WASP-Aktivisten, auch gegenüber anderen Staaten. Nicht nur von George Bush jr. und Donald Trump.

    Zu Recht ist hier die sprachliche Diktion angemerkt worden. Jeder, der heute mit derlei Diktion daherkäme, würde Hohn und Spott preisgegeben. Zu Recht. Immerhin ein kultureller Fortschritt gegenüber der jz. lang vorgenommenen Zweiteilung der Welt, gegenüber der die biblische Armageddon-Phantasie manchmal nur als Vorstufe erscheint. Gleich aller politischen Vorzeichen.

  11. 16.

    Woran erkannte man sie? Sie waren durch den Marshall Plan besser genäht, hatten Krepp - Sohlen, und eine amerikanische Flagge auf den Flügeln. :)

  12. 15.

    Zu verdanken? Vor dem Mauerbau rief Chrustchow bei Kennedy an und holte sich dessen Einverständnis zum Bau der Mauer. Kennedy wiederum untersagte als Oberbefehlshaber den US-Truppen, gegen den Bau der Mauer tätig zu werden und ging erstmal drei Tage segeln. Monate später dann sprach er vor dem Schöneberger Rathaus und lullte die Westberliner mit „Ich bin ein Berliner“ ein. Und unkritisch wie man in seinem Hass auf den Osten war, hinterfragte man bis heute nicht die Rolle der Amerikaner beim Mauerbau. Zum Glück sind die Archive heute offen, nur glauben viele die Lügen aus dem Kalten Krieg immer noch.

    Und die Luftbrücke? Die nächste Geschichte, die ohne die Hintergründe (einseitige Währungsreform, wertlos gewordene Reichsmark überfluten den Osten) einfach nur eine Lügenlegende ist, die weiterlebt. Wer Dinge aus dem Zusammenhang reißt und nur halb erzählt, lügt.

    Oder die Lüge, die Atombombenabwürfe über Japan dienten der Verkürzung des Krieges. In Wahrheit war Japan längst zur Kapitulation bereit. Nur der Schutz des Kaisers war noch strittig. Aber die Amis wollten unbedingt je eine Uran- und eine Plutonium-Bombe testen. Und zum Schluss ließen sie den Kaiser dennoch unbehelligt. Das hätte man auch mit 150.000 Toten weniger haben können.

    Die Kommunisten logen, was das Zeug hielt (natürlich war das mit dem Kartoffelkäfer Blödsinn), aber der Westen war da kein Stück besser. Die Lügen begannen nicht erst beim Irak-Krieg. Das hatte und hat System in der Politik.

  13. 13.

    Bitte keine Fake-News verbreiten. Ausgehungert sollte keiner werden, da der Osten jedem angeboten hat dort Lebensmittel zu holen. Was auch sehr viele Westberliner taten. Der Westen hat den Osten mit Ablehnung der Wiedereinigung damals im Stich gelassen.

  14. 12.

    Kartoffelkäferplagen gab es seit der Einschleppung des Schädlings seit den 20er Jahren des vorigen Jhtds. Auch im "Westen" mußten damals nach dem 2. Weltkrieg Schulkinder Larven und Käfer einsammeln. Vielleicht kannte der Zeitzeuge die Plage aus Erzählungen Älterer.

  15. 11.

    Fake-News hat der Westen verbreitet indem er jeden Übersiedler zusagte seine Ansprüche aus der DDR-Rente zu übernehmen. Stellte sich später als Lüge raus und diese hat man sogar schwarz auf weiß bekommen.

  16. 10.

    Wie schon festgestellt wurde fehlt ein Gegenbeweis. Viele Archive sind noch verschlossen oder Akten vernichtet.

  17. 9.

    Ob die USA Kartoffelkäfer über die DDR weiß ich nicht. Es wurde uns in den 50/60er Jahren in der Schule jedenfalls so vermittelt. Aber, die Kartoffelkäfer gab es wirklich. Wir damaligen (Grund)Schüler wurden jeder mit einem Marmeladenglas ausgestattet und mussten die ekligen roten Kartoffelkäferlarven von den Pflanzen absammeln. Als damals 8 -10-jähriger mochte man das gar nicht. Es ekelt mich heute, nach 60 Jahren immer noch.

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