Interview | Philipp Boy zehn Jahre nach Karriere-Ende - "Ich genieße es, auch mal wieder den Sternenhimmel zu sehen"

Mi 30.11.22 | 11:32 Uhr
Philipp Boy beim Warm-Up mit Stretching-Band / IMAGO / Peter Hartenfelser
Audio: Studio Cottbus | 30.11.2022 | Jasmin Schomber | Bild: www.imago-images.de

Philipp Boy ist der wohl bekannteste Turner aus Cottbus. Vor zehn Jahren verkündete er überraschend sein Karriere-Ende. Im Interview spricht er über die Zeit danach und welche Verbindungen er noch nach Cottbus hat.

rbb|24: Herr Boy, Sie sind der wohl bekannteste Cottbuser Turner. Vor zehn Jahren haben Sie sich aus dem Leistungssport zurückgezogen. Welche Verbindungen haben Sie noch nach Cottbus?

Philipp Boy: Meine ganze Familie lebt dort noch: Schwiegereltern, meine Mama mit ihrem neuen Partner, Großeltern. Ich lebe seit über zehn Jahren in Berlin, da habe ich das Großstadt-Flair, aber meine Frau, unser Kind und ich genießen es sehr, wieder nach Cottbus zu kommen und dann auch mal wieder den Sternenhimmel zu sehen. Den sieht man als Berliner nicht. Ich genieße auch die frische Luft. Wir sind schon sehr gerne und regelmäßig in Cottbus.

Zur Person

Philipp Boy wuchs in der Uckermark auf und wechselte schließlich zum SC Cottbus. Von 2007 bis 2011 nahm er regelmäßig an Deutschen Meisterschaften sowie an Europa- und Weltmeisterschaften im Turnen teil und gewann Medaillen. So wurde er 2010 im Mehrkampf-Einzel Vizeweltmeister und 2011 in Berlin Europameister im Mehrkampf.

2012 beendete Boy überraschend seine Karriere. Bei den Olympischen Spielen in London konnte er zuvor nicht an frühere Erfolge anknüpfen. Sein Karriere-Ende begründete Boy mit mentalen Problemen nach einem Sturz am Reck.

Sie haben zehn Jahre lang keinen Leistungssport gemacht. Treiben Sie trotzdem regelmäßig Sport?

Das kann ich nur bejahen. Es hat zwar eine Weile gedauert, bis ich wieder zum Sport gefunden habe, dass mir der Sport auch wieder Spaß gemacht hat, aber heute geht es gar nicht mehr ohne Sport. So wie andere ihr Frühstück brauchen, brauche ich wenigstens fünf mal die Woche für mich selbst den Sport.

Das Jahr 2012 und vor allem die Olympischen Spiele haben Ihr Leben verändert. Wie würden Sie diese Zeit heute beschreiben?

Als ich 2012 meine Karriere beendet habe, musste ich das nicht machen, aber ich wollte. Für mich war London die größte Enttäuschung, die ich leider in meinem Sportlerleben erfahren musste. Danach habe ich mich gefragt: Will ich diese ganze Aufopferung? Turnen ist eine sehr trainingsintensive Sportart mit vielen Entbehrungen. Ich habe deshalb ein neues Lebenskapitel begonnen. Dann kam die erste Anfrage für eine Tanz-Show. Da wurde ich zwangsläufig wieder mit viel Training konfrontiert. Dann habe ich über diverse TV-Shows wieder Gefallen daran gefunden mich zu challengen, mich wieder Wettkämpfen zu stellen. Jetzt arbeite ich in Berlin als Personal Trainer, was einhergeht mit Partnern, Auftritten und TV-Shows.

Die Turner des SC Cottbus sind 2010 zum bislang letzten Mal Deutscher Meister geworden, damals waren Sie noch aktiv. Jetzt könnte die Mannschaft erneut den Titel holen. Bekommen Sie noch mit, wie sich Cottbus im Turnen schlägt?

Bei den meisten Meisterschaften, die Cottbus gewonnen hat, war ich ein Teil davon. Ich bin auch sehr stolz darauf, dass ich den Meistertitel mit Cottbus fünf Mal gewinnen konnte. Das ist eine tolle Zeit gewesen und natürlich verfolge ich den Cottbuser Sport noch. Ich bin up to date, was alles gerade läuft in der Bundesliga oder welche Talente sich gerade für Europameisterschaften und Weltmeisterschaften qualifiziert haben.

Was es für Sie, mit dem jetzigen Abstand betrachtet, die richtige Entscheidung nach Cottbus zu gehen?

Was ich in Cottbus schon immer hervorragend fand war die Nachwuchsarbeit. Wer es aber letztendlich in die Nationalmannschaft schafft ist eine persönliche Sache. Wenn die Pubertät kommt und auf einmal Partys interessanter werden, wer möchte sich dann noch durchbeißen? Ich kann nur sagen, es hat sich für mich absolut gelohnt, dass ich mich da durchgebissen habe und auf einige Sachen auch verzichtet habe. Ich habe wahnsinnig viel von der Welt gesehen, was zwangsläufig damit einhergeht, wenn du in der Nationalmannschaft unterwegs bist. Und ich konnte tolle Erfolge feiern und mir dadurch natürlich auch ein schönes Netzwerk aufbauen, wovon ich heute noch zehre.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Thomas Krüger für Antenne Brandenburg. Für die Online-Fassung wurde es gekürzt und redigiert.

Sendung: Antenne Brandenburg, 30.11.2022, 15:10 Uhr

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