Vor 20 Jahren: Unfall auf dem Lausitzring - Als Alex Zanardi fast gestorben wäre

Mi 15.09.21 | 15:35 Uhr
Archivbild: Der Rennwagen des Italieners Alessandro Zanardi brennt nach nach einer Kollission mit dem Kanadier Alex Tagliani während des <<American Memorial>> auf dem südbrandenburgischen Lausitzring. (Quelle: dpa/M. Hiekel)
Bild: dpa/M. Hiekel

Man hört wenig über den Gesundheitszustand von Alessandro Zanardi. Der ehemalige Formel-1-Fahrer kämpft sich nach einem schweren Unfall ins Leben zurück - wie schon einmal vor 20 Jahren. Damals verunglückte er auf dem Lausitzring. Von Andreas Friebel

Es herrscht angespannte Vorfreude an diesem 15. September 2001 auf dem Lausitzring: Fast 100.000 Zuschauer wollen das erste Rennen der amerikanischen Champ Cars in Europa erleben. Es ist vier Tage nach den Terroranschlägen in New York und Washington - und bis zuletzt war offen, ob das Gastspiel überhaupt stattfinden soll.

Doch die Champ Cars wollen sich dem Terror nicht beugen - das Rennen wird gestartet. Alles verläuft nach Plan, bis kurz vor Schluss Alessandro Zanardi in einen fürchterlichen Unfall verwickelt wird: Bei der Boxenausfahrt kommt der italienische Fahrer kurz auf den Grünstreifen – sein Wagen wird auf die Strecke geschleudert und von einem anderen Rennwagen mit über 300 km/h getroffen. Zanardis Auto wird in zwei Teile gerissen.

Zanardi wird sieben Mal wiederbelebt

"Als der Rennarzt kam, ist er auf dem Asphalt ausgerutscht. Wie ich später hörte, dachte er, es sei Motoröl. Aber es war mein Blut", sagte Zanardi Jahre später in einem Interview.

Während die ARD nach den schrecklichen Bildern ihre Liveübertragung abbricht, kämpfen die Ärzte um das Leben des Italieners. Sieben Mal muss Zanardi wiederbelebt werden. Er wird mit einem Helikopter in die Unfallklinik nach Berlin-Marzahn geflogen. Dort übernimmt Professor Walther Schaffartzik - und muss später der Öffentlichkeit die schlimme Nachricht überbringen: "Beide Beine mussten amputiert werden. Es gab keine medizinische Möglichkeit, sie zu erhalten. Sie waren völlig zerstört."

Sechs Wochen nach dem Unglück verlässt Zanardi das Krankenhaus im Rollstuhl und schmiedet Pläne für seine Zukunft: Er will weiter Rennen fahren! Und das macht der Italiener. 2003 kehrt er auf den Lausitzring zurück und holt in einem extra umgebauten Rennwagen jene 13 Runden nach, die ihm am Unfalltag noch zum Ziel fehlten. "Ich hatte Gänsehaut, wenn ich darüber nachdachte, was hier gerade passiert", gibt Zanardi anschließend in einem Interview zu.

"Ich hatte Angst wegen der Haie"

Und Gänsehaut hatten auch zehntausende Zuschauer, die Zanardi an diesem Tag mit Standing Ovations durch die Runden begleiteten.

Der heute 54-Jährige fährt aber nicht nur weiter Autorennen, sondern holt mit einem Handbike vier paralympische Goldmedaillen. 2014 und 2015 startet er sogar beim Iron Man auf Hawaii. Dafür fährt er im Rollstuhl, mit einem speziell umgebauten Rad und schwimmt im Pazifik. "Ich hatte nur Angst wegen der Haie. Wahrscheinlich habe ich als Kind zu viele Filme geschaut", erzählte der Italiener anschließend. "Ich habe nur gehofft, dass, wenn einer kommt, er meine Beine sieht und denkt: Oh, da hat es schon ein anderer Hai probiert, scheint nicht zu schmecken."

Auch in Berlin ist Zanardi 2015 mit seinem Handbike am Start - er fährt beim Berlin-Marathon mit.

Folgenschwerer Zusammenstoß

Doch zur Geschichte über den sportbegeisterten Italiener gehört leider auch ein weiterer schlimmer Unfall: Im Juni 2020 kollidiert Zanardi beim Handbike-Training in der Toskana mit einem LKW. Er ist gerade dabei, sich auf die Paralympics in Tokio vorzubereiten.

Monatelang liegt er anschließend mit schweren Kopfverletzungen im Krankhaus, zeitweise auch im Koma.

Informationen zu seinem Gesundheitszustand gibt es kaum. Er sei stabil, sagte seine Frau Daniela Anfang Juli zurückhaltend. Sie spricht von Rückschlägen und weiteren neurochirurgischen Eingriffen, die notwendig gewesen seien. Jetzt absolviere Alex Trainingsprogramme sowohl für sein Gehirn als auch für seinen Körper. Bisher könne er noch nicht wieder sprechen, die Stimmbänder müssten trainiert werden.

Der Sport scheint Alessandro Zanardi auch dieses Mal im Leben zu halten. Seine Frau sagt: "Er hat noch immer viel Kraft in Armen und Händen, und er trainiert intensiv an den Geräten."

Sendung: Inforadio, 15.09.2021, 07:15 Uhr

Nächster Artikel