Interview | Gefahr der Corona-Variante Omikron - "Die Sorge ist, dass unsere Infrastruktur zusammenbricht"

Di 21.12.21 | 12:23 Uhr
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Intensivstation der Charité in Berlin, Bild: rbb
Audio: Antenne Brandenburg | 21.12.2021 | Daniel Mastow | Bild: rbb

Die Omikron-Variante hat sich in einigen Ländern sprunghaft verbreitet. Für Deutschland erwartet ein Expertenrat eine ähnliche Entwicklung. Die Cottbuser Mikrobiologin Heidrun Peltroche warnt vor gravierenden gesellschaftlichen Folgen.

Das Robert-Koch-Institut hat seine Risikobewertung wegen der Omikron-Variante des Coronavirus' verschärft. Auch für zweifach Geimpfte und Genesene wird die Gefahr einer Ansteckung jetzt als hoch angesehen. Für Geimpfte mit einer Auffrischungsimpfung - dem sogenannten Booster - schätzt das RKI das Risiko als "moderat" ein. Für Ungeimpfte bleibe die Ansteckungsgefahr "sehr hoch".

In den USA ist die Omikron-Variante inzwischen die vorherrschende. Mehr als 70 Prozent der Neuansteckungen sind laut US-Seuchenbehörde auf sie zurückzuführen. Noch vor einer Woche waren es zwölf Prozent. Der Expertenrat erwartet für Deutschland eine ähnliche Entwicklung. Bund und Länder beraten am Dienstag über strengere Corona-Regeln.

Die Cottbuser Mikrobiologin Heidrun Peltroche erklärt, warum eine Omikron-Welle deutlich schlimmere Folgen haben könnte, als der Anstieg der Fälle durch die Delta-Variant.

rbb|24: Frau Peltroche, für Deutschland sind unter anderem strengere Kontaktbeschränkungen im Gespräch. Ist das Ihrer Ansicht nach der richtige Weg? Was hilft gegen die Omikron-Variante?

ZUR PERSON

Dr.Heidrun Peltroche, Chefärztin Mikrobiologie im CTK-Referenzlabor
CTK

Heidrun Peltroche ist Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie am Zentrum für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie und Krankenhaushygiene des Cottbuser Carl-Thiem-Klinikums.

Heidrun Peltroche: Wir haben bisher in Deutschland noch nicht so viele Fälle. Wenn man sich anschaut, was exponentielles Wachstum eigentlich bedeutet, dann heißt das, es gibt erstmal ganz wenige Fälle, die also nicht sichtbar sind. Dann kommt relativ schnell in ganz kurzer Zeit eine ganz steile Wand nach oben. So haben wir das in England, Dänemark und natürlich in Südafrika gesehen.

Wenn man jetzt in diesem Moment - in dem wir noch nicht diese massive Verbreitung mit der schnellen Verdopplungszeit und den vielen Fällen haben - wenn man in diesem Moment Kontaktbeschränkung steigern würde, könnte man diesen Zeitablauf, bis wir vor dieser Wand von Omikron-Fällen stehen, vielleicht verzögern. Insofern denke ich, dass das tatsächlich sinnvoll ist. Man muss handeln, bevor man das Drama sieht.

Wie sollten wir uns jetzt über die Weihnachtsfeiertage verhalten?

Das, was wir tun, sollten wir auf jeden Fall beibehalten. Hier in Cottbus ist der Weihnachtsmarkt abgebaut worden, was traurig war, aber sicherlich hilfreich. Es kann auch sicherlich nicht gut sein, wenn 4.000 Menschen durch die Straßen ziehen und keine Atemschutzmasken tragen und keinen Abstand einhalten.

Wenn wir uns treffen, aber im kleinen Kreis und im Familienkreis, ist das sicherlich sinnvoll. Und wenn man nicht verreist, ist das auch mal ein Opfer, das man bringen muss. Und wenn man in Geschäfte geht und da die 2G-Regel akzeptiert, ist das auch nochmal eine Sicherheitsstufe. Ich denke, wenn wir all das täten, von dem wir wissen, dass es hilft, könnte man sicherlich Zeit gewinnen. Und in der Zeit kann man ja dann impfen, impfen, impfen.

Apropos Impfen. Es wird kräftig zum Boostern aufgerufen, aber es scheint noch nicht klar zu sein, ob die Impfstoffe gegen die Omikron-Variante helfen. Sollte man noch warten, bis passende Impfstoffe da sind?

Um Gottes willen - bloß nicht warten. Um das nochmal zu sagen: Das, was uns bevorsteht, ist eine derart rapide, sich schnell verbreitende Virusvariante. Alles was wir tun können, sollten wir tun. Es ist nicht richtig, dass die Impfstoffe nicht schützen. Sie schützen statistisch gesehen nur nicht mehr in so hohem Ausmaß. Statt 95 Prozent Schutzwahrscheinlichkeit für den Einzelnen sinkt das bei den mRNA-Impfstoffen auf 75 Prozent gegen Omikron. Das ist immer noch eine gute Schutzwirkung. Das hilft auch immer noch die Virus-Verbreitung zu verlangsamen. Darum geht es eigentlich im Moment.

Es fühlt sich gerade ein bisschen so an, wie damals, als die ersten Delta-Varianten-Fälle aufgetreten sind. Wird jetzt Omikron die vorherrschende Variante?

Es fühlt sich für mich nicht wie damals bei Delta an, sondern schlimmer. Das mit der Delta-Variante habe ich persönlich noch relativ gelassen hingenommen, weil wir Schutzmaßnahmen haben, die auch gut sind. Aber jetzt mit dieser Omikron-Variante wird es viel, viel schneller gehen - dieses schlagartige Krankwerden in der Bevölkerung, also noch mehr auf einen Schlag ins Krankenhaus, noch mehr Menschen, die nicht arbeiten können. Unsere ganze Infrastruktur - die Sorge ist, dass das alles zusammenbricht.

Es geht in diesem Fall nicht nur darum, ob Menschen versterben, sondern auch darum, ob unsere Gesellschaft noch funktioniert. Es geht auch nicht nur darum, die Schutzwirkung für den Einzelnen zu erzielen, sondern tatsächlich die Virusverbreitung - also die Menge des Virus - zurückzudrängen, damit wir als Gesellschaft noch funktionsfähig sein können. Das wird schlimmer werden als Delta.

Sie untersuchen im Cottbuser Carl-Thiem Klinikum in einem Referenzlabor Mutationen des Coronavirus'. Wird jede positive Corona-Probe auf Virusvarianten untersucht oder werden Stichproben gemacht?

Diese Proben müssen eine gewisse Virusmenge haben. Wir reden dabei immer vom CT-Wert, das ist der "cycle of threshold". Er ist entscheidend, ob man eine Variante sequenzieren kann und ob man die vorher in eine Such-PCR setzen kann. Wir machen das im Moment mit Proben, bei denen die Virusmenge so bei 26 "cycle of threshold" liegt.

Wir nehmen immer alle, die wir nehmen können. Aber alle Positiven können wir nicht nehmen, so muss man das verstehen. Täglich durchlaufen um die 50, 55 Proben einen Suchalgorithmus, mit Punkt-Mutations-PCRs. Heute schrieb mir einer, dass es wieder einen Verdacht gab. Dann wird sequenziert und das dauert dann doch noch mal zwei, drei Tage, bis man sich das ganze Genom genau angeguckt hat.

Frau Peltroche, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Florian Ludwig für Antenne Brandenburg. Der Text ist eine redigierte Fassung.

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Sendung: Antenne Brandenburg, 21.12.2021, 08:30 Uhr

29 Kommentare

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  1. 29.

    " die Sorge ist, dass das alles zusammenbricht. dieses schlagartige Krankwerden in der Bevölkerung,....noch mehr Menschen, die nicht arbeiten können. "

    das hat Frau Peltroche sehr richtig beschrieben , deshalb ist proaktives Handeln unbedingt erforderlich , sofort !

  2. 28.

    75 Prozent Schutz gegen Omikron können die Teilnehmer von der Feier in Oslo wohl nicht bestätigen.

    https://www.rnd.de/gesundheit/norwegen-120-corona-infektionen-nach-firmenfeier-WVJDRVJPSZUV5NJYT57GQHKTLU.html

  3. 27.

    75 Prozent Schutz gegen Omikron können die Teilnehmer von der Feier in Oslo wohl nicht bestätigen.

    https://www.rnd.de/gesundheit/norwegen-120-corona-infektionen-nach-firmenfeier-WVJDRVJPSZUV5NJYT57GQHKTLU.html

  4. 26.

    Südafrika hat im Schnitt eine wesentlich jüngere Bevölkerung als Deutschland. Insofern ein sehr schlechter Vergleich. Das wurde übrigens immer wieder von den Wissenschaftlern betont, die nicht auf Telegram publizieren ... Genauso, dass man sich nicht auf weniger schwere Verläufe verlassen sollte. Da durch Omicron mehr Menschen erkranken können, werden anteilsmäßig auch mehr Menschen ins Krankenhaus eingeliefert.

  5. 25.

    Sie werden nicht in Scharen ausfallen. Das ergibt sich aus bundesweiten Testkapazitäten, denn sie müssten zuerst alle als Infizierte identifiziert (also getestet) werden. Wir haben nicht so viele Labore und nicht so viele Arbeitskräfte damit Millionen jeden Tag getestet werden könnten. Also: sie werden vielleicht infiziert werden, als Fälle (mit allen dazugehörigen Konsequenzen wie Quarantäne usw) werden sie in Massen einfach nicht erfasst.

  6. 24.

    Weiß jemand, welche Länder, die schon höhere Omikron-Zahlen haben, ernsthafte Probleme in den Krankenhäusern haben?

  7. 23.

    Es sind die Unentschlossenen, die Feiglinge, die die keinen Mut haben, die verlieren werden. Die, die in den ntv- Beispielen gehandelt haben waren Sieger. Über die wird man sprechen, später einmal, und sich an sie erinnern. An Verlerer erinnert man sich nicht.

  8. 22.

    Sobald in der Netzwarte des Energieversorgers Mitarbeiter in Scharen durch Omikron ausfallen werden Sie es schon merken!

  9. 21.

    Das mit den Krankenhäuser wissen wir noch nicht so richtig. Die Quarantänen werden nach der entsprechenden Verordnung ausgesprochen und bei Zahlen wie in UK, wären dann hier ganz viele in Quarantäne - man könnte natürlich dann die Verordnung anpassen, sollte sich das mit den Krankenhäusern positiv enwicklen; das wird aber nicht gleich am Anfang abzusehen sein, also muß mindestens eine Zeit überbrückt werden bei wichtigen Betrieben, wofür jetzt Planungen im voraus gemacht werden.

  10. 20.

    Ich glaube nicht, dass unsere Infrastruktur zusammenbrechen wird. Sie wird schweren Schaden nehmen und zeitweise in Teilen eingeschränkt sein, aber sie wird nicht zusammenbrechen. Warum?

    Die Erlebnisse bei Katastrophen in D (Sturmfluten, Hochwasser, Extremwinter....) https://www.n-tv.de/mediathek/bilderserien/panorama/Die-groessten-Katastrophen-in-Deutschland-article22686993.html
    haben immer wieder eines gezeigt: wenn es ganz dicke kommt und viele sagen es geht nicht, mehr gibt es immer wieder Menschen, die andere davon überzeugen, dass es doch weiter geht. Es gibt dann Hilfe von vielen Seiten.
    Und dann sollten wir noch eines bedenken. In der Vergangenheit war dann auch immer das Militär da, egal ob BW, NVA, us-Streitkräfte und auch damals die ru-Streitkräfte. Auch heute ist die BW in der Pandemie im Einsatz. Es gibt einen aktuellen Beitrag im PANORAMA.

    Wir werden Schaden nehmen, vieles wird zeitweise eingeschränkt sein, aber wir werden nicht zusammenbrechen.

  11. 19.

    Genau man kann doch einfach mal ein Monat auf Urlaub zu verzichten, genau wie 2020 im März April Mai Juni Juli August blablabla man kann es echt nicht mehr hören, gerade wenn man geimpft ist ist das einfach nur noch ein Hohn und man könnte diesen Leuten eigentlich nur noch mit anderen Worten irgendwie beikommen die hier leider nicht als Kommentar durchgehen würden.

  12. 18.

    "Und wenn man in Geschäfte geht und da die 2G-Regel akzeptiert, ist das auch nochmal eine Sicherheitsstufe." Es gibt keine Bewiesene Studie die dies Bestätigt. Wir Geimpfte sind laut https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.11.12.21265796v1 genauso die Verbreiter, von dem Virus, als Ungeimpfte. Das Erklärt auch die derzeitigen Zahlen der letzten Woche, wer was anderes Behauptet ist einfach ein Scharlatan, der für Zwiespalt in der Bevölkerung sorgen möchte.

  13. 17.

    75 Prozent Schutz gegen Omikron können die Teilnehmer von der Feier in Oslo wohl nicht bestätigen.

  14. 16.

    Großbritannien macht es vor,dort explodieren die Zahlen
    Omikron macht zwar anscheinend häufig einen milden Verlauf ,das Problem ist aber ,umso mehr coronafälle wir haben ,umso mehr fallen auf der Arbeit aus
    Und wenn das die DB,U-Bahn, Bus,usw. betrifft bricht der Nahverkehr schnell zusammen
    In anderen Branchen sieht es nicht anders aus,
    Was meinen Sie was los ist ,wenn das in den Krankenhäuser passiert, die jetzt schon voll sind

  15. 14.

    Unsere Infrastruktur kann doch gar nicht zusammenbrechen.
    Wir haben 2015 eine Millionen Menschen bekommen, die fehlende Mitarbeiter sofort ersetzen können,
    da sie hochqualifiziert und hochmotiviert waren oder sind.
    Bzw. sie sich in den vergangenen Jahren weiter gebildet und eingebracht haben.
    Also, kein Problem.

  16. 13.

    Also es war das gemeint, was da steht, oder haben sie solche Themen hier gesehen? :)

  17. 12.

    Was nützt dann eine Quarantäne, wenn der neue Stamm kein Risiko birgt, Krankenhäuser zu überfordern?

  18. 11.

    Wenn die Option weniger aggressiv ist, warum denken Sie, dass es dann überhaupt Gastpalisationen geben wird? Aber anscheinend ist das Ziel, zunächst mit dem Satz "ansteckender" zu erschrecken, wird niemand weiterlesen, alle werden zum Luftschutzbunker rennen ...

  19. 10.

    "Nachtrag zu #1 - meine persönliche t-online-Hitliste von heute"

    Sorry, Ihre persönliche Liste ist hoffentlich nicht die von rbb24!
    Meine jedenfalls nicht - wird hier immer verrückter mit den Kommentaren.


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