Offener Brief an Woidke - "Das Gesundheitssystem steht vor einer Zerreißprobe"

Di 07.04.20 | 14:42 Uhr
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Für Pflegekräfte ist ein Corona-Bonus im Gespräch © dpa/Felix Kästle
Pflegekräfte auf einer Intensivstation. | Bild: dpa/Felix Kästle

Mehr Schutzkleidung, mehr Personal, regelmäßige Tests für die Mitarbeiter: In einem offenen Brief an Ministerpräsident Woidke fordern Krankenhausmitarbeiter brandenburgweit eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen während der Corona-Krise - und zwar sofort. 

Was Sie jetzt wissen müssen

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedener Brandenburger Krankenhäuser haben in einem offenen Brief die Arbeitsbedingungen während der Corona-Krise deutlich kritisiert. In dem Schreiben an Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher(Grüne)forderten sie gleichzeitig unter anderem mehr Schutzkleidung und mehr Personal.

Bereits vor der Krise sei die Situation in den Krankenhäusern prekär gewesen, nun stehe das Gesundheitssystem vor einer Zerreißprobe, heißt es in dem Brief.

Gesundheitssystem vor "Zerreißprobe"

Die Unterzeichner, unter anderem Mitarbeiter der Krankenhäuser in Cottbus, Potsdam, Senftenberg, Eisenhüttenstadt oder Frankfurt (Oder), geben an, dass sich in den Kliniken Unsicherheit ausbreite. "Es werden bereits viele Maßnahmen eingeleitet, damit die Auswirkungen bei uns nicht so massiv werden wie in anderen Ländern. Unser Gesundheitssystem wird vor eine Zerreißprobe gestellt.  Wir aber auch", heißt es in dem Brief.

Viele Entscheidungen der vergangenen 20 Jahre seien auf Kosten der Beschäftigten und der Patienten getroffen worden. Viele Mitarbeiter hätten daher ihren Beruf gewechselt, es mangele an Anerkennung und Wertschätzung, so die Unterzeichner.

Die aktuelle Corona-Krise verschlimmere die Lage weiter. "Die Entwicklungen der nächsten Tage, Wochen und Monate können eine ungeahnte Dynamik aufweisen. Schauen wir auf China, Iran, Italien und Spanien, können wir nur erahnen, was demnächst auf uns im Gesundheitswesen zukommt", mahnen die Verfasser an.

Politik und Gesellschaft würden jetzt einen Zusammenhalt fordern und erwarten, dass die Beschäftigten über ihre Grenzen hinausgehen. Auch, wenn sie das tun wollen, stelllen die Verfasser in ihrem Brief Forderungen auf.

Mehr Schutzkleidung, mehr Personal, Tests für die Mitarbeiter

Die Verfasser fordern von der Landesregierung beispielsweise mehr Schutzkleidung. Das Land Brandenburg müsse einen Weg finden, Masken, Schutzkittel, Schutzbrillen oder Handschuhe zu produzieren. Sofort, wie in dem Brief betont wird. In Bayern und Baden-Württemberg seien Produktionsstätten bereits umgerüstet worden.

Zudem fordern die Unterzeichner schnelle und unbürokratische Neueinstellungen in allen Bereichen der Krankenhäuser. Die Quarantäne-Richtlinien müssten außerdem auch für Klinik-Angestellte gelten. In anderen Ländern sei das Virus auch durch Mitarbeiter des Gesundheitswesens übertragen worden. Das dürfe nicht sein, heißt es.

Darüberhinaus müsse an der Gesunderhaltung der Mitarbeiter gearbeitet werden. So müsse es regelmäßige Tests geben, das Personal mit Obst und Säften versorgt werden und Möglichkeiten für kostenlose Rehabilitation und Physiotherapie gegeben sein. Beschäftigte, die selbst Risikogruppen angehören, sollen besonders geschützt werden.

Abschließend fordern die Verfasser ein Neudenken der Finanzierung des Gesundheitssystems. Die Marktlogik habe dort nichts zu suchen.

Unterstützung durch Gewerkschaft

Unterstützt werden die Verfasser von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Auch sie kritisiert scharf, dass die Krankenhäuser im Land durch die "Mechanismen des Marktes kaputtgespart" worden seien.  

Sendung: Antenne Brandenburg, 07.04.2020, 14:30 Uhr;

19 Kommentare

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  1. 19.

    So darf man sich auch zu Preisabsprachen treffen, wunderbar. Wie wäre es wenn die EU bestimmt hätte wer welche Medikamente Produziert? Die Grundstoffe werden sowie so unter schweren Umwelt Verstößen in Indien und Asien Produziert. Es läuft genau in die richtige Richtig für die Lobby...

    " EU lockert Kartellrecht für Pharmakonzerne

    16:33 Uhr

    Um Engpässe bei der Versorgung mit Arzneimitteln zu verhindern, dürfen sich Pharmaunternehmen in der Corona-Krise enger abstimmen als im EU-Recht vorgesehen. Die EU-Kommission lockerte dafür vorübergehend die entsprechenden Kartellregeln.

    So dürfen die Betriebe etwa Absprachen zur Produktion und zum Vertrieb von Medikamenten treffen, teilte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager mit. So solle verhindern werden, dass sich die Firmen auf bestimmte Arzneien zu stark konzentrierten, während es an anderen Medikamenten fehle."

  2. 18.

    Seit dem Privatisierung-Wahn, den die FDP allen aufgeschwatzt hat, stehen nicht nur Gesundheitssystem vor einer Zerreißprobe. Die hatten ja auch befürwortet dass alle 200 m eine Geldspielautomaten-Halle geöffnet werden darf. (Für viel Parteispenden an Merkur) So langsam sieht man jetzt auch mal wieder was anderes wie diese Abzocker-Buden in den Straßen. Weil Gott sei Dank, diese Partei nicht mehr den Einfluss hat, konnte per Gesetz was geändert werden. Ebenso in den Altenpflegeheimen, wenn Bewohner berichten, ach was war das früher schön hier zu wohnen, wie es noch von der Stadt betrieben wurde. Ständig neues Personal etc. Alles was privatisiert wurde muss auf den Prüfstand. Es funktioniert nicht! Nur wer will das machen, und mit welcher Partei?

  3. 17.

    Marx/Engels haben den Kapitalismus richtig beschrieben und waren lange tot als die Kommunisten beide instrumentalisierten. Das diese Pandemie (wird nicht die Letzte sein)auf das Konto von Umweltvernichtung und Wachstumswahn geht ist sicher, ob das die Neoliberalen kapieren nicht.

  4. 16.

    Da hilft nur: Wahlverweigerung der jetzt Regierenden. Sonst ändert sich gar nichts. Man darf ruhig mal wieder zu
    "Karl Marx" greifen, Corona machts zeitlich möglich.

  5. 15.

    Wie >laut< und >nachhaltig< hat den die Landespolitik kritisiert, dass Versäumnisse zu beseitigen sind?

    Vgl.: wenn in meiner Wohnung ein gefährlicher Schimmel zu beseitigen ist, dann wird der garantiert zeitnah beseitigt (wen n ich das wichtig finde, meine Familie zu schützen).

    Wir müssen aufpassen dass sich (auch dazu) kein Verantwortlicher rausreden kann, sondern nach dieser Situation, müssen sich alle in der Verantwortungskette verantworten (und nicht noch oben weggelobt werden).

  6. 14.

    Fast alles richtig, was sie schreiben
    Nur 1 Fehler: Allein Profitgier ist die Motivation - und nicht, dass wir hier preiswert einkaufen können.
    Ich behaupte: Die Margen für die Konzerne sind höher, als vor der Globalisierung. Das eventuell ein Verkaufspreis auch etwas niedriger ist, ist vllt. nur der Hebel um die Akzeptanz bei den Menschen zu erreichen.

  7. 13.

    Also da sieht man mal, wie schlecht informiert unsere Krankenhäuser sind und nur einfach Panik schüren wollen um des eigenen Vorteils willen.
    Also in China z.b. gibt es gar keine Epidemie mehr da kommen am Tag nur noch wenige Fälle dazu und Tote fast gar nicht mehr.
    Italien Frankreich und Spanien sind absolute Ausreißer in der Welt, aber hochgerechnet nimmt immer noch sehr gering von den Zahlen her.
    Dort ist das Gesundheitswesen aber maximal Viertel so gut aufgestellt wie in Deutschland und daher verbieten sich hier Vergleiche jeder Art.
    Ich kann verstehen dass die Leute mehr Geld verdienen möchten aber sie leisten nicht mehr oder weniger als wir alle in unseren Jobs.

  8. 12.

    Die hohe Moral und Einsatzbereitschaft der Ärzte und des anderen Personals ist beispielhaft. Sie erwarten zu recht alle Hilfe und Bereitstellung von Schutzmitteln nach den bestehenden Forderungen. Trigema hat bewiesen, dass man schnell auf Bedarf reagieren kann. Wer stellte denn früher Schutzmittel her als noch nichts aus China kam ? Wie kann man schnellstens Maschinen umrüsten ? Erst mal werden es Betriebe in Asien sein, die bisher mit viel Gewinn für den deutschen Markt produzierten, die in der Lage wären wie Trigema umzustellen. Wenn ihr auch Helden seid wird es uns allen gelingen der Welt zu beweisen wie es sein kann. Hört auf das Personal in den Kliniken; ich erkenne den Notruf.

  9. 11.

    Wo bleibt denn eigentlich die Hilfe durch die Bundeswehr. Zumindest könnte das Personal eine Unterstützung erfahren und Material und Schutzkleidung sollte da auch vorhanden sein.

  10. 10.

    Gestern war das noch ein Brief an Müller und Kalayci. Dummes Copy-Paste...
    https://gesundheit-soziales-bb.verdi.de/++co++9cb05e36-6e8c-11ea-900b-001a4a160100

    In einer Kriese Forderungen nach Schutzkleidung mit Forderungen nach Obst und Saft zu mischen ist einfach krank.

  11. 9.

    aktuell ARD : " Atemschutzmasken aus China Merkel macht's möglich "

    Stand: 07.04.2020 18:45 Uhr

  12. 8.

    " das Risiko auf die Zulieferer verlagern.. "

    gegenwärtig haben die Risiken die Länder, die diese Artikel dringend benötigen

    Ihrem Beitrag stimme ich zu

  13. 7.

    Das hat die Landespolitik nicht zu verantworten ! Das ist Bundespolitik und die war und ist auch weiterhin der Meinung das Markt alles regelt. Freiwillig... An allem muss auch noch ein Gewinn abgeleitet werden! Die "Freiwillige" Selbstkontrolle ist gescheitert, auch wenn das die Lobbyisten nicht hören wollen. Die werden auch dafür sorgen das sich an dem System nur wenig verändert. Auf einen Seite wird Personal benötigt und auf der anderen schickt man Ärzte und Pflegepersonal in Kurzarbeit. Weil sich eben mit den Hüftoperationen von 80 jährigen kein Geld verdienen lässt.

    Auch das kein Material vorhanden ist hat die Ursachen jener die nach maximaler Rendite streben. Warum sollen man sich für Millionen Material in den Keller stellen ? Bindet ja nur Geld, wenn man es braucht bestellt an es ! Just-in-time heißt das Zauberwort, das Risiko auf die Zulieferer verlagern... Außerdem hat man den Katastrophenschutz immer nur stiefmütterlich behandelt.

  14. 6.

    Der schönste und wahrste Satz, der hoffentlich endlich ankommt: "Marktlogik habe (im Gesundheitssystem) nichts zu suchen."
    Amen.

  15. 5.

    " Es gibt in D genug Firmen, die Bekleidung fertigen "

    ich fürchte nicht, welche Firmen sollten das denn sein ? meines Wissens werden alle Textilien überwiegend im Ausland gefertigt . Trigema ist da eine Ausnahme , und die Masken, die sie selbst fertigen , stellen nach eigenen Bekundungen nur einen geringen Schutz dar , aber besser als nichts

  16. 4.

    Oha...sie haben wohl das prinzip von globalisierung noch nicht verstanden.
    Warum kann/will/möchte adidas und co hier nichts herstellen?ganz einfach sie lassen billig im ausland produzieren,damit wir hier billig eikaufen können;)
    Und sie werden es kaum glauben, dass gibts nicht erst seit corona.hier gehts um profit und gier!
    Unsere volksvertreter. möchten es sich mit der witschaft aber nicht verscherzen(siehe das einfliegen von erntehelfern)nach corona wirds so weitergehn wie vorher und alle machen mit:)

  17. 3.

    So sehr ich das alles verstehen kann, im Augenblick geht es doch eher darum, die derzeitige Situation aller Mitarbeiter in Kliniken und anderen medizinischen Einrichtungen zu verbessern. Also Beschaffung von Schutzkleidung und ggf. so möglich Aktivierung von Personalreserven usw. usf. Aber das ganze "man hätte und man sollte" bringt derzeit wenig Punkt, darüber gilt es zu reden, da das ganze Chaos mal vorbei ist. Und Forderungen, das Land solle Schutzmasken und Kittel selber fertigen lassen, halte ich für irrational, dafür braucht es Maschinen und Personal und Logistik, das kann man nicht aus dem Hut zaubern. Und die liebe Frau Becker:H&M produziert kein einziges Kleidungsstück in Brandenburg... Und das tuen andere große Textilunternehmen auch nicht... Forderungen sind ja schön und gut, aber ein bißchen Realismus und Objektivität sollte man da schon walten lassen.

  18. 2.

    Hoffentlich nutzt das was, denn Fehler einzugestehen ist nicht gerade Woidkes Stärke.
    Jetzt gibt es die Quittung für jahrelange Fehlentscheidungen im Bund und im Land.
    Die Krankenkassen und Farmerindustrie leisteten den Rest.
    Ein Umdenken ist dringend geboten.

  19. 1.

    Ich finde es einfach UNMÖGLICH, dass die, die unser aller Leben retten (sollen), hier in D so hängengelassen werden und bewusst in Kauf genommen wird, dass sie selbst dabei ihr Leben verlieren könnten. Es gibt in D genug Firmen, die Bekleidung fertigen - warum zwingt man diese nicht einfach, zum Beispiel Schutzmasken herzustellen. In USA geht das - warum hier nicht? Ich bin bestimmt kein Trump-Freund - wahrlich nicht - aber er hat's getan. Er hat die Industrie gezwungen. Trigema macht es freiwillig (GROSSES Lob dafür!), aber wo sind die anderen Bekleidungshersteller? Mit welchem Recht entziehen die sich derart ihrer Verantwortung - und sei es nur der Verantwortung der eigenen MitarbeiterInnen gegenüber? NEIN - stattdessen kommen solche dreisten Firmen wie adidas, H&M und Co. und wollen ihre Ladenmieten nicht mehr zahlen!!! Klamottenfirmen, die das wirklich nicht nötig hätten. ICH WÜRDE DIE ALLE VERPFLICHTEN, Schutzkleidung zu produzieren.

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