Interview | Beobachter beim Klimagipfel in Madrid - Professor Reimund Schwarze an der Europauniversität "Viadrina"

Mi 04.12.19 | 11:51 Uhr | Von Bärbel Lampe
Prof. Reimund Schwarze; Umweltökonom (Quelle: EUV)
Audio: Antenne Brandenburg | 04.12.2019 | Bild: rbb (EUV Heide Fest)

Professor Schwarze ist am Mittwoch zum Klimagipfel nach Madrid abgereist. Als Beobachter stellt er den sogenannten Viadrinaansatz in den Mittelpunkt seines Aufenthaltes. Er sagt: "Das bedarf Protesten auf der Straße, aber auch der Einübung von Diplomaten in solchen Prozessen."  

rbb|24: Herr Schwarze, etwa 20.000 Vertreter aus mehr als 190 Staaten beschäftigen sich damit, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Sie werden das Ganze beobachten: Meine Erfahrung: Es ist ja manchmal schon schwer, dass Menschen mit verschiedenen Ansichten, Meinungen im Dialog oder in kleinem Kreis einander zuhören oder verbal respektvoll aufeinander eingehen- Wie sieht das denn bei 20. 000 Delegierten aus?

Das sieht so aus, dass da Diplomten sitzen und verhandeln, die lange Übung haben, im respektvoll miteinander umzugehen, auf Worte zu achten und sich zurückzunehmen. Das ist, ich sage mal, für 189 von 190 Länder der Fall. Das muss man einüben. Das machen wir deshalb auch in der Europauniversität "Viadrina" mit den Studierenden. Ich gehe mit dem sogenannten -Viadrinaansatz- hierhin. Das bedeutet, diese Prozesse zu verstehen und respektvoll miteinander zu verhandeln. Das bedarf Protesten auf der Straße, aber das bedarf auch der Einübung von Diplomaten in solchen Prozessen.

Nun sind sie ab Donnerstag in Madrid dabei- deshalb vorher einen Exkurs ins Regionale: Die Wirtschaft, und das ist politisch gewollt, ist auch in Brandenburg auf Wachstum ausgerichtet-Es gibt in unserer Region wirtschaftliche Ansätze, die vom Umdenken hin zu umweltverträglicher Produktion zeugen

Tesla will klimaneutral SUV in Grünheide, Landkreis Oder-Spree, produzieren, mit regional erzeugter regenerativer Energie. Diese Autos des amerikanischen Herstellers werden E-Batterie betrieben laufen. Wie werten sie als Umweltökonom diese Industrieansiedlung?

Zunächst muss man mal sagen, das Programm für Brandenburg ist geboren aus einer Initiative in den Kohlerevieren Ostdeutschlands, den Strukturwandel zu befördern. Das kostet einiges, etliche Milliarden, die dort aufgelegt wurden. Aber es nutzt auch, in dem wir aus den letzten Kohlerevieren und Kohleverbrennungsmaschinerien aussteigen. Die E-Batterie und das SUV sind natürlich ein Reibepunkt für viele sicher auch, weil der Verbrennungsmotor ja als Ganzes zur Diskussion steht und nicht nur das, sondern der gesamte Individualverkehr. Nun bin ich lange genug auch im Land unterwegs. Ich weiss, dass es eben schwierig ist. Auch heute ist es noch schwierig. Acht von neun Autos der Landesregierung im Landesbetrieb sind ja keine vollständigen E-Autos. Insofern ist eine E-Auto-Produktion in Brandenburg erstens eine wichtige Maßnahme zum Ausstieg aus der Kohle. Das nützt viel in Richtung Umwelt und zweitens ein Einstieg in die E-Mobilität, wo wir ja schwer hinterherhinken bei der Entwicklung. Insofern begrüße ich das. Dass es dabei nur um SUV geht ist ein bisschen einseitig gewertet. Wir brauchen sicher eine Denke, die weit hinaus geht über den Individualverkehr und zwar den ländlichen Individualverkehr. Ich denke auch, dass man in Brandenburg mehr in Richtung E-Mobilität im öffentlichen Verkehr geht-Busse umzustellen auf umweltfreundliche Energieversorgung-. Das muss ein ausgewogener Mix sein, aber Tesla gehört in dieser Situation, wo wir drastische Umbrüche brauchen dazu, sonst kommen wir nicht voran.

Wir berichten über Industrieansiedlungen in der Region, die umweltverträgliche Kaffeekapseln herstellen für individuelle Kaffeemaschinen im Kleinstverbrauch. Ist die wirtschaftliche Entwicklung zu feiern?

Ich selber bin ein ganz traditioneller Kaffeetrinker, zumeist eigentlich Teetrinker, aber in jedem Fall nicht ein Kapselkaffeetrinker. Ich sehe das alles als Fortschritt. Ich wurde auch gefragt nach dem ökologischen Fußabdruck einer solchen Großveranstaltung in Madrid und habe geantwortet. Ja, wir brauchen sie. Das persönliche ZUsammentreffen ist wichtig. Ab es ist nicht nur die Frage, dass wir es brauchen, sondern wir können das auch umweltfreundlicher machen und wir sehen, dass es zum Beispiel von Paris bis jetzt nach Madrid deutlich günstiger geworden ist, mehr getan wird in der Richtung. In diesem Sinne einer schrittweisen Verbesserung des Notwendigen bin ich auch für die Kaffeekapseln, obwohl ich kein Kaffekapselnutzer und-freund bin.

Bauern, auch aus der Region, fahren nach Berlin um sich gegen Beschränkungen von Pestizideinsatz auf Feldern zu wehren. Wirtschaftlich mag der Einsatz gerechtfertigt sein, aber in Einklang mit der Natur steht der eben nicht. Das sind nur drei ganz aktuelle regionale Beispiele- In welcher Weise finden diese Entwicklungen Eingang in ihre wissenschaftliche Arbeit?

Ich war Anfang dieses Jahres bei den Bauern und zwar mehrfach. Es gibt einen Verband der Produktionsgenossenschaften in Sachsen-Anhalt. Ich habe dort mehrfach mit bis zu einhundert Zuhörern aus dem Bereich der Landwirtschaft zu tun gehabt. Was habe ich dort gelernt. Erstens, dass es um Respekt geht. Respekt muss man auch lernen im Umgang mit Interessengruppen wie den Landwirten. Der hat vielfach zuletzt gefehlt. Deshalb protestieren sie. Sie sehen durchaus selber die Probleme und die sehen die Herausforderung, aber möchten auch anerkannt sein, dass sie eigentlich die Träger der günen Idee sind. Und ich bin heute der Meinung, dass diese Proteste jetzt gerechtfertigt waren. In der Politik brauchen wir eben mehr Diplomatie im Umgang mit den Bauern. Wenn das jetzt erreicht wurde, dann wird man auch mit ihnen über eine Reduktion des Pestizideinsatzes reden können.

Pünktlich zum Klimagipfel gibt es Ergebnisse über die Konzentration der Klimakiller in der Atmosphäre. Weltweit hat also der Kohlendioxid-anteil in der Luft deutlich langsamer zugelegt als in Jahren davor. Dennoch sind die CO2 Konzentrationen so hoch, wie zuletzt vor drei bis fünf Millionen Jahren. Wie gehen sie mit solchen Ergebnissen um?

Das ist eine Entwicklung, die ich jetzt lange beobachte. Wir haben eigentlich nur Zuwächse gehabt. In der Tat ist dieser Wendepunkt, den gerade die Jugendlichen einklagen, weltweit nicht erreicht worden. Vieles ist nur erreicht worden, indem es verlagert worden ist in andere Länder, beispielsweise lange Zeit nach China. Also diese Prozesse haben eine gewisse Langsamkeit, das muss ich schon sagen. Sie verlangen einem viel Geduld ab. Die Antwort darauf ist, wir können nur diesen Prozess, der seine eigenen Zeitabläufe und Gesetzmäßigkeiten hat, beachten. Es hat auch keinen Sinn, sich zu radikalisieren und Blut zu verspritzen. Das wird in diesen Verhandlungen nichts nützen. Das kann ich ihnen definitiv vorhersagen. Ich sehe es, wie sie angedeutet haben, sind wir denn in der Intensität wenigstens gesunken. Und tatsächlich sind die Zuwächse verlangsamt und die Produktion stellt sich langsam um. Ich selber denke, wir brauchen vor allem überzeugende Beispiele, die von denen wir wissen, dass sie nicht nur von viel Geld getragen werden, sondern, dass sie tatsächlich auch armen Ländern zum Durchbruch helfen. Die Erneuerbaren sind eine Erfolgsgeschichte sondergleichen, niemand hat sie erwartet. Wenn ich da sehe, wie die Zuwächse sind, bleibe ich hoffnungsvoll und das ist die Haltung, mit der man in solche Verhandlungen hineingehen muss.

Nun sind sie Beobachter in Madrid. Es gibt aber verschiedene Umweltprojekte junger Menschen, deren Teilnehmer Petitionen an die Gipfelteilnehmer senden. Darunter Vorschläge, die meist ziemlich radikale Umweltmaßnahmen fordern, um die Erderwärmung zu stoppen. Dabei sind Studierende aus Brandenburg, eben auch von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Ebrswalde. Wie werden diese Stimmen in Madrid wahrgenommen?

Greta Thunberg ist in Madrid. Die Stimmen der jungen Leute wurden schon fast zwanzig Jahre lang gehört. Es gab immer Jugenddelegierte, die auch in den Verhandlungen mitsitzen dürfen. Insofern ist das jetzt also keine Innovation. Ungeduld verstehe ich, sie ist kein guter Berater für diplomatische Verhandlungen, ist meine Erfahrung. Andererseits, wenn man, wie mit allen Interessen respektvoll umgehen will, dann muss man eben auch mit anerkennen, die Jugendbewegung ist wichtig. Sie trägt das Interesse zukünftiger Generationen, wer denn sonst. Sie müssen daher auch gehört werden in diesen Verhandlungen und sie haben eine Menge bewegt in den letzten zwei Jahren. Insofern sehe ich, dass sie es voran gebracht haben, aber ich weiss auch, dass sie nur im Kanon der vielen eine Stimme sind.

Das Interview führte Bärbel Lampe.

Beitrag von Bärbel Lampe

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