Wahlkampf um Erststimmen in Neuzelle - Am Klosterteich gegen Genderwahn

So 25.08.19 | 18:00 Uhr | Von Philip Barnstorf
Landeswappen von Brandenburg mit Wahlkreuz und Stift © imago images/Christian Ohde
Landeswappen von Brandenburg mit Wahlkreuz und Stift | Bild: imago images/Christian Ohde

Lange waren die Ostbrandenburger Wahlkreise fest in der Hand der Linken. Am kommenden Sonntag könnten viele Direktmandate an die AfD gehen. Im Landkreis Oder Spree liefern sich AfD und CDU ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Von Philip Barnstorf

Sonnenlicht glitzert auf dem Wasser, Enten paddeln gemächlich, Touristen sonnen sich auf den Bänken am Ufer. In dieser Idylle am Klosterteich in Neuzelle hat Kathleen Muxel von der AfD ihren Infostand aufgestellt. „Heimat bewahren“ und „Der Osten wählt sich frei“ heißt es auf ihren Flyern. Auch werden „Masseneinwanderung“, „Ausbildungschaos“ und „Genderwahn“ beklagt. Mit derlei Brachialslogans will Muxel hier im Wahlkreis 29, zu dem neben Neuzelle auch Eisenhüttenstadt, Brieskow-Finkenheerd, Friedland und das Schlaubetal gehören, das Direktmandat bei der Landtagswahl am kommenden Sonntag gewinnen. „Mit Flyern am Gartenzaun stehen und mit den Leuten reden, außerdem Stammtische, Bürgerdialoge und Infostände - Das sind unsere bevorzugten Wahlkampfmittel“, sagt Muxel. Facebook und dergleichen schätzten die Anwohner weniger.

Direktmandat für AfD-Neuling?

Laut dem politischen Analyseportal wahlkreisprognose.de könnte ihre Strategie aufgehen. Bei den Erststimmen sieht die Seite Muxel mit 25,5 Prozent knapp vor Andreas Gliese von der CDU, der im Moment noch das Direktmandat innehat. „Die Bekanntheit der AfD-Kandidaten ist eher gering“, erklärt Valentin Blumert, der Betreiber der Seite. Die AfD werde als Marke gewählt. Da sei es nicht so wichtig, welcher Kandidat zur Wahl steht. Das scheint auf Muxel zuzutreffen. Die 47-jährige arbeitet bei einem Möbelhaus in Berlin und wohnt außerhalb des Wahlkreises in Grünheide. Seit 2016 ist sie AfD-Mitglied und seit 2017 Vorsitzende des Kreisverbandes Oder Spree.

Gemischtes Stimmungsbild

Unter den Neuzellern scheint sie nicht sehr bekannt. „Plakate, Infostände, Veranstaltungen. Das geht alles an mir vorbei. Auch Frau Muxel kenne ich nicht“, sagt ein Anwohner, der mit seinem Sohn unterwegs ist. Politik sehe generell die Probleme der Menschen nicht. Das sei schon zu DDR-Zeiten so gewesen. Auch ein weiterer Anwohner hat von Frau Muxel noch nie gehört: „Die Kandidaten sind mir nicht wichtig. Hier muss sich endlich was ändern. Deshalb wähle ich schon seit Jahren AfD mit beiden Stimmen.“ Mit dem rechten Flügel der AfD, der vom Verfassungsschutz als "Verdachtsfall" geführt wird, will er allerdings nichts zu tun haben. Eine Bäckereiverkäuferin sagt: „Ich kenne die Frau Muxel aus Fernsehen und Radio. Auch auf Plakaten ist sie zu sehen. Aber meine Erststimme kriegt sie definitiv nicht.“

Kopf-an-Kopf-Rennen

Also ein gemischtes Stimmungsbild unter den Neuzellern. Valentin Blumert von wahlkreisprognose.de sieht Kathleen Muxel zwar als Favoritin aufs Direktmandat, sagt aber auch: „Anders als in Sachsen und Thüringen liegen die Parteien in Brandenburg sehr nah beieinander bei Erst- und Zweitstimmen. Die meisten Wahlkreise sind noch offen.“ In der Tat sieht seine Prognose den CDU Kandidaten Andreas Gliese bei 23,5 Prozent nur zwei Prozent hinter Muxel. „Kandidaten, die schon bei der letzten Wahl angetreten sind und etwa ein Direktmandat gewonnen haben, profitieren davon häufig“, sagt Blumert. Das würde für Gliese sprechen. Schon bei der Landtagswahl 2009 trat er als Direktkandidat der CDU an. Damals unterlag er Helga Böhnisch, die die damals noch ungebrochene Vorherrschaft der Linken mit 33 Prozent der Erststimmen verteidigte. Bei der vergangenen Landtagswahl 2014 gewann er schließlich das Direktmandat vor SPD, Linken und AfD.

Mit Pragmatismus gegen Wählerschwund

Rückt der Wahlkreis dieses Jahr also noch weiter nach rechts? Der 51-jährige Gliese will das verhindern. „Die Akzeptanz von Politik verbessern, das ist mein Ziel bei allem, was ich mache“, sagte er bereits im vergangenen Jahr. Er wolle zuhören, abwägen und für die besten Lösungen kämpfen. Für Gliese geht es um viel. Nach den Querelen um die Landesliste von CDU Spitzenkandidat Senftleben steht er nur noch auf Listenplatz 43. Nach aktuellen Hochrechnungen kann die CDU aber nur mit ungefähr 20 Sitzen im Landtag rechnen. Auch für Muxel auf Landeslistenplatz 22 könnte es ohne Direktmandat knapp werden. Das heißt also für beide noch eine Woche Hände schütteln und Flyer verteilen.

Beitrag von Philip Barnstorf

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