Chip soll Tierwohl messen - "Wir fragen die Kuh direkt"

Do 05.09.19 | 16:07 Uhr | Von Florian Ludwig
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Kühe und Kälber auf einer Weide, Foto: imago/blickwinkel/W.Leurs
Audio: Antenne Brandenburg | 05.09.2019 | Florian Ludwig | Bild: imago/blickwinkel/W.Leurs

Das Bundeskabinett hat ein neues Tierwohllabel beschlossen. Doch wie merkt man, dass es Schwein & Co. wirklich gut geht? Über einen Chip im Ohr, meinen Wissenschaftler - und haben im Süden Brandenburgs ein europäisches Foschungsprojekt gestartet. Von Florian Ludwig

Die Einführung eines neuen Tierwohl-Labels ist beschlossen. Das Logo ist freiwillig, zunächst soll nur Schweinefleisch damit gekennzeichnet werden. Käufer sollen an dem Label erkennen, wie das Tier gehalten wurde. Hat das Tier zum Beispiel mehr Platz als vorgeschrieben, wird angenommen, dass es ihm gut geht.

Ein neues Projekt der Europäischen Innovationspartnerschaft will tiefer gehen. Eine Art Wohlfühl-Chip im Ohr von Tieren soll 24 Stunden am Tag verschiedene Parameter messen. Wie praxistauglich das Ganze ist, wird an vier Standorten in Brandenburg getestet - auf einem Biobauernhof in Fehrow (Spree-Neiße) wurde es am Donnerstag vorgestellt. Hier sind 850 Tiere in das Forschungsprojekt einbezogen.

Messungen unter anderem an der Haut

Niemand wisse so richtig, wie Tierwohl zu messen sei, sagte Projektleiter Matthias Platen. Deshalb soll es nun mit der Messung direkt am Tier versucht werden. "Wir sind damit anderen, bestehenden Systemen voraus. Wir fragen die Kuh direkt", so Platen.

Konkret heißt das, dass die Kuh einen Chip ins Ohr bekommt, mit dem verschiedene Werte dauerhaft gemessen werden. Hat die Kuh genug Futter? Ist sie krank? Ist sie fruchtbar? Das sollen sogenannte elektrodermatologische Werte verraten. Gemessen werden unter anderem der Hautwiderstand, die Körperfrequenzen und das elektrische Hautpotenzial. Die Ergebnisse soll dann der Bauer auf einem Monitor für die ganze Herde ablesen können, mit einem simplen Ampelsystem.

Akkus als Problem

Seit Ende 2016 wurden bereits Daten in vier Brandenburger Betrieben gesammelt: in Münchehofe (Dahme-Spreewald), Alt Zeschdorf (Märkisch-Oderland), Heinersdorf (Oder-Spree) und in Fehrow. Dabei wurden Werte von gesunden, trächtigen oder kranken Tieren genau untersucht, um eine große Datengrundlage zum Vergleichen zu haben. Mit dieser Grundlage soll jetzt am Computer abgelesen werden können, was eventuell mit Tieren nicht stimmt, wenn gemessene Daten abweichen. Die vier Brandenburger Bauernhöfe sind auch jetzt in der Testphase mit dabei.

Weil aber noch alles in der Erprobung ist, muss zum Beispiel noch an den Akkus gefeilt werden. Sie sind längst nicht so leistungsfähig, dass sie ein ganzes Kuhleben durchhalten. Für die beteiligten Forscher ist es trotzdem ein spannendes Feld, eine "ganz hervorragende Mischung", sagt Tierärztin Nana Pflugfelder vom Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt-Universität zu Berlin. "Wir haben auf der einen Seite die Technologieentwicklung, auf der anderen Seite praktische Arbeit im Betrieb, an der frischen Luft." Dazu komme als dritte Komponente die Analyse, "was eben auch nochmal ein sehr aufwendiger Part ist, den wir bei uns am Institut durchführen."

Staatssekretärin wünscht sich glücklichere Tiere

Brandenburgs Staatssekretärin Carolin Schilde hofft, dass durch das Forschungsprojekt mehr Tierwohl in die Brandenburger Ställe einzieht. "Wir nutzen diese innovativen Projekte, damit Praxisbetriebe versuchen, geeignete Lösungen zu finden", sagte sie am Donnerstag in Fehrow. Der große Vorteil sei, dass die Bauernhöfe dafür Unterstützung von vielen Partnern bekämen, "aus der Wissenschaft, aus der Beratung aber auch, wenn es um die Veränderung von Systemen geht", so Schilde. Gleichzeitig könnten die Betriebe untereinander ihre Erfahrungen austauschen.

Das Wohlfühl-Chip-Forschungsprojekt soll zunächst bis Ende des Jahres laufen. Die Initiatoren wollen aber eine Verlängerung beantragen. Sollte das System funktionieren, könnte am Ende auf der Milch oder auf abgepacktem Fleisch im Supermarkt nicht nur stehen, woher das Produkt kommt und wie groß der Stall war - sondern auch, wie es dem Tier ganz genau gegangen ist.

Beitrag von Florian Ludwig

6 Kommentare

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  1. 6.

    Nö. Und das Fleisch eines gesunden Tieres schmeckt wesentlich besser. Also ein guter Schritt. Besonders beim Schlachten ist eine Anspannung des Tieres ungünstig, weil diese Auswirkungen auf die Qualität des Fleisches hat. Glückliche Rinder ergeben bessere Steaks.

  2. 5.

    ... in der Sprache der Elektrophysiologie. Diese "Sprache" basiert auf Messwerten und kennt weder Art noch Dialekt, so dass Missverständnisse einigermaßen auszuschließen sind. Die Aufgabe des Projektes besteht gewissermaßen in der Entwickung eines Stethoskops - und eines Übersetzers.

  3. 4.

    ... in der Sprache der Elektrophysiologie. Diese "Sprache" basiert auf Messwerten und kennt weder Art noch Dialekt, so dass Missverständnisse einigermaßen auszuschließen sind. Die Aufgabe des Projektes besteht gewissermaßen in der Entwickung eines Stethoskops - und eines Übersetzers.

  4. 3.

    Die Industrie versucht auch allen Scheiß, um weiter unser Klima ruinieren zu dürfen. Laßt Euch nicht verarschen. Industrielle Tierzuchtanlagen sind tierische Konzentrationslager, die einen erheblichen Anteil an der Zerstörung unserer Umwelt haben, vor allem am Grundwasser und am Methanausstoß. Jeder, der weiter Fleisch aus diesen Anlagen ißt, macht sich mitschuldig, Hört also bitte auf damit, dieses Zeug weiter zu kaufen. NIcht nur zum Wohl der Tiere, sondern auch zum Schutz unseres Klimas. Danke.

  5. 2.

    "Wir fragen die Kuh direkt" - In welcher Sprache?

  6. 1.

    Die Agrarindustrie bastelt bestimmt schon an einer Schummelsoftware...

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