"A serbski?" - Zahlreiche Straßenschilder in Cottbus mit sorbischer Botschaft überklebt

Nachdem in Cottbus sorbischssprachige Straßenschilder überklebt worden waren, gibt es nun offenbar eine Retourkutsche. Auf Schildern, auf denen die vorgeschriebene Zweisprachigkeit nicht eingehalten wird, prangt nun eine sorbische Botschaft.
Anfang des Jahres wendet sich Torsten Mack an den rbb. Mack ist Mitglied des Regionalvorstandes der Domowina - dem Dachverband der Sorben und Wenden. In mehreren Fällen hatten Unbekannte damals die niedersorbischen Straßenbezeichnungen in Cottbus überklebt. In allen Fällen war der deutsche Straßenname noch lesbar, der niedersorbische häufig nicht mehr.
Mack sagte damals, er gehe von einer gezielten Aktion gegen die Zweisprachigkeit in der Stadt aus. Auch der Domowina-Pressesprecher Marcel Braumann sprach von einer vorsätzlichen Tat.
Laut Stadt sollten die Überklebungen schnell entfernt werden. Unbekannte haben nun aber offenbar mit einer Retourkutsche reagiert. Zahlreiche Straßen- und Verkehrsschilder in Cottbus, die nicht zweisprachig sind, sind nun ihrerseits mit sorbischen Botschaften überklebt worden.
75 Prozent aller Schilder sind zweisprachig
Auf den markanten roten Stickern, die nun in der Cottbuser Innenstadt, vor allem in der Bahnhofsstraße, zu sehen sind, steht kurz: "A serbski?" - zu deutsch: Und sorbisch? Sie sollen offenbar die Frage aufwerfen, warum die Schilder nicht zweisprachig beschriftet sind. Die zweisprachige Frage, "Wie heißt es auf Sorbisch?" ist kleiner darunter geschrieben.
Der Vorwurf geht offenbar an die Stadt selbst. Cottbus habe aber einen "sehr guten Stand der Zweisprachigkeit", wie die Sorbenbeauftragte Anna Kossatz-Kosel sagt. Etwa 75 Prozent der Straßenschilder seien zweisprachig - Tendenz steigend. Schilder würden grundsätzlich dann zweisprachig, wenn sie erneuert werden oder etwas neu gebaut würde, so Kossatz-Kosel.
Die Stadt gehe sogar noch über ihre gesetzliche Verpflichtung hinaus, indem beispielsweise auch Parkautomaten die niedersorbische Sprache anböten. Für alle Schilder sei die Stadt aber nicht zuständig, sondern auch Land und Bund. Kossatz-Kosel verweist dabei auf die Verkehrszeichen nach der Straßen-Verkehrsordnung. Auf diese habe Cottbus keinen Einfluss.
Die Sorbenbeauftragte begrüßt die Sticker-Aktion inhaltlich sogar. Die Macher der Aktion würden damit nur die gesetzliche Vorgabe einfordern. Sie würde gern mit den Menschen ins Gespräch kommen, sagt sie dem rbb. Doch die Macher sind unbekannt. Auch dem Dachverband Domowina sind die Initiatoren nicht bekannt - Kossatz-Kosel geht von wahrscheinlich jüngeren Menschen aus.

Filmische Vorlage für Sticker-Aktion?
Auch Torsten Mack von der Domowina begrüßt die Aktion. Er selbst würde sich beispielsweise eine zweisprachige Beschriftung der Cottbuser Arbeitsagentur wünschen, wie er sagt. "Warum sollen Landes- oder Bundesbehörden nicht auch zweisprachig sein?", fragt er. Cottbus biete viele gute Beispiele für gelebte Zweisprachigkeit, Mack wünscht sich dennoch noch mehr, wie er sagt. Insbesondere Orte mit sorbischer Geschichte sollten zweisprachig beschildert sein, so etwa der Cottbuser Gerichts- oder Schlossberg, der ursprünglich ein sorbischer Burgwall gewesen sei.
Auch Mack kennt die Köpfe hinter der Aktion nicht, bemerkt aber, dass die Sticker mittlerweile gezielter eingesetzt werden. Nach wie vor kämen neue hinzu.
Vor zehn Jahren gab es so eine Aktion auch schon in der Oberlausitz - allerdings auf Obersorbisch. Bei der "Lausitzer Filmschau" im Rahmen des Cottbuser Filmfestivals war 2012 bereits ein Kurzfilm zu sehen, in dem eine Gruppe junger Sorben ebenfalls mit Stickern Schilder ihrer Region überzieht. Der Kurzfilm behandelte das, was jetzt viele auch als Ursache für die Aufkleber in Cottbus sehen: die Unterrepräsentanz der sorbischen Sprache im angestammten Siedlungsgebiet der Sorben und Wenden.
Verursacher bleiben unbekannt
Viele vermuten hinter der Sticker-Aktion das "Kolektiw Wakuum" - eine junge Cottbuser Aktionsgruppe, die sich für das Niedersorbische einsetzen will. Vertreter versicherten dem rbb aber, sie hätten mit den Aufklebern nichts zu tun.
Hagen Stoletzki, selbst zwar nicht Mitglied des "Kolektiw", aber "zumindest Sympathisant", wie er selbst sagt, steht dennoch hinter der Aktion. "Zweisprachigkeit wird oft auf Straßenschilder reduziert", bemängelt er. Er und die Mitglieder des Kolektiw Wakuum wollen sich vor allem für niedersorbische Kultur und Kunstwerke einsetzen, beispielsweise für wendische Wandgemälde, die in den letzten Jahren vermehrt aus dem Stadtgebiet verschwunden sind.
Kritisch sieht aber auch Stoletzki die Aufkleber in der Stadt nicht. "Aufkleber verkleben ist kein Verbrechen. Wenn die Schilder zweisprachig wären, dann wäre es ja auch gar nicht notwendig", sagt er.
Auch Hagen Stoletzki fordert, wie viele andere, mehr Konsequenz bei der Umsetzung der Zweisprachigkeit. Alle Haltestellen müssten in der Straßenbahn auch auf Niedersorbisch angesagt werden, nicht nur einige, sagt er beispielhaft.
So bleiben die Aufkleber in Cottbus ein Zeigefinger, der auf die Umsetzung der gesetzlichen Zweisprachigkeit pocht. Echte Kritiker der Aktion sind nicht bekannt - die Verursacher bleiben dennoch weiter unbekannt.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 27.05.2022, 19:30 Uhr