Verkehrsprojekte gestrichen - Nach dem Kohleausstieg soll mehr Geld in Forschung und Industrie gesteckt werden

Ein Gesetz soll den Strukturwandel nach dem Braunkohleausstieg regeln. Bereits ein halbes Jahr nach Verabschiedung haben die Kohleländer nun neue Projektideen, die gefördert werden sollen. Da es nicht mehr Geld gibt, müssen andere Vorhaben gestrichen werden. Von Rico Herkner
Die Bundesregierung und das Land Brandenburg haben sich auf neue Schwerpunkte bei der Förderung von Projekten im Strukturwandel nach dem Braunkohleausstieg geeinigt. Wie aus regierungsinternen Übersichten aus Brandenburg und Sachsen hervorgeht, soll deutlich weniger Geld für Verkehrsinfrastruktur ausgegeben werden. Dafür profitieren Wissenschaft und Forschung. Die Unterlagen liegen dem rbb vor.
Von den insgesamt 10,3 Milliarden Euro an Strukturhilfen für die brandenburgische Lausitz, sind ausschließlich die sogenannten Bundesprojekte von einer veränderten Prioritätensetzung betroffen. Das sind rund 6,7 Milliarden Euro. Der Landesarm – also in der Region in Werkstattverfahren beschlossene Projekte – umfasst 3,6 Mrd. Euro. Dieses Geld ist bislang kaum verplant.
ICE-Werk, Uniklinik und Triebwerksentwicklung gestärkt
Größter Profiteur der Neuausrichtung dürfte die Stadt Cottbus sein. Denn der Aufbau eines Universitätsklinikums sowie die Errichtung eines ICE-Werkes sind nun nach Angaben des Lausitzbeauftragten Klaus Freytag (SPD) finanziell vollständig abgesichert. Der Zeitplan zur Umsetzung der Projekte ist ambitioniert. Die Bahn hat bereits mit den Ausschreibungen der Bauleistungen für das ICE-Werk begonnen. So stehen beispielsweise 160 Millionen Euro für Straßen, Schienen und Oberleitungen auf dem Werksgelände zur Verfügung. Fertigstellung des kompletten Werks soll Ende 2025 sein.
Im Sommer will eine Expertenkommission die Skizze für eine künftige Uniklinik vorlegen. Im Gespräch sind mehr als 80 Professuren und mindestens 30 Tausend Quadratmeter neu zu errichtender Büroraum.
Die Förderung C02-freier Flugzeugantriebe will der Bund gemeinsam mit Luftfahrtkonzernen in Cottbus konzentrieren. Die Entwicklung neuartiger Flugzeugantriebe soll demnach mit rund 510 Millionen Euro bezuschusst werden.
Neu auf der Liste: Lausitz Science Park und Bundesnetzagentur in Cottbus
Das Gelände der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus wird nach den Vorstellungen von Land und Bund in einen künftigen Wissenschaftspark integriert – ganz nach dem Vorbild des Wissenschaftsparks Berlin-Adlershof. Auf dem neuen Areal planen Forschungsinstitute der Fraunhofer-Gesellschaft und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) neue Niederlassungen. 300 Millionen Euro sind dafür im ersten Anlauf eingeplant.
Langfristiges Ziel ist nach früheren Aussagen von Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) die Beschäftigung von mindestens 1.500 Forschern.
Die Bundesnetzagentur will noch im laufenden Jahr mit dem Aufbau einer Außenstelle in Cottbus beginnen. Sie soll für die Regulierung der Stromnetze und ein bessere Internetversorgung in Deutschland zuständig sein. Starten will die Behörde mit 100 Mitarbeitern.
Bundesprojekte in der Lausitz (Auszug)
- Bundesnetzagentur (Cottbus) 189 Mio Euro
- Kompetenzzentrum Elektromagnetische Felder (Cottbus) 170 Mio Euro
- DLR-Institut "next generation turbofan" (Cottbus) 366 Mio Euro
- Lausitz Science Park (Cottbus) 300 Mio Euro
- Kompetenzzentrum Klimaschutz (KEI) 120 Mio Euro
- Power to X – Anlage (Spremberg) 573 Mio Euro
- Universitätsmedizin Cottbus 1.000 Mio Euro
- ICE-Werk Cottbus 1.000 Mio Euro
- ICE-Strecke Berlin-Cottbus-Görlitz 1.600 Mio Euro
- Bahnstrecke (Cottbus-) Graustein-Kamenz-Dresden 200 Mio Euro
Weniger Verkehrsvorhaben mit Kohle-Millionen
Die zunächst umfangreiche Projektliste für neue Schienen- und Straßenverbindungen in der Lausitz wurde dagegen drastisch zusammengestrichen. Nur die rund 200 km lange ICE-Strecke Berlin-Cottbus-Görlitz ist als großes Projekt noch vermerkt. Der Bau gilt als teuer, weil alle Bahnübergänge durch Brücken ersetzt werden müssen. Ziel ist eine Fahrzeit von einer halben Stunde zwischen dem Flughafen BER und dem Cottbuser Hauptbahnhof.
Die Bahnverbindung zwischen Cottbus und Dresden soll über die bislang wenig genutzte Strecke via Spremberg und Kamenz gestärkt werden. Andere Vorhaben wurden von der Projektliste gestrichen, um Geld für Forschung und Industrie frei zu bekommen.
Gestrichene Verkehrsprojekte (Auszug)
- Bahnausbau Cottbus-Forst
- Bahnausbau Cottbus-Ortrand-Dresden
- Bahnausbau Cottbus-Leipzig
- Bundesstraße MILAU (Leipzig-Elsterwerda-Weißwasser)
- Sechsspuriger Ausbau A13 (Spreewalddreieck-Schönefelder Kreuz)
Reaktionen: Zustimmung bis Ablehnung
Für den Vizepräsidenten der IHK Cottbus, Jürgen Hampel, ist die Beschlusslage nicht nachvollziehbar. Dass geplante Strecken nun gestrichen werden, findet er nicht in Ordnung. Ganz anders die Reaktion der Bergbaugewerkschaft IGBCE. Deren Lausitzer Bezirksvorsitzende Ute Liebsch sagt, dass die neue Prioritätensetzung in Forschung und Industrie gut sei – schließlich brauche die Lausitz neue Jobs.
Mit Blick auf die gestrichenen Verkehrsprojekte sagt Lausitzbeauftragter Klaus Freytag: "Hier ist der Bund in der Pflicht. Hier muss er bezahlen – aber nicht mit unserem Kohlegeld."
Für Bundesprojekte in der brandenburgischen Lausitz sind rund 750 Millionen Euro noch nicht verplant – möglicherweise ist die Summe aber auch schon für Baupreiserhöhungen eingeplant.
Sendung: Antenne Brandenburg, 03.06.2021, 7:30 Uhr