Interview | Rechtswissenschaftler zu Kohle-Protesten - "Ziviler Ungehorsam ist nicht strafbar, aber manche Handlungen"

Di 26.11.19 | 15:36 Uhr
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Archivbild: Ein Achtung Betreten Verboten steht am 12.05.2016 bei Welzow, Deutschland an der Kante des Braunkohlentagebau Welzow-Süd. (Quelle: imago/Markus Heine)
Audio: Antenne Brandenburg | 26.11.2019 | Dirk Schneider | Bild: imago/Markus Heine

Das Klima-Bündnis "Ende Gelände" kündigt zivilen Ungehorsam bei seiner Lausitz-Aktion für den sofortigen Kohleausstieg am Wochenende an. Rechtswissenschaftler Lothar Knopp erklärt im Interview, wo die Grenzen für zivilen Ungehorsam liegen.

rbb: Wie ist der Begriff "ziviler Ungehorsam" definiert?

Lothar Knopp: Der Begriff geht in seinen Wurzeln auf die Antike zurück. Gemeint ist damit eine politische Betätigung eines Staatsbürgers, um die Öffentlichkeit bei bestimmten Aktionen mit zu beeinflussen, aber zugleich auch gegen Rechtsregeln zu verstoßen in dem Bewusstsein, dass diese Verstöße im Einzelfall auch mit Strafe geahndet werden können.

Antrieb für zivilen Ungehorsam ist, wenn ein Staatsbürger aus seinem Bewusstsein heraus gegen Unrechtsachverhalte vorgeht. Das heißt, er erhebt einen bestimmten moralischen Anspruch, dass er wiederum Unrecht begehen kann, um seinerseits vermeintliches oder tatsächliches Unrecht zu beseitigen.

Wann ist ziviler Ungehorsam gesetzlich noch vertretbar, wann wird er strafbar?

Das kann man so einfach nicht sagen, der Begriff des zivilen Ungehorsams selbst ist nicht sanktioniert. Sanktioniert sind aber die jeweiligen Handlungen, die aus diesem Begriff resultieren. Und diese Handlungen sind teilweise gesetzlich reglementiert. Und so kommt es im Einzelfall, je nach dem, wie dieser zivile Ungehorsam ausgeübt wird, zu Rechtsverstößen.

Dabei ist es ein Unterschied, ob sich Handlungen gegen Sachen richten und es dabei zu Beschädigungen kommt. Oder ob sich Handlungen gegen Personen richten. Das heißt, der zivile Ungehorsam selbst ist nicht strafbar, aber die Handlungen, die in seinem Namen ausgeführt werden, sind im Einzelfall auf Rechtsverstöße zu prüfen. Diejenigen, die solch einen zivilen Ungehorsam ausüben, sind sich in der Regel auch dessen bewusst, dass sie durch diese Handlungen möglicherweise auch entsprechende Strafen erwarten müssen.

Das Bündnis "Ende Gelände" hat angekündigt, am Wochenende gewaltfrei zu agieren. Sollte dennoch etwas passieren, seien das Leute, die nicht zu ihnen gehören. Inwieweit können sich Organisatoren von solchen Eventualitäten frei machen?

Wenn die versammlungsrechtlichen Regelungen eingehalten werden und die Demonstration friedlich verläuft, ist alles kein Problem. Wenn es aber dennoch zu aggressiven Handlungen Einzelner kommt, dann ist es jeweils individuell festzustellen, ob die Person diese Handlungen begangen hat. Das heißt, eine Kollektivhaftung gibt es nicht.

Das Interview führte Josefine Jahn. Dieser Artikel ist eine redigierte Fassung des Gesprächs.

5 Kommentare

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  1. 5.

    "Es geht um die Zukunft der Menschheit". Größenwahn? In der Lausitz wird nicht über die Zukunft der Menschheit bestimmt. Was juckt es Peking, wenn in der Lausitz ein Sack Kohle umfällt?

  2. 4.

    Es geht um mehr als Recht und Gesetz. Es geht um die Zukunft der Menschheit. Da ist der Bruch von bestimmten Gesetzen nicht nur legitim, sondern moralische Pflicht.

  3. 3.

    Straftat bleibt Straftat und sollte durch die Behörden auch konsequent verfolgt werden.
    Ich glaube nicht, dass sich die Gesetzeshüter noch einmal überraschen und vorführen lassen. War ja eine Schande für den Innenminister. Ende Gelände ist ja gegen Gewalt und sollte Rechtsdurchsetzungen dementsprechend befürworten.

  4. 2.

    Es ist schön zu lesen und es wir die Chaoten in ihren Handlungen noch bestärken. Ihnen kann ja Keiner was.

  5. 1.

    "Ziviler Ungehorsam ist nicht strafbar, aber manche Handlungen" Ein gefährlicher Spruch, der zu Rechtsbrüchen animieren könnte.
    "Ziviler Ungehorsam" im betrachteten Kontext der Behinderung von Förderungs- und Produktionseinrichtungen ist in der Regel Rechtsbruch und strafbar. Schon der Aufruf zum unerlaubten Betreten von Industriegelände ("Ende Gelände") ist nach § 240 StGB die "Drohung mit einem empfindlichen Übel".
    Schon alleine die Drohung zur Blockade von Kraftwerken und Tagebauen sollte von den Betreibern konsequent mit Strafanzeigen begegnet werden.

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