Einigung auf Koalitionsvertrag im Bund - Ampel-Parteien wollen Kohleausstieg "idealerweise" bis 2030

Die künftigen Regierungsparteien im Bund sind sich einig: Der Ausstieg aus der Kohle soll möglichst auf 2030 vorgezogen werden - acht Jahre früher als beschlossen. Erste Reaktionen in Brandenburg sind verhalten bis skeptisch.
Der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung soll in Deutschland beschleunigt werden. "Idealerweise gelingt das schon bis 2030", heißt es im Koalitionspapier der Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP, das dem rbb vorliegt. Bisher ist ein Ende der Kohleverstromung bis spätestens 2038 beschlossen.
Am Mittwochnachmittag haben die Ampel-Parteien den Koalitionsvertrag für eine gemeinsame Bundesregierung vorgestellt.
Strukturmaßnahmen sollen schneller kommen
Regionen, die wie die Lausitz vom Kohleausstieg betroffen sind, können laut Koalitionsvertrag "weiterhin auf solidarische Unterstützung zählen." So sollen Projekte des Strukturstärkungsgesetzes, wie zum Beispiel die Universitätsmedizin Cottbus, vorgezogen beziehungsweise beschleunigt werden, heißt es.
Auch an weiteren Stellen soll es Änderungen geben. "Die flankierenden arbeitspolitischen Maßnahmen wie das Anpassungsgeld werden entsprechend angepasst und um eine Qualifizierungskomponente für jüngere Beschäftigte ergänzt." Ziel sei es außerdem, zusätzlich zu den bisher zugesagten Leistungen an Kommunen keine weiteren Entschädigungen an Unternehmen zu zahlen. Es soll auch geprüft werden, ob eine Stiftung oder Gesellschaft eingerichtet wird, die "den Rückbau der Kohleverstromung und die Renaturierung organisiert."
Woidke: Früherer Ausstieg nur mit mehr Jobs in der Lausitz machbar
Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hält einen früheren Kohleausstieg als 2038 in bestimmten Fällen für möglich. Das Vorhaben der geplanten Ampel-Koalition im Bund sei aber nur machbar, wenn es gelinge, bis 2030 mehr Industriearbeitsplätze in der Lausitz zu schaffen, sagte Woidke im rbb. Die bisherige Bilanz sei positiv. So sollen zum Beispiel 1.200 Arbeitsplätze bis 2024 in Cottbus entstehen, durch die Erweiterung des dortigen Bahn-Werkes.
Skeptischer äußerten sich Brandenburger Politiker von Linkspartei, CDU und AfD. Man könne nicht nur Leuchtturmprojekte in die Lausitz setzen, sondern müsse auch in die Kommunen gehen, mahnte die Linken-Landtagsabgeordnete Anke Schwarzenberg. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Jana Schimke betonte, zum Ausstieg 2038 habe man ein "klares Vertragsziel definiert". Dass dieses nun aufgeweicht werde, stärke nicht gerade das Vertrauen in die Politik. Der AfD-Landtagsabgeordnete Steffen Kubitzki sagte mit Blick auf den Strukturwandel in der Lausitz, dieser brauche Zeit. Ein Ausstieg schon 2030 sei "der blanke Wahnsinn".
Zum genauen Ausstiegsjahr aus der Kohle sagte Woidke, das würde sich entscheiden, wenn es Versorgungsalternativen aus erneuerbaren Energien gibt. Hier sei Brandenburg schon fast so weit, sich theoretisch selbst mit erneuerbarer Energie versorgen zu können, davon seien alle anderen Bundesländer weit entfernt. Die Stromversorgung müsse aber sicher gestellt bleiben. Woidke warnte vor einem Kohleausstieg und gleichzeitigem Import von Kohlestrom aus Polen oder Atomstrom aus Frankreich, um die Versorgung zu sichern. Das würde alle Vorhaben der Bundesregierung und des Koalitionsvertrages konterkarieren.
Erneuerbare Energien sollen intensiv ausgebaut werden
Im Koalitionsvertrag ist ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien festgeschrieben. Schon vorab wurde bekannt, dass bis zum Jahr 2030 Wind und Sonne 80 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland decken sollen. Bundesweit soll bis dahin jeder dritte PKW voll elektrisch fahren. Wenig später sollen dann in Deutschland keine Fahrzeuge mit Verbrenner mehr neu zugelassen werden.
Außerdem sollen moderne Gaskraftwerke entstehen, "um den im Laufe der nächsten Jahre steigenden Strom- und Energiebedarf zu wettbewerbsfähigen Preisen zu decken", heißt es im Papier. "Dafür werden wir den für im Kohleausstiegsgesetz vorgesehenen Überprüfungsschritt bis spätestens Ende 2022 analog zum Gesetz vornehmen."
Tausende Kohle-Jobs in der Lausitz
In der Lausitz hängen an der Kohle rund 15.000 direkte und indirekte Jobs. Erst Ende Oktober hatten vor dem Kraftwerk Schwarze Pumpe (Spree-Neiße) rund 250 Mitarbeiter des Energiekonzerns Leag demonstriert. Sie wollten mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen erreichen, dass am festgelegten Kohleausstieg in Deutschland festgehalten wird.
Auf den Plakaten standen Botschaften wie "Mit guter Industriearbeit. Mit uns." oder "Transformation. Mit uns." Die Demonstrierenden wollten klar machen, dass der Strukturwandel nicht aus der Ferne entschieden und gesteuert werden könne, sondern nur mit den Mitarbeitern zusammen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 24.11.2021, 8:30 Uhr