Interview | Kükentöten ab 2022 verboten - "In Nachbarländern können Küken weiter getötet werden"

Der Bundestag hat ein Verbot des Tötens männlicher Küken beschlossen. Der Präsident des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft begrüßt das Gesetz, fordert aber eine europäische Lösung. Denn in den Nachbarländern ist das Kükentöten weiterhin erlaubt.
rbb: Das massenhafte Töten von männlichen Küken wird ab Anfang nächsten Jahres verboten. Macht diese neue gesetzliche Regelung den Unternehmen Ihres Verbandes zu schaffen?
Friedrich-Otto Ripke: Das Gesetz ist weltweit das einzige. Es ist ethisch völlig vertretbar und wir unterstützen es auch, dass aus dem Kükentöten ausgestiegen wird. Aber es wird im Wettbewerb ums Ei für uns mit Beschwernissen verbunden sein. Auch wenn wir es aus Überzeugung mittragen. Wir wollten deshalb eine europäische Lösung, keine rein deutsche. Damit zum Beispiel auch die holländischen Kollegen, die 30 Prozent der in Deutschland verbrauchten Eier hierher liefern, unter die gleichen Bedingungen fallen. Und das tun sie im Moment nicht.
Wie sähe eine Lösung aus Ihrer Sicht aus?
Wir wollten von vornherein, dass eine europäische Lösung geschaffen wird. Die deutsche Ratspräsidentschaft hätte eine gute Plattform gegeben, um das auf die Tagesordnung zu setzen und zu versuchen, es zu erreichen. Denn das deutsche Gesetz eröffnet eine Reihe von Umgehungstatbeständen. Zum Beispiel können weibliche Küken aus Nachbarländern importiert werden, wo männliche Küken weiterhin getötet werden. Das ist nicht das, was man am Ende unbedingt erreichen wollte.
Nun ist es so und wir haben das nationale Gesetz. Wir stellen uns darauf ein und arbeiten bereits vorbereitend daran. Wir verzögern nicht. Im Gegenteil gibt es schon Eier aus Kükentöten-freien Lieferketten in den Ladentheken. Aber wir möchten jetzt im Nachhinein, dass die Europa-Lösung geschaffen wird und nicht, weil wir ein deutsches Gesetz haben, nach hinten geschoben wird.
Die Europa-Lösung würde also heißen, dass das, was in Deutschland gilt, überall in Europa gilt?
Genau. Die deutsche Bundesregierung muss mit dem Gesetz nach Brüssel und dafür werben, dass andere Länder mitziehen. Frankreich war 2020 bereit, sich mit Deutschland abzustimmen, aber hat diesen kurzfristigen Termin nicht realisieren können. Es strebt 2023 an und wir haben die Hoffnung, dass es in Europa zu einer ähnlichen Lösung kommen kann. Damit unsere Legehennen-Halter, ob aus Brandenburg oder Niedersachsen, nicht mit dem Zwei-Cent-Kostennachteil dauerhaft beaufschlagt sind, sondern dass es sich europaweit löst.
Es heißt praktisch auch, dass die nötige Technik angeschafft werden muss, um das Geschlecht der Küken zu erkennen.
Es gibt zwei Lösungsansätze: einmal die Bruderhahnmast, wo die männlichen Küken, die schlüpfen, gemästet werden. In Deutschland ist es nicht ganz einfach, genügend Mastplätze zu finden, weil wir keine Genehmigungen für Stallneubauten bekommen. Deshalb wird ein großer Anteil der Brüderhähne im Ausland, beispielsweise in Polen, gemästet. Der zweite Lösungsansatz ist die Geschlechtsbestimmung. Da haben wir noch keine ausreichende Durchsatzleistung. Wir brauchen im Grunde genommen 40 Millionen Küken, die am Leben bleiben sollen, beziehungsweise geschlechtselktiert werden im Ei. Da reichen die Feststellungsverfahren noch nicht aus.
Auch die Messgenauigkeit ist nicht so, wie es sich die deutsche Geflügelwirtschaft wünscht. Messgenauigkeit ist ein technischer Begriff. Praktisch formuliert heißt das, wenn zehn Prozent Hähne in die Legehennen-Ställe kommen, wo die weiblichen Hennen sitzen, gibt es Unruhe durch die Hähne. Es kann zu Federpicken und Kannibalismus kommen. Das bedeutet auch einen Tierschutznachteil. Deshalb müssen die Geschlechtsbestimmungsverfahren weiterentwickelt werden und das sollen sie auch. Wir machen das selbst in unserer Branche auch mit in der Hoffnung, dass wir praxisreif werden, so schnell wie möglich.
Man geht also aus Ihrer Sicht mit noch nicht ausgereifter Technik an den Start?
Wir schaffen 2022 den Ausstieg aus dem Kükentöten, weil wir gut vorbereitet sind und mehrere Geschlechtsbestimmungsverfahren verwenden. Aber die detektieren relativ spät am neunten Tag nach dem Brutbeginn. Das Gesetz sieht ja auch vor, dass wir nach 2024 früher das Geschlecht bestimmen sollen, nämlich vor dem siebten Tag. Ob wir das schaffen, ist völlig offen. Überall in Deutschland arbeiten Forscher an einer Lösung. Aber man kann es auch nicht erzwingen, man muss es abwarten.
Müssen sich die Kunden auf steigende Preise einstellen?
Wir würden darum bitten, dass die Verbraucher künftig Eier aus einer Kükentöten-freien Lieferkette kaufen. Wir brauchen auch die Akzeptanz der Verbraucher. Dafür werbe ich, weil unsere Legehennenhalter auf ihre Kosten kommen müssen. Mehr Tierwohl kostet auch Geld. Das muss man einfach akzeptieren und auch deutlich sagen.
Stimmt es, dass ein Großteil der Eier in die Industrie geht, beispielsweise in die Nudelproduktion?
Die Deutschen essen pro Kopf im Jahr 230 Eier. Das sind etwa 17 Milliarden im Jahr. Davon sind mehr als die Hälfte Schaleneier, die nicht verarbeitet werden, sondern die wir zum Frühstück aufschlagen. Die Eiprodukte, die in Nudeln oder Keksen stecken, machen etwa weniger die Hälfte des Marktes aus. Auch die Ei-Produkte sollen in die Kükentöten-freie Lieferkette übernommen werden. Im Moment importieren sie viele Eier. Auch das verhindert das neue Gesetz nicht, es greift nur in Deutschland. Das ist noch ein Argument, dass wir eine europäische Lösung brauchen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview mit Friedrich-Otto Ripke führte Iris Wussmann, Studio Cottbus.