Meinung: Contra | Schneller Kohleausstieg - "Kohle ist jetzt die einzige Alternative - ob es uns gefällt oder nicht"

Fr 02.09.22 | 15:46 Uhr | Von Andreas Rausch
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Wasserdampf steigt aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG). (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Audio: rbb24 Inforadio | 02.09.2022 | Andreas Rausch | Bild: dpa/Patrick Pleul

Schneller Kohleausstieg? Wacht auf! Wer im Moment auf dem Kohleausstieg bis 2030 beharrt, handelt ideologiegetrieben. Klar ist, Kohle ist klimaschädlich. Doch im Moment ist sie unsere einzige realistische Alternative. Von Andreas Rausch

"Schluss mit der Braunkohle! Sofort! Oder spätestens 2030!" Ach, mögen die Ausstiegsprediger doch endlich in der Realität ankommen. Seit der Kohleausstieg 2030 "idealerweise" im Ampelkoalitionsvertrag verankert wurde - im Übrigen gegen geltende Gesetzeslage - ist die Welt eine andere geworden. Der vermeintlich goldene Weg hin zur Komplettversorgung mit Erneuerbaren ist komplett zerbombt. Alte Gewissheiten sind längst pulverisiert, Energie ist ein ebenso kostbares wie teures Gut geworden.

Diverse Drops sind gelutscht

Bleiben wir bei den Fakten: Sonne und Wind, egal wieviel man davon installiert, bringen wenig bei Flaute und Bewölkung. Ihre Energie kann nach wie vor nicht industriell nutzbar gespeichert werden. Eine Industrienation wie unsere braucht aber Versorgungssicherheit, die sogenannte Grundlast sollte in der Energiewende mit Gas abgesichert werden, das Zauberwort hieß Brückentechnologie – man muss kein Pessimist sein, um zu erkennen, dass dieser Plan gründlich schiefgegangen ist.

Welche Energieträger bleiben also für den Job übrig? Öl? Auf keinen Fall! Atom? Keine Chance, der Drops ist gelutscht in Deutschland. Und damit sind wir, ob es uns gefällt oder nicht, bei der Kohle – der einzigen auch noch bei uns selbst verfügbaren Alternative.

Niemand zweifelt ernsthaft an einem Ausstieg, aber...

Es ist zweifellos so, dass Kohle der bei weitem klimaschädlichste Energieträger ist. Niemand, auch in der Lausitz, zweifelt ernsthaft an einem Ausstieg, der Strukturwandel des Reviers läuft längst. Nur wäre es in einer global unsicheren Lage wie jetzt mehr als fahrlässig, zu früh freiwillig auf Kohle zu verzichten. Bis die Verheißung vom Grünen Wasserstoff ernsthaft über uns kommt, werden noch Jahre vergehen, die Technologie ist weit davon entfernt, eine wirkliche Alternative zu sein.

Der massive Ausbau der Erneuerbaren steht im Moment vor allem auf Papier – der steigende Energiehunger ist real. Der Markt in Aufruhr, die Preise steigen schwindelerregend. Energieversorgung ist nichts für Spekulationen oder Wunschvorstellungen. Wer aus allem aussteigt, muss verlässlich irgendwo einsteigen. Wer das nicht kann und dennoch auf Ausstieg beharrt, handelt ideologiegetrieben und nicht realistisch. Und noch schlimmer: Er spielt mit dem Schicksal von Menschen. Und das wäre unverantwortlich.

Sendung: rbb24 Inforadio, 02.09.2022, 06:00 Uhr

Beitrag von Andreas Rausch

22 Kommentare

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  1. 22.

    Ohh die Ideologie weicht der Realität, wer hätte das gedacht. Wir haben ja den Energiemangel nicht wegen 16 Jahre Merkel sondern wegen 6 Monaten (jetzt schon 1 Jahr, wird ja auch täglich schlimmer)Ampel. Merkel hat NS2 nicht stillgelegt, Merkel liefert keine Waffen in ein Kriegsfgebiet und verlängert das Sterben. Merkel hat auch nicht die 7 Sanktionspakete mit getragen, die uns mehr schaden als anderen. Das war und ist alles die Ampel.
    Ja, der Altmeier hat die Energiewende ausgebremst, das ist nicht cool ABER der Grund für die Energiekriese sind die Sanktionen der Ampel. Ohne diese liefe jetzt NS2 und es gäbe kein Problem mit Energie und Rohstoffen und den Turbinen.
    Vor allem wir feuern die Sanktionen nur so raus und wenn Russland annähernd das Selbe mit uns macht ist das inakzeptabel? Klingt für mich etwas größenwahnsinnig.

  2. 21.

    Wir sollten die mit kostbarem Grundwasser gefluteten Tagebaustellen wieder trockenlegen und weiter buddeln.

  3. 20.

    Von einer Schuldzuweisung sprechen Sie!
    Nicht zu übersehen ist allerdings, dass die einseitige Orientierung auf die Autoindustrie und deren Zulieferindustrien maßgeblich von ihr getragen wurde. Das hieß, Benzin/Diesel u. na, ja die Orientierung auf Putin/Russland. Trotzdem lagen damals schon erste ernstzunehmende Daten vor, die auf den Klima-Wandel hindeuteten. So etwas kündigt sich längerfristig an. Wenn alle EU-Staaten - zerstritten wie wir sie kennen - schon 2000 den kleinsten gemeinsamens Nenner fanden u. die Wasserrahmenrichtlinie als EU-Richtlinie verabschiedet haben, dann sagt das doch alles aus! Auch das Dargebot(Novum!) ist zu schützen. Auch wenn Insider diese RL heftig kritisieren mögen, sie hat stringenter v.a. im Hinblick auf die Berichtspflichten usw. evtl. Strafzahlungen wg. Unterlassung zu werden, aber wenn damals veröffentlicht wurde, dass weit ü90% aller europäischen Gewässser in einem schlechten ökolog. Zustand sind, sagt das eigentl. sehr viel aus!

  4. 19.

    Merkel war immerhin 16 Jahre Kanzlerin der Bundesrepublik. In der Zeit wurde u.a. der rot-grüne Atomaustieg beschleunigt (alle AKW standen übrigens in unionsgeführten Länder, die durch die Bank de Dinger weg haben wollten), die deutsche Solarindustrie mit 100.000 Arbeitsplätzen zum Wohl Chinas ruiniert wie sie auch bei den WKA auf gleichem Weg gewesen ist, aber eben auch die Abhängigkeit von Putin gesteigert. Bereits 2005 hatte Putin mit dem Gashahn gespielt und 2006 seien ersten Angriffskrieg geführt. Nach der Annexion der Krim 2014 wurde Russland trotz erheblicher Bedenken der Einstieg bei den Gasspeichern, aber eben auch bei der PCK erlaubt wie auch NS2 angegangen. Spätestens zu dem Zeitpunkt war aber eigentlich klar, dass Wandel durch Handel nicht funktioniert hat.
    Medial fand das Entleeren der russ. kontrollierten Speicher sehr ein Echo. Nur hatte zu dem Zeitpunkt niemand eine solch perfide vorbereiteten Angriffskrieg auf dem Schirm gehabt.

  5. 18.

    Eben, Speicherversuche! Andere Staaten nutzen Salzkavernen als Wasserstoffspeicher schon länger. Der erste wurde vor 50 Jahren in Großbritannien eröffnet. Betreiber sind z.B. Air Liquide und Linde. Das schreiben Firmen, die Fördermittel abgreifen wollen, natürlich nicht in die Textvorschläge für die Presse, sondern stellen sich darin als besonders innovative dar.

  6. 17.

    Dass ist natürlich auch wieder so eine Verdrehung, dass Merkel angeblich Schuld habe.
    Dass die Gasspeicher leergelaufen waren, hat doch auch alle anderen nicht interessiert. Oder habe ich was verpasst?
    Ich kann mich auch nicht erinnern, dass die Grünen damals gefordert hätten, bitte mehr Gas von Putin zu beziehen.
    Und in einigen Energiebranchen wird man sich darüber insgeheim sogar gefreut haben.
    Sie wissen ja sicherlich, was Verknappung anrichtet.
    Und medial habe ich auch nichts von einem Problem gehört.
    Ursache ist wohl eher, dass den handelnden Akteuren wohl oftmals ein gewisses Gespür für die realen Probleme fehlt.

  7. 16.

    Mal wieder ein "Kommentartor/Journalist", der sich nicht die Mühe macht, aktuelle wissenschaftlich technische Literatur zu lesen, wie die Energiewende funktionieren würde, sondern lieber die guten alten "geht nicht" Phrasen ala Dunkelflaute bringt.

    Bis 2030 ist noch etwas Zeit. Langsam muss man es eben mal anpacken, aber in DE dem Land der Zauderer, Zögerer, Bedenkenträger und Fortschrittsfeinde reicht ein simples "geht nicht"....

  8. 15.

    Ja, D steht wirklich in der Breduille.Man sieht, was uns mehr als 16Jahre " Die Autoindustrie, die bringt's", beschert haben. Jedem soll klar sein, dass es nur 2 Möglichkeiten gab: Angie hat mal klug, mal betrübt geguckt u. den "Deckel drauf gehalten", und Putin, der angebl. große Sportler/angehimmelte Macho hat dafür gesorgt, dass die Gasspeicher ab Sommer 2021 kaum befüllt wurden, war ja seins quasi. Was er-warten wir eigentlich, bei diesem Unverstand der Politik, hat es Angie gewusst/gemerkt? Ja o. nein? Nun muss die Lausitz weiterhin Land, Wasser(!)u. Fläche hergeben, damit "das schwarze Gold" uns die Stuben erhellt u. den Hintern wärmt. Ich kann es nicht mehr verstehen, dass man Freude an der gewaltigen Technik hat, u. trotzdem seine Heimat abbaggert! Wo bleibt die Heimat der angekarrten Azubis? Wer die Buckelpisten südl. von Steinitz sieht, fragt sich, wie soll da wieder Wald werden? Wie? Und Wann? Und wer? Ich bin betrübt über diese Art der Rekultivierung! Desh. kein Kohlestrom!

  9. 14.

    Mir geht es um Ihre Neuland Bemerkung die sich explizit auf Brandenburg begrenzt. Das trifft in dem Sinne auf ganz Deutschland zu.

  10. 13.

    > Bis die Verheißung vom Grünen Wasserstoff ernsthaft über uns kommt, werden noch Jahre vergehen, die Technologie ist weit davon entfernt, eine wirkliche Alternative zu sein.

    Profitipp an den Autor: Bis 2030 vergehen auch noch Jahre.

  11. 12.

    Dieser Artikel ist der zweite Teil von PRO und KONTRA, also bitte genauer lesen!

  12. 11.

    Danke für diesen Kommentar! Es tut gut, hier auch mal eine „andere Meinung“ zu lesen.

  13. 10.

    Eben, Speicherversuche! Andere Staaten nutzen Salzkavernen als Wasserstoffspeicher schon länger. Der erste wurde vor 50 Jahren in Großbritannien eröffnet. Betreiber sind z.B. Air Liquide und Linde. Das schreiben Firmen, die Fördermittel abgreifen wollen, natürlich nicht in die Textvorschläge für die Presse, sondern stellen sich darin als besonders innovative dar.

  14. 9.

    "Niemand zweifelt am Ausstieg..."?? Doch. Ich zweifle. Erst wenn hier das letzte Land abgebuddelt ist, rundrum weitläufig kein Grundwasser ist, kein Regen mehr, ach ja und mit Klimawandel war auch noch was - erst dann wird mit dieser Zerstörung ein Ende sein. Aber prima, dass der RBB der Kohlelobby zu Munde spricht

  15. 8.

    "Für Brandenburg ist das aber Neuland."
    Waren Sie es nicht der die H2-Speicherversuche von EWE in Rüdersdorf erklärt hat.

    Wenn überhaupt dann ist das für ganz Deutschland technologisches "Neuland".
    Oder haben Sie noch weitere Informationen, die den Rest von Deutschland technologisch diesbezüglich besser aufgestellt sehen?

  16. 7.

    Verbrennungsemissionen von Kohle und das Endlagerproblem verdrängen - dann passt das schon erstmal - aber: das dicke Ende kommt garantiert.

  17. 6.

    Die Japaner glaubten auch, die sichersten AKW der Welt zu haben. Zumindest bis Fukushima.

  18. 5.

    Momentan ist das so das die dreckige Kohle gebraucht wird. Es sollte aber jedem klar sein,jeder weitere Tag treibt die Folgekosten weiter in die Höhe.
    Wir werden es kapieren müssen das mit dem Klimawandel nicht zu verhandeln ist.

  19. 4.

    Die braune Kohle wird als Lösung für ein kurzfristiges Problem benötigt, aber nicht für die langfristige Strategie, um der Dunkelflaute zu begegnen. Das ist weiterhin zunächst Erdgas, nur eben nicht mehr aus Russland, weil Putin bereits im Sommer 2021 mit Entleeren der von Gazprom kontrollierten Gasspeicher einen Handelskrieg zur Vorbereitung des erneuten heißen Krieges in der Ukraine begonnen hatte. Deutschland ist zu spät aufgewacht, hat aber in kurzer Zeit andere Lieferanten gefunden, so dass sich die Speicher schneller füllen als geplant - und dass noch ohne die eigenen LNG-Terminals Das will aber so mancher offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen.

    Wasserstoff wird nach und nach Erdgas verdrängen. Es wurde nur jahrelang die Energiewende verschlafen oder sogar vernunftkräftig torpediert. H2 wird schon seit Jahrzehnten in Salzkavernen gespeichert. Linde und Air Liquide betrieben solche Anlagen in anderen Staaten. Für Brandenburg ist das aber Neuland.

  20. 3.

    Zumindest die demokratischen Parteien zweifeln den Kohleausstiege bin irgendwann in die Dreißiger an. So mancher Populist und Leugner des menschgemachten Klimawandels versucht aber natürlich erwartbar, die Situation für sich auszunutzen.

  21. 2.

    Deutschland ist selber dran und Schuld und schafft sich weiter ab. Die Lösung wäre ganz einfach, AKW hochfahren. Wir haben die sichersten AKW der Welt, aber gut. In diesem Sinne - Glück Auf!

  22. 1.

    Bis auf die Aussage, dass niemand ernsthaft am Kohleausstieg zweifelt (frage mich, wie Sie darauf kommen?) insgesamt ein eher vernünftiger Kommentar.
    Ich freue mich, dass der rbb sich um Vielfalt von Meinungen bemüht.

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