Interview | Munitionsbelastete Lieberoser Heide - "Auf einem Quadratmeter liegen ein, zwei Stück Munition"

Das Löschen von Bränden in der Lieberoser Heide ist schwierig. Der frühere Truppenübungsplatz ist munitionsbelastet. Warum immer noch? Fragen an Alexander Döring vom Kompetenz-Zentrum für Konversion und Kampfmittelberäumung Potsdam.
rbb|24: Herr Döring, Sie beschäftigen sich schon länger mit der Beseitigung von Kampfmitteln in Brandenburg, auch in der Lieberoser Heide. Warum ist das Areal noch immer munitionsbelastet?
Alexander Döring: Es handelt sich um ein sehr große Fläche, die ursprünglich, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen, 27 Quadratkilometer ausgemacht hat. Sie wurde bereits vor dem Krieg als Panzerübungsplatz und später von der sowjetischen Armee als großer Übungsplatz verwendet und ist deshalb stark belastet.
Zwischen 1992 und 1994 wurde diese Fläche in das Sondervermögen des Landes Brandenburg aufgenommen, später hat es die Forstverwaltung übernommen. Die Munitionsbelastung hängt mit der Vornutzung zusammen. Man hat zunächst kaum Maßnahmen ergriffen, in den 1990er Jahren nur punktuell, um Kampfmittelräumung durchzuführen. Und dann haben sich nach und nach Konzepte entwickelt, wie man mit dem Thema umgehen kann.
Was macht denn die Entsorgung von Munition so schwierig?
Rein technisch ist es relativ unkompliziert. Die Flächen müssen entsprechend vorbereitet werden für eine Begehbarkeit. Das war in den Anfangsjahren relativ einfach möglich, weil die Flächen noch nicht bewachsen waren. Inzwischen ist es etwas schwieriger geworden, weil es eine Sukzession (Anm. d. Red.: zeitliche Abfolge verschiedener Pflanzen- und Tiergesellschaften in einem Lebensraum) und damit eine Reihe von formalen Hindernissen gibt, wie etwa Einschlag- und Fällzeiten. Das macht alles organisatorisch komplizierter. Aber technisch geht es darum, genügend Mittel zur Verfügung zu stellen. Und was ich für noch wichtiger halte, vor allem einen langfristigen Plan zu haben, wie man damit umgehen will.
Um welche Art Munition handelt es sich überhaupt und wieviel liegt in der Lieberoser Heide?
Wir haben es hier vor allem mit Raketen- und Panzermunition zu tun. Die Belastung ist extrem hoch in den meisten Bereichen, da kann man davon ausgehen, dass auf einem Quadratmeter zwei, drei Stück Munition liegen.
Ist geplant, die Lieberoser Heide weiter von Munition zu befreien?
Es gab für die Lieberoser Heide eine ganze Reihe von Ansätzen in der Vergangenheit, vor allem von der Fortsverwaltung. Da wurden verschiedene Modelle ausprobiert. So wurde beispielsweise, um die Bewirtschaftung der Flächen zu ermöglichen, zusammen mit dem Kampfmittelräumdienst das Forstwegeberäumungsprogramm gestartet. Und meines Wissens wird das bis heute in bescheidenem Umfang fortgeführt. Man darf ja die Flächengrößen nicht vergessen.
Ein zweites Pilotprojekt, das es da mal gab, war, im Rahmen von Baugenehmigungen für erneuerbare Energien Flächensanierungen durchzuführen. In der Regel wurden für einen Hektar Solarfläche drei Hektar saniert. Das waren Projekte, die man angestoßen hat. Einige sind dann auch am Widerstand der Bevölerung gescheitert. Es gab mal einen ganz großen Versuch, die Lieberoser Heide auf 2.400 Hektar von Kampfmitteln zu befreien. Dafür hätten 600 Hektar Solarfläche angelegt werden müssen, das ist am Widerstand der örtlichen Bevölkerung gescheitert, die ganz unterschieldiche Gründe hatte, das nicht zuzulassen.
Das ist sehr schade, weil das Modell so aussah, dass die Fläche 25 Jahre als Solarfläche genutzt wird und anschließend an die Forstverwaltung als Forstfläche zurückgegangen wäre. Aber das hat nicht geklappt, man hatte damals nicht die richtigen Argumente gefunden und auch die Politik war da nicht sehr hilfreich. Das ist sehr schade, denn sonst wäre heute schon ein weit größerer Teil von Kampfmitteln befreit.
Wie lange würde es denn dauern, die Lieberoser Heide von Munition zu beräumen?
Also neben dem Geld ist es eine Frage der Ressourcen der Kampfmittelräumfirmen. Die im Moment aufgrund der Baukonjunktur ohnehin sehr angespannte Personalsituation würde es nicht erlauben, diese Fläche sehr schnell zu beräumen. Aber darum geht es auch gar nicht. Es geht darum, eine Art Masterplan zu schaffen wie man das beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern jetzt geschafft hat, zusammen mit dem Bund. Wobei hier der Bund in der Lieberoser Heide kein Partner ist, weil das Areal größtenteils Landesfläche ist. Man muss also einen Masterplan schaffen, beginnend mit Brandschutzflächen und ähnlichen Dingen und dann nach und nach ausbauen. Und so ein Projekt wäre wahrscheinlich ein Generationenprojekt.
Wenn die Räumung so nicht geht, wäre es nicht sinnvoll wenigstens sichere Löschwege zu schaffen?
Das ist der erste Ansatzpunkt. Da weiß ich, dass es für Sperenberg (Anm. d. Red.: früherer russischer Militärflugplatz) beispielsweise ein erstes Projekt dazu gibt, wo man genau das so vorhat. Gemeinsam mit den Ministerien für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz und Finanzen wird man dort demnächst so ein Projekt angehen.
Kann sich Munition eigentlich auch von selbst entzünden?
Ja, es gibt unterschiedliche Munitionsarten und Munition kann sich tatsächlich unter ungünstigen Umständen selbst entzünden. Wenn aber erst einmal ein Brand entstanden ist, egal aus welchem Grund, befeuert diese Munition natürlich zusätzlich den Fortschritt des Brandes.
Wer müsste eine Beräumung bezahlen - und um welche Summen geht es?
Bezahlen muss es grundsätzlich der Steuerzahler, da es sich größtenteils um öffentliche Flächen handelt. Wobei in unserem föderalistischem System immer die Frage ist, wie die Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern sein wird. Für die Lieberoser Heide ist es aber eine Landesaufgabe. Was die Summe angeht, muss man mit einem Euro pro Quadratmeter rechnen, für die Lieberoser Heide heißt das also etwa 30 Millionen Euro.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte für rbb|24 Thomas Krüger.
Sendung: Antenne Brandenburg, 07.07.2022, 11 Uhr