Interview | Naturschützer zu Schwalben in Brandenburg - "Die Mehlschwalbe hat menschliche Probleme - Ernährungsprobleme, Akzeptanzprobleme"

Immer weniger Schwalben kommen von ihrer Afrikareise zurück nach Brandenburg. Das besorgt Schwalbenfreunde wie Ronald Beschow aus der Lausitz. Er hat mehrere Gründe für den Populationsrückkgang ausgemacht.
rbb: Herr Beschow, Schwalben sollen inzwischen später nach Brandenburg kommen und hier auch weniger Insekten finden können. Was sagt Ihre Statistik: Wie schwer haben es die Schwalben?
Ronald Beschow: Schwalben fressen Insekten. Sicherlich wissen alle, wie es um die Insekten steht. Es sind ja große Studien veröffentlicht worden, dass in den letzten 30 Jahren 75 Prozent der Insekten-Biomasse verschwunden ist. Viele Arten sind kurz vorm Aussterben oder schon verschwunden. Wer auf der Autobahn fährt, sieht auch, wie seine Scheibe aussieht. Wobei ich sagen muss, dass in den letzten ein, zwei Jahren auch mal wieder ein paar größere Insekten an der Scheibe klebten, so wie früher.
Schwalben brauchen vor allen Dingen Insekten für die Aufzucht der Jungen und darunter leidet auch der Reproduktionserfolg. Wenn sie früher mit der ersten Brut fünf oder sechs Junge großgekriegt haben, sind es jetzt vielleicht nur vier. Über Jahre gerechnet ist das ein Verlust an Reproduktion. Das potenziert sich. Bei der Rauchschwalbe sieht es zum Beispiel noch relativ gut aus. Da ist ein stetiger, aber relativ moderater Rückgang zu verzeichnen. Mehlschwalbe und Uferschwalbe sind wesentlich härter getroffen. Da geht es schon um die 50 oder mehr Prozent Rückgang in den letzten 30 Jahren.
Welche Rolle spielen wir Menschen bei dem Rückgang?
Gerade Schwalben, die wie die Mehlschwalbe an die Stadt und Gebäude gebunden sind, haben menschliche Probleme - Ernährungsprobleme, Akzeptanzprobleme. Vergrämungen finden regelmäßig statt. Die Tiere suchen sich auch gern neue Gebäude aus. Da bekommt jeder, der ein Haus gebaut hat, sofort die Krise. Dann gehen natürlich die Gegenmaßnahmen los, was eigentlich verboten ist, weil das artenschutzrechtlicher Tatbestand wäre.
Als zum Beispiel Haidemühl (Umsiedlungsort in Spremberg, Spree-Neiße, d. Red.) errichtet worden ist, hatten sich auch gleich Mehlschwalben angesiedelt. Die wurden wieder entfernt, es gab aber die Auflage, Nisthilfen anzubringen. Die sind auch besiedelt, vor allem in den Jahren, in denen es im Mai nicht regnet. Da haben die Mehlschwalben Probleme, ihr eigenes Nest zu bauen, weil sie ihr Baumaterial Schlamm nicht richtig anrühren können.
Kann man den Schwalben in solchen Situationen helfen?
Es könnte natürlich Abhilfe geschaffen werden, wenn jeder im Garten oder irgendwo jeden Tag einen Eimer Wasser hingießt, so dass eine kleine Pfütze entsteht, wo die Schwaben ihr Baumaterial zusammenrühren können. Sie bauen lieber eigene Nester. Aber wenn sie unter Druck sind - sie kommen von Afrika und wollen brüten und es geht nicht - dann nehmen sie auch Kunstnester an.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die Schwalben nicht einfach so kommen, wenn man ein paar Nisthilfen aufhängt.
Es ist nicht nur das Gebäude von Interesse, an dem sie nisten wollen. Auch das Umfeld ist wichtig. Wie ist die Insektenlage? Wasserflächen in der Nähe sind immer günstig. Dort finden sich Schwalben und Mauersegler gerne ein, um Insekten zu jagen. Es muss ja auch effektiv sein, für die Eltern ist das Stress, jeden Tag vier oder fünf Junge satt zu kriegen. Die arbeiten schon bis zur Erschöpfung.
Zumindest Mücken gab es doch zuletzt genug?
Zeitweise gibt es auch mal eine Mückenplage. Hier bei uns wird das Abtöten sicherlich nicht so extrem betrieben wie zum Teil in den alten Bundesländern. Aber Mücken sind nicht unbedingt die Hauptnahrung von Schwalben, denn sie sind nicht so verfügbar. Tagsüber, bei schlechtem Wetter und Wind sind Mücken in Deckung. Schwalben fressen hauptsächlich zum Beispiel Fliegen.
Welche Rolle spielt die Veränderung in der Landwirtschaft für die Insekten?
Bis zur politischen Wende war die Situation in unserer Landwirtschaft und auf den Dörfern in gewisser Weise anders. Nach der Wende sind die Viehbestände rigoros zurückgefahren worden. Dann wurden Flächen nicht mehr bewirtschaftet, weil sie nicht mehr gebraucht wurden und es gab reichlich Chemie und Dünger. Sukzessive hat man die Industrialisierung der Landwirtschaft bis zum heutigen Höhepunkt weiterbetrieben. Das ist sehr negativ für alles, was da kreucht und fleucht.
Dagegen kann im Prinzip jeder etwas tun. Viele haben ihr Grundstück, ihren Golfrasen, wo kein Gänseblümchen zu sehen ist. Wenn jeder fünf oder zehn Quadratmeter in seinem Garten verwildern lässt, dann wachsen dort andere Kräuter und Sämereien entstehen.
Haben auch die Klimaveränderungen einen Einfluss auf die Schwalbenpopulation?
Schwalben sind ja Langstreckenzieher. Sie verbringen nur wenige Monate bei uns, weil sie hier die besten Bedingungen hatten, um ihre Jungen groß zu ziehen - ausreichend Nahrung, gemäßigtes Klima und so weiter. Jedes Jahr fliegen sie tausende Kilometer. Unter dem Aspekt des Klimawandels ist die Reise für sie viel beschwerlicher geworden. Es gibt mehr Unwetterkatastrophen, die die ziehenden Vögel treffen und einen großen Schaden anrichten können.
Vielen Dank für das Gespräch.
Mit Ronald Beschow sprach Sascha Erler für Antenne Brandenburg. Das Interview ist eine redigierte und gekürzte Fassung.
Sendung: Antenne Brandenburg, 05.05.2022, 16:40 Uhr