"Aktionstag Sucht" am Mittwoch - "Ich hatte die Wahl: Gefängnis, Anstalt oder Tod"

Mi 10.11.21 | 13:03 Uhr
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SYMBOLBILD: Silhouette einer jungen Frau, die aus einer Weinflasche trinkt
Bild: imago/blickwinkel/McPHOTO/M. Begsteiger

Die Corona-Pandemie hat die Zahl der Drogen- und Alkoholabhängigen deutlich steigen lassen. Beratungen können in solchen Fällen eine wichtige Hilfe sein, wie zwei Beispiele aus Südbrandenburg am bundesweiten "Aktionstag Sucht" zeigen.

Suchtproblematiken haben während der Corona-Pandemie deutlich zugenommen. Das hat die Suchtberatungsstelle der Caritas in Cottbus in den letzten Monaten bemerkt. Die Beratungszahlen steigen, und so kurios das klingt, ist das ein gutes Zeichen. Denn je mehr Menschen ihre Sucht erkennen und etwas dagegen unternehmen, desto besser.

Wie wichtig eine zwanglose Beratung ist und dass sie wirkt, soll der bundesweite "Aktionstag Sucht" am Mittwoch zeigen. Zwei Beispiele aus Südbrandenburg verdeutlichen, wie schwierig der Weg aus der Sucht ist.

Suchtberatung als letzte Chance

Für Sebastian Dehnert beginnt der Kampf gegen die Sucht jeden Tag von vorn. Entscheidend sind aber die Waffen, die man zur Verfügung hat, erzählt er. "Will ich trabend durch die Welt, den Kopf gesenkt, oder kann ich den Kopf hochnehmen und sagen, jawoll, es geht los. Ich schaffe das, das ist mein Tag", so der 38-Jährige.

Seit drei Jahren, zehn Monaten und neun Tagen ist er clean - dank der Suchtberatung. Der Weg zu den Anlaufstellen war allerdings für ihn nicht leicht. "Ich hatte die Auswahl: Gefängnis, Anstalt oder Tod", sagt er. Deshalb sei er zur Suchtberatung gegangen.

Sebastian Dehnert aus Cottbus (Bild: rbb/Schomber)
Sebastian Dehnert aus Cottbus | Bild: rbb/Schomber

Mit 13 die erste Alkoholvergiftung

Dehnert lässt vor der Beratung nichts aus. Schon im Teenageralter beginnt er, regelmäßig zu trinken. Heute will er mit seinen Geschichten andere wachrütteln. "Mit 13 Jahren hatte ich meine erste Alkoholvergiftung, da lag ich hier auf dem Stadthallenvorplatz. Da habe ich so ein Glück gehabt, dass mich Menschen nach Hause gebracht haben", so Dehnert.

Ebenfalls dankbar für die Anlaufstelle der Caritas in Cottbus ist auch der 58-jährige Wolfgang*. Er kämpft bereits seit 40 Jahren mit seiner Alkoholsucht - seit Februar geht er zur Suchtberatung. Der Grund war ein Schlüsselerlebnis im Supermarkt, Anfang des Jahres.

"Ich wollte mit meiner Karte bezahlen, das war um die Mittagszeit. Ich hatte noch nichts getrunken, war aber in freudiger Erwartung", erzählt er. Beim Eingeben seiner PIN habe seine Hand aber so stark gezittert, dass er nicht bezahlen konnte. "Alle Leute guckten schon, das war sehr unangenehm", berichtet Wolfgang. Seine Frau habe schließlich bezahlen müssen.

Die Beratung bei der Caritas habe ihm geholfen. Er sei nun trocken, habe ein gefestigtes Leben und arbeite ehrenamtlich.

Suchtkranke in Südbrandenburg können sich an die Caritas [www.caritas.de] und den Tannenhof [www.tannenhof.de] wenden. Im Cottbuser Kulturzentrum Glad House gibt es am Mittwoch um 18 Uhr zudem eine Filmvorführung mit anschließender Gesprächsrunde. Dabei sind ausdrücklich auch Angehörige von Suchtkranken willkommen.

*Name von der Redaktion geändert.

Sendung: Antenne Brandenburg, 10.11.2021, 14:10 Uhr

2 Kommentare

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  1. 2.

    Danke liebe Alice für diesen sehr wichtigen kleinen Beitrag zum Thema. Das schlimmste was passieren kann, ist nicht darüber zu reden oder einfach wegzuschauen. Auch Einsamkeit spielt oft eine nicht unwesentliche Rolle dabei.
    Als ich noch bei der Post tätig war, kannte ich Alkoholabhängige männl. Kollegen. Keiner von ihnen schaffte es davon loszukommen. Einer brachte sich leider später um. Obwohl die Post hierfür ihr bestes gab diesen Personenkreis jede nur erdenkliche Hilfe zukommen zu lassen. Auch ich trinke gerne hin u.wieder mal ein, zwei Bierchen oder einen guten Tropfen vom Roten. Aber ich weiß wann ich genug habe.

  2. 1.

    In meinem Freundeskreis veränderte sich zum Ende 2020 jemand nicht nur hinsichtlich seiner Persönlichkeit; auch die Vitalität, das recht gesunde, positive Erscheinungsbild kippte. Das war nicht mehr "er", was auch einigen auffiel. Wir redeten natürlich erst "über" ihn - aber in positiver Hinsicht. Nach viel vorwurfsfreier Quatscherei, bei der das Alkoholproblem oft nur als Nebensache erschien und im Gegenzug immer weniger werdenden Ausreden, entschloss er sich zu einer Therapie. In der "Runde" sind mittlerweile drei "Trockene" (davon zwei "Staubtrockene") - sie sind keine Exoten, werden akzeptiert so wie sie sind und es ist für den Rest ein Leichtes bei Treffen das eigene Verhalten einfach mal zu überdenken. Das hilft allen und eine alkfreie Party kann sowas von lustig sein - auch Tage später noch - für alle. Es ist für Nichtabhängige eine durchaus positive Erfahrung - und sei es "nur" zu wissen, was ein "Gardinentrinker" ist.

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