Apotheker beklagen Lieferengpässe - In Berlin und Brandenburg fehlen Hunderte Medikamente

Mi 16.10.19 | 16:00 Uhr
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Symbolbild: Ein Apotheker nimmt ein verschreibungspflichtiges Medikament aus einer Schublade in einer Apotheke. (Quelle: dpa/J. Stratenschulte)
Video: Brandenburg Aktuell | 16.10.19 | Mona Ruzicka | Bild: dpa/J. Statenschulte

Hunderte Medikamente sind wegen Lieferengpässen in Brandenburg und in Berlin nicht erhältlich. Darunter sind Standardmedikamente wie Blutdrucksenker, Schmerzmittel und Antibiotika. Das Problem: Die Wirkstoffe werden im Ausland produziert. 

In Berlin und Brandenburg sind derzeit hunderte Medikamente nicht erhältlich. Patienten mit Rezepten der betroffenen Arzneimittel werden in der Region und im gesamten Bundesgebiet von Apothekern derzeit immer wieder vertröstet. 

Laut Andreas Baumgärtel, Sprecher der Cottbuser Apotheken, sind etliche Standartmedikamente momentan nicht lieferbar: Blutdrucktabletten, Schmerzmittel, Entzündungshemmer, Psychopharmaka und Antibiotika. Baumgärtel zufolge müssen Patienten in Cottbus deshalb auf insgesamt etwa 280 Medikamente verzichten.

Lange Lieferzeiten und Qualitätsprobleme

Der Hauptgrund für die derzeitigen Lieferprobleme sei die Verlagerung der Wirkstoffproduktion in Länder wie Indien oder China, sagt Baumgärtel. "Es kommt dann zu langen Lieferzeiten, auch zu Qualitätsproblemen, die dann wieder zu Produktionsproblemen in Europa führen", meint der Experte. Der enorme Preisdruck unter dem die Hersteller stünden sei dafür verantwortlich.

Seit dem Jahr 2012 haben Hersteller die Möglichkeit, Lieferengpässe an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu melden. Wie die Statistik zeigt, hat sich das Problem in den vergangenen Jahren deutlich verschärft. Noch vor fünf Jahren waren Lieferprobleme laut Baumgärtel lediglich bei 30 bis 40 Arzneimitteln aufgetreten - inzwischen treten Lieferprobleme neunmal so häufig auf. 

Nicht jeder Ersatz ist geeignet

Für Patienten heißt das, sie müssen immer häufiger zu Ersatzpräparaten greifen. Doch obwohl es Apotheken in der Vergangenheit fast immer gelungen sei Ersatz zu besorgen, sei es für Baumgärtel nicht tragbar, dass der Ersatz zur Regelversorgung wird. "Manchmal vertragen Patienten aber auch nicht alle Hilfsstoffe, die in den Medikamenten verarbeitet werden. Also man kann nicht jedes Medikament gleich ersetzen", so Baumgärtel. Dass die Produktion beispielsweise wieder nach Europa verlagert wird, hält Baumgärtel für ausgeschlossen. Man werde sich vorerst auf den Mangel einstellen müssen.

Beate Mika, Inhaberin der Oderland-Apotheke in Frankfurt (Oder), riet im Gespräch mit dem rbb Kunden, sich bei wichtigen Medikamenten frühzeitig um Nachschub kümmern. Sie betonte dabei, die Engpässe seien kein regionales Problem. "Es liegt nicht daran, dass eine Apotheke in einem Bundesland nicht lieferfähig oder ein Großhandel die Ware nicht vorrätig gehalten hat." Das Problem sei, das Hersteller bestimmte Präparate nicht liefern. Für die Kunden sei das nicht nur lästig, sondern habe teils gravierende Auswirkungen. "Denn das heißt nicht: Ich habe es in zwei Tagen da, sondern ich habe es vielleicht irgendwann da. Aber genau wann und in welcher Menge wissen wir auch nicht."

Der Medikamentenmangel hat sich im gesamten Bundesgebiet verschärft. Auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag teilte die Regierung mit, dass im Jahr 2018 bundesweit 268 Medikamente von Lieferengpässen betroffen waren. 

25 Kommentare

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  1. 25.

    Eigentlich haben alle großen Pharmafirmen die Antibiotikaforschung eingestellt. Sollte ein neues Antibiotikum gefunden werden, wird dieses sofort als Reserveantibiotikum behandelt und der Verkauf dementsprechend eingeschränkt, da das Patent aber schon läuft kann es passieren, dass das Medikament erst nach dem erlischen des Patentschutz so richtig auf den Markt kommt.
    Nee hier muß die öffentliche Forschung an Antibiotika massiv gefördert werden, diese Klasse ist zu wichtig um sie Abhängig von wirtschaftlichen Erwägungen zu machen.

  2. 24.

    Ich benötige ein Schilddrüsenhormon und jedes mal, wenn ich eine Packung neu bekomme, wirkt sie anders, trotz gleichem Lieferanten. Je nachdem, welchen Arzt man dazu befragt, bekommt man die Aussage, das könne ja gar nicht sein, bis hin zu, ja, das sei total normal.
    Schilddrüsenhormone wirken bereits im µg-Bereich und sind darüber hinaus wärmeempfindlich. Eine Produktion der Ausgangsstoffe im Ausland, speziell in wärmeren Regionen, halte ich für sehr bedenklich! Die werden zwar hier endverarbeitet und kontrolliert, aber dennoch gibt es spürbare Schwankungen.

  3. 23.

    Kapitalismus ist doch eine großartige Wirtschaftsform! :-P
    Und Privatversicherte merken jetzt, dass ihre Rosinenpickerei ihnen nichts nützt, weil die Medikamente auch für sie nicht lieferbar sind.

  4. 22.

    Prima. Es ist noch nicht lange her, da mussten sich die Patienten Dank Verunreinigung etlicher Valsartane auf andere Sartane umstellen lassen. Und das mit grossen Problemen betr. Wirkung und Verträglichkeit. Auch ich bin nun schon beim sechsten Monat mit neuen Einstellungsversuchen aufgrund dieser skandalösen Sache und letztlich musste ich auf ein teures Original ausweichen, bei dem die Wirkung und Verträglichkeit eindeutig besser ist als bei den sogenannten Generikas. Allerdings muss ich den Grossteil der Kosten selber tragen . Denn die Krankenkassen lassen die Patienten hier auch im Stich.
    Solche Meldungen gehören übrigens weit grösser aufgemacht, um mehr Aufmerksamkeit zu erzeugen.

  5. 21.

    Was der Artikel nicht sagt, ist die Tatsache, dass nach einer Untersuchung im Jahre 2018 insgesamt ca. 9 MILLIONEN Packungen an Arzneimitteln in ganz Deutschland fehlten.
    Wenn im Raum Cottbus etwa 280 Artikel fehlen, bezieht sich das sicher NUR auf solche Artikel, wo einen Arzneimittel mit gleicher Stärke auch nicht beschaffbar ist!! Da müssen die Pat. eben kom,plett umgestellt werden.

    Eine sehr interessante Seite ist:

    https://list-of-shame.de

    Vertreter des Großhandels sprechen übrigens "unter der Hand" von über 2000 fehlenden Artikeln. Manche fehlen schon über Jahre!!

    Übrigens alle blicken hier auf Herrn Spahn, was ich verstehen kann. Das Problem ist aber auch der Streit um die Zuständigkeit: Wirtschafts- oder Gesundheitsminister. Jeder schiebt es auf den anderen. Und zum Schluss kümmert sich keiner.

    Dem Leser sei auch mitgeteilt, dass 75 % aller Arzneimittel, die es in deutschen Apotheken gibt, nicht mal mehr in der EU produziert werden!!!


  6. 20.

    Auch ich benötige täglich mein Medikament wegen meiner Trombozytopenie. Bin sehr gespannt, wann auch ich vom Arzt oder Apotheker zu hören bekommen, das kann ich Ihnen nicht mehr besorgen. Noch wird es in Irland hergestellt. Eine Packung mit 28 Tabletten kostet 4500,- Euro. Muß man sich mal vorstellen.

  7. 18.

    .. Dank der viel gepriesenen Globalisierung, bald in Deutschland stellt bald keiner mehr Klamotten her, keine Schuhe, keine Medikamente .. Globalisierung vernichtet hierzulande nicht nur Arbeitsplätze sondern auch das Handwerk...

  8. 17.

    "Dass die Produktion beispielsweise wieder nach Europa verlagert wird, hält Baumgärtel für ausgeschlossen. Man werde sich vorerst auf den Mangel einstellen müssen."

    Ah, eine der Lieblingsfloskeln der Blablamedien: "Sie müssen sich darauf einstellen." Dazu natürlich, auch gern von Politikern vorgetragen: "Da kann man nichts machen." Und natürlich der absolute Klassiker unserer geliebten Kanzlerin, mit der sie schon ganzen Parteien zu deren Namen verholfen hat: "Zu dieser Politik gibt es keine Alternative."

    Aber bitte, gehen Sie wählen! Und wählen Sie das Richtige! Denn Politiker sind wichtig. Auch wenn sie nichts machen können und es nur eine, alternativlose Politik gibt, auf deren Folgen Sie sich gefälligst einstellen müssen.

  9. 16.

    Dabei wäre gerade die Antibiotika-Forschung wichtig und sicher auch irgendwann rentabel - dann nämlich, wenn herkömmliche Mittel wegen massiver Resistenzen der Bakterienstämme nicht mehr wirken und diese daher wertlos werden. Aber soweit scheint die Pharma-Lobby nicht zu denken, dass einer der Hauptäste, auf denen sie sitzt, schon sehr morsch geworden ist...

  10. 15.

    Und was sagt unser Gesundheits Minister dazu?
    Wahrscheinlich wie immer, bla, bla.
    Ich habe ihm deswegen schon geschrieben, aber auch nur bla, bla.

  11. 14.

    Es ist noch viel schlimmer!!!
    Europas Pharmakonzerne forschen seit Jahren nicht mehr an Antibiotika.
    Kein Gewinn zu machen, zu teuer. Der große Knall kommt, nur eine Frage der Zeit.

  12. 13.

    Die Wirkstoffe bei der Medizin werden schon sehr sehr lange in Indien produziert, ist doch nichts neues.
    Bei Henkel und anderen Waschmitteln z. Beispiel produziert auch BASF die Basischemie dazu.

  13. 11.

    Nein - wegen der niedrigen Lohnkosten in anderen Ländern und der darauf resultierenden Gewinnmaximierung der Hersteller wird die Gesundheit der Menschen aufs Spiel gesetzt.
    Nicht die Patienten sind Schuld - die gierigen Konzernchefs und Lobbyisten, die den Politikern im Nacken sitzen.

  14. 10.

    Es gab mal eine gute Dokumentation über die Herstellung in Indien und deren Auswirkungen - hier und da. U.a. auch auf die Umwelt, die da völlig ruiniert ist. Leider weiß ich nicht mehr, welcher Sender das war.
    Seitdem nenne ich das nur noch "Dreckszeug".

  15. 9.

    Die Stoffe mögen gleich sein, aber die Botenstoffe können andere sein und bei Allergikern im schlimmsten Fall zum Schock und zum Tod führen.
    Haben die verantwortlichen Politikern so wenig Fachwissen oder sind die Menschen ihnen einfach nur egal?

  16. 8.

    Der Pharmaindustrie gehört endlich auf die profitgierigen Finger geschlagen!

    Aber wer sollte das tun? Etwa unser Gesundheitsminister Jens Spahn? Der reist lieber nach Mexico und wirbt dort Pflegekräfte an. Was soll denn das? Noch mehr Billiglohn-Abhängige in prekären Jobs?

    In keinem Bundeskabinett gab es so viele Fehlbesetzungen wie in dem momentanen. Zu nennen sind da:
    Horst Seehofer, Peter Altmaier, Annegret Kramp-Karrenbauer, Julia Klöckner, Jens Spahn, Andreas Scheuer, Svenja Schulze, Anja Karliczek, Gerd Müller, Helge Braun und Christine Lambrecht (schon mal was von letzteren Dreien gehört? Wer sind die?)Und als Sahnehäubchen natürlich unsere Bundeskanzlerin.

    Aber Hauptsache ist, die Quote ist erfüllt.

    Armes Deutschland!

  17. 7.

    Die Produktion ist doch schon seit Jahrzehnten vorrangig nach Indien verlegt worden. Indien leitet die bei der Produktion entstandenen Abwässer ungefiltert in die Natur. Das bedeutet, dass auch Antibiotika so in Umlauf gebracht werden und irgendwann sind wir alle immun gegen Antibiotika sprich: nichts wirkt mehr. Ging bereits vor Jahren durch die Medien.
    Die Wirkstoffe in Ihren Betablockern sind immer gleich. Nur weisen unterschiedliche Präparate eben unterschiedliche Aktivitäten auf. Ich musste auch auf ein Ersatzpräparat bei Schilddrüsenhormonen ausweisen. Obwohl man auch dort nicht wechseln soll.
    Herr Spahn hat damit relativ wenig zu tun, denn - wie gesagt - das ist alles nichts Neues.

  18. 6.

    " Dass die Produktion beispielsweise wieder nach Europa verlagert wird, hält Baumgärtel für ausgeschlossen. "

    warum eigentlich ? und was sagt Jens Spahn dazu ? ist doch sein Acker...

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