Prozessauftakt in Cottbus - Angeklagte soll 1,2 Millionen Euro Steuern für Toiletteneinnahmen nicht gezahlt haben

Mi 15.06.22 | 09:43 Uhr
  10
Eine Reinigungskraft reinigt eine Toilette, im Vordergrund liegen auf einem Teller Münzen (Foto: dpa/Gabbert)
Audio: Antenne Brandenburg | 25.08.2022 | O-Ton Susanne Becker, Pressesprecherin des Landgerichts | Bild: dpa Themendienst

Am Cottbuser Landgericht hat am Dienstag der Prozess gegen die Geschäftsführerin eines Reinigungsunternehmens aus Bestensee (Dahme-Spreewald) begonnen. Ihr wird Steuerbetrug mit den Einnahmen für Toilettennutzungen auf Autobahnraststätten und in Schnellrestaurants vorgeworfen. Laut Anklage soll sie über 1,2 Millionen Euro Steuern hinterzogen haben.

Konkret soll die Angeklagte nicht richtig angegeben haben, wieviel Geld Toilettennutzer freiwillig auf die Teller vor Toilettenanlage gelegt haben. In Folge sollen in den Jahren 2005 bis 2008 zu wenige Steuern gezahlt worden sein. Der Prozess konnte erst jetzt beginnen, weil sich die Ermittlungen laut Gericht über mehrere Jahre hingezogen haben.

Richter zweifelt Schadenssumme an

Zum Prozessauftakt äußerte der zuständige Richter Zweifel an der Schadenshöhe. Er hält die Summe, die Finanzamt und Staatsanwaltschaft angegeben haben, für zu hoch angesetzt. Neu geschätzt würde man laut Richter auf die Hälfte kommen, also rund 600.000 Euro. Damit könnte sich auch das Strafmaß ändern.

Zusätzlich sei aufgefallen, dass vier der 78 Sanitärobjekte nicht in Deutschland, sondern in Österreich liegen. In diesen Fällen ist fraglich, inwiefern deutsches Recht angewandt werden kann. Darüber hinaus sei unklar, ob die richtige Person im Gericht sitzt. Die Angeklagte ist Geschäftsführerin der Reinigungsfirma, die den Schaden verursacht haben soll. Möglicherweise hätten aber die Gesellschafter der Firma die unrechtmäßigen Zahlungen erhalten, so der Richter.

Für den Prozess sind zunächst drei Verhandlungstage festgelegt. Sollte sich der Tatvorwurf bestätigen, droht der Angeklagten eine Haftstrafe in Höhe von sechs Monaten bis zehn Jahren wegen Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall.

Mit Informationen von Isabelle Schilka.

Sendung: Antenne Brandenburg, 14.06.2022, 15:10 Uhr

10 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 10.

    Wie kann denn so was passieren.Dachte das Finanzamt ist fix dabei.Aber eher nur bei den Rentnern.Das geht Ruck zuck und schon kannste wieder mehr Steuern vorauszahlen.

  2. 9.

    Das ist schon ein recht großer Fisch und nur die „Spitze des Eisbergs“. Trinkgelder in der Größenordnung gibt es nicht. Es sind gewerbliche Einnahmen, die mit rauhen Mitteln eingetrieben werden. Dagegen sind die Fiskusforderungen ein lächerlich kleiner Betrag bzw. Anteil für die Solidargemeinschaft. Was übrigens der Mitarbeiterin vor Ort gar nichts nutzt, ja nicht einmal rentenwirksam ist. Und Schwarzgeld wollen Sie doch nicht schönreden? Aber vermutlich verwechseln Sie diesen Fall mit kleinen Trinkgeldeinnahmen für einen besonderen Service. Der ist hier aber nicht gemeint.

  3. 8.

    "Bei solchen Einnahmen kann - und muss - nichts exakt nachgewiesen werden... "

    Sie haben den Zusammenhang nicht verstanden.
    Ich empfehle Ihnen nochmal nachzulesen wer da vor Gericht steht und dann meinen Kommentar #6 von 21:00 zu lesen.
    Vielleicht kommt Ihnen dann die Erkenntnis.
    Wenn nicht, war der Versuch fruchtlos. Damit kann ich leben.

  4. 7.

    Rein juristisch könnten die Benutzer das Geld der Toilettenkraft geschenkt haben. Dann dürfte sich die Sachlage noch verworrener darstellen. Also, Jurastudenten ab 4. Semester bitte den Fall lösen!

  5. 6.

    "Wie krank und gierig ist denn die Finanzbehörde?? "
    Mit einer solchen Aussage wäre ich vorsichtig.
    Es gab mal eine investigative Doku, in der gezeigt wurde wie und wo die Trinkgelder abgeliefert werden mussten.
    https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/1998/Ausgebeutet-und-abkassiert-Toilettenfrauen-in-Kaufhaeusern,erste6974.html
    Diese ganze Geschichte hat sich - ebenfalls mit einer Doku - vor einigen Jahren wiederholt. Ich bin mir nur nicht mehr sicher, ob das sogar Wallraff war.

    Da war sogar der rauhe Ton des "Abholers" der damaligen investigativen Mitarbeiterin zuviel, das diese ausgestiegen ist.

    Bevor hier also irgendjemand mit einer großen Keule um sich schlägt: erst informieren.

  6. 5.

    Zum Prozess an sich kann ich als Außenstehende nicht sagen.

    Jedoch ist es eine Schande, dass man auf öffentlichen Bedürfnisanstalten in Deutschland überhaupt Geld bezahlen muss oder zum freiwilligen Trinkgeld animiert wird. Die Autobahnraststätten leben ganz gut von der Kundschaft (für Benzin und Reisebedarf) und die Unterhaltung einer Toilette wird doch da wohl "drin " sein.
    Ich war schon auf allen Kontinenten der Welt ... aber fast nirgends muss man irgendwo für Toilettenbenutzung etwas zahlen. In den meisten Ländern sind an Raststätten, Sehenswürdigkeiten, öffentlichen Plätzen, Bahnhöfen, Flughäfen usw. kostenlose und auch meist saubere Toiletten zu finden, selbst wenn sich diese im abgelegendsten Outback oder Nationalpark befinden.
    Würde man verbieten, für Toilettenbenutzung Geld verlangen zu dürfen, würde es diese Art von Geschäftsmodell gar nicht geben und die Sache hätte sich von allein erledigt.

  7. 4.

    Bei solchen Einnahmen kann - und muss - nichts exakt nachgewiesen werden...

    Wie zu Trinkgeldern bei Kellnern, Friseuren und ähnlichen Dienstleistungsberufen gibt es auch für Toilettenservicepersonal anzusetzende Schätzungen. Je nach Lage und Größe der Geschäfte - also der Toilettenräume -.

    Bei allzu großen Abweichungen sucht das Finanzamt - natürlich - nach Gründen.
    Der Grund hier lag anscheinend an der Betreiberin, die Einnahmen nicht angegeben hat...

  8. 3.

    Die Angeklagte soll nicht richtig angegeben haben, wie viel Geld die Toilettennutzer freiwillig auf den Teller gelegt haben? Was für ein dämlicher Prozess ist das denn? Wer will denn bitteschön wissen, wer wann wie viel freiwillig gezahlt hat? Ein sehr dubioser und schwammiger Prozess. Die Finanzbehörde braucht anscheinend verzweifelt Geld... dann sollten die doch selbst so ein Tellerchen auf'm Klo aufstellen, wo dann nur Spenden für die Finanzbehörde gesammelt werden. Das Ganze wird natürlich von 'nem Finanzbeamten überwacht.

  9. 2.

    Echt jetzt? Wie krank und gierig ist denn die Finanzbehörde??
    1. Wie soll nachgewiesen werden, wieviel Trinkgeld! die einzelnen Reinigungskräfte in den Objekten FREIWILLIG! von Nutzern erhalten haben? Ist mir neu, das die Reinigungskräfte, die oft weniger als den Mindestlohn für diese Arbeit erhalten, darüberauch noch Buch führen und IHR Trinkgeld abgeben sollen!
    2. Deutsches Recht gilt nur für Objekte auf Dt. Boden.
    3. Es ist eine Kette vieler Beteiligter: angefangen von den eingesetzten Reinigungskräften, über die weiteren Hierachien.
    Wie bei so einem Konstrukt ein gerechtes Urteil gesprochen werden kann, ist mir schleierhaft. Die Beweisführung der Kläger würde mich interessieren. Und die Finanzbehörde sollte sich mal lieber an die ECHTEN, großen Fische heranwagen. Da hätte sie genug zu tun.

  10. 1.

    "Pecunia non olet" - passt hier auch ...

Nächster Artikel