Interview | Landrat Oder-Spree Rolf Lindemann - "Der Tesla-Zeitplan ist nicht unrealistisch"

So 12.01.20 | 16:51 Uhr
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Rolf Lindemann, Landrat im Landkreis Oder-Spree
Bild: rbb

Im Landkreis Oder-Spree gibt es zu wenig Ärzte. Gleichzeitig plant Tesla eine Gigafabrik mit tausenden Arbeitsplätzen. Im Interview spricht Landrat Rolf Lindemann über die Herausforderungen für 2020.

rbb: Herr Lindemann, wie sehen Sie die ärztliche Versorgung in Ihrem Landkreis? Es fehlen ja Hausärzte und Hebammen.

Rolf Lindemann: Die Situation spitzt sich zu. Das haben wir auf dem Schirm. Wir haben ja nicht umsonst extra ein Dezernat ausgeprägt, was sich mit der Zukunft des ländlichen Raums beschäftigt. Das heißt, wir werden die ärztliche Versorgung und die Versorgung im Pflegebereich dort mit entsprechender Aufmerksamkeit versehen und wir haben auch schon ganz konkrete Maßnahmen ergriffen, um Ärztenachwuchs zu gewinnen.n Wir reichen ein Stipendium aus zusätzlich zum Landestipendium und versuchen konkrete Ansätze zu finden, um junge Ärzte und Medizinstudenten an unsere Region zu binden.

Im November ist bekannt geworden, dass Tesla sich in Grünheide ansiedeln will. Was hat sich in dieser Zeit für den Landkreis verändert?

Auf den Landkreis wird sicherlich einiges an administrativer Herausforderung zukommen. Das Ereignis an sich ist erst einmal fast ein Weihnachtsgeschenk und so betrachten wir das auch. Aber wir müssen unsere Hausaufgaben machen. Wir sind in die Task-Force einbezogen und werden uns täglich mit neuen Fragen und Herausforderungen beschäftigen müssen. Das hängt im Moment davon ab, welche Planungen uns Tesla auf den Tisch legt. Das Genehmigungsverfahren wird ja federführend vom Landesumweltamt geführt. Wir sind aber mit unseren unteren Behörden dort einbezogen und müssen uns auch personell so aufstellen, dass wir zügigst liefern können.

Wie oft haben Sie Kontakt zu Tesla?

Ich persönlich bin nicht im Kontakt mit Tesla. Ich bin ja wie gesagt in die Task-Force einbezogen. Aber unterhalb der vom Ministerpräsidenten persönlich geleiteten Taskforce gibt es natürlich Arbeitsgruppen und dort ist mein erster Stellvertreter einbezogen. Die Details im Genehmigungsverfahren, die dort zur Sprache kommen, werden von ihm bearbeitet und wir haben spiegelbildlich in unserer Verwaltung eine entsprechende Arbeitsgruppe ausgebildet, sodass wir immer auf der Höhe der Zeit sind und uns mit den Fragen beschäftigen, die gerade diskutiert werden. In der nächsten Woche werden wir zudem mit den berührten Gemeinden an einen Tisch kommen und werden klären inwieweit wir jetzt auch Forderungen erheben müssen nach der Ausweisung von Bauflächen. Das ist uns im Moment aufgrund der gemeinsamen Landesplanung noch etwas restriktiv vorgegeben. Wir wollen da eine Öffnungsklausel haben, denn da stehen zwei Dinge im Widerspruch: Tesla wird um die 4000 Mitarbeiter im Drei-Schicht-Betrieb beschäftigen und das führt dazu dass wir verkehrliche Infrastrukturprobleme kriegen.

Was muss den infrastrukturell getan werden, wenn Tesla kommt?

Es muss einiges getan werden, denn wir kommen in ein Zeitfenster, in dem auf der einen Seite der BER ans Netz geht und auf der anderen Seite das Baugeschehen in Grünheide bei Tesla seinen Höhepunkt hat. Die Dinge hängen einfach zusammen. 4000 Bedienstete jeden Tag zu drei verschiedenen Zeiten ein- und auspendeln zu lassen - Das verlangt Enormes an verkehrlicher Infrastruktur. Wir sind im Raum Erkner und Neu Zittau ohnehin schon sehr belastet, sodass wir hier Lösungen schaffen müssen, die sich verkehrsentlastend auswirken. Man kann auch von einer anderen Seite an das Problem herangehen, nämlich durch die Ausweisung weiterer Wohnbauflächen und die Schaffung von Wohnungen.

Wie weit geht dieser Radius, in dem sich infrastrukturell etwas ändern muss? Betrifft das auch andere Landkreise?

Das ist richtig. Insofern werden wir uns mit den Kollegen in Märkisch-Oderland, etwa Landrat Gernot Schmidt, über diese Entwicklung unterhalten. Diese Ausstrahlung wird nicht an den Landkreisgrenzen haltmachen, sondern sich wahrscheinlich bis nach Polen ausweiten. Je nachdem wie die Infrastruktur aufgestellt wird, werden wir erleben, dass die Verkehrsströme sich entsprechend entwickeln. Und ich gehe davon aus, dass gerade Frankfurt (Oder) ein bevorzugter Wohnstandort sein wird und man hier ja auch die entsprechenden Flächen zur Verfügung hat, sodass auch diese Stadt enorm von der Tesla-Ansiedlung profitieren wird.

Gehen Sie davon aus, dass diese angepeilten anderthalb Jahre für den Fabrikbau zu schaffen sind?

Das ist ja nicht unrealistisch und ist in den Vorgesprächen schon durchdekliniert worden. Das funktioniert. Aber dazu ist es notwendig, dass alle sich so verhalten wie das vorgezeichnet ist, damit wir die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen können. Dieses Verfahren wird sehr penibel anhand des Gesetzes durchgeführt werden müssen. Niemand kann das Risiko eingehen hier irgendwelche formalen Fehler zu begehen.

Was sind Ihre Wünsche und Erwartungen für das Jahr 2020?

Ich erwarte, dass der Tesla-Prozess uns in ganz neue Diskussionen verwickeln wird, dass wir daran auch mental wachsen werden, dass wir sehen, wie eng die Verbindung zwischen der kulturellen Ausgestaltung unseres Landstrichs und dem wirtschaftlichen Fundament ist, dass wir wieder den Zusammenhang zwischen Wertschöpfung und Wohlstand sehen. All diese Dinge sind natürlich auch irgendwie Eingriffe und da müssen wir diskutieren: Welchen Aufwand und welchen Eingriff muten wir uns zu und welchen gesellschaftlichen Nutzen haben wir auf der anderen Seite? Ich bin dafür, dass man das mit den Bürgern offen diskutiert, dass man da Transparenz schafft, damit sich niemand übergangen fühlt sondern alle sich mitgenommen fühlen.

5 Kommentare

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  1. 5.

    Tesla wurde allein in Brandenburg verschiedene potentielle Standorte angeboten. Dazu kommen noch unzählige andere in Deutschland und dem EWR.

    Dank der den Standort umgeben enden Kiefernmonookulturen werden nebenbei die Menschen weniger belästigt als wenn man auf freier Fläche bauen würde. Viele Auto für den Mittel- und Westeuropäischen Markt werden übrigens auch in den ehemaligen Ostblockstaaten produziert. Das Argument, dass die Verbindung gen Westen in Westbrandenburg besser ist, ist an den Haaren herbeigezogen. Über lange Strecken werden in größerer Stückzahl produzierte PKW übrigens auf Zügen transportiert. Die Autobahn ist für die Erschließung der Märkte in West- und Südeuropa deshalb kein Argument.

  2. 4.

    Dass Tesla weitere Vorabgenehmigung bekommen hat, kann man auch bei RBB nachlesen. Wohlwollend formuliert irren Sie sich aus Uninformiertheit bzgl. der Reptilien, da deren Habitate wie geplant geschützt worden sind. Sie haben unterschlagen, dass es eine gültigen B-Plan gibt. Dadurch erübrigt sich die rhetorische Frage zum Bau an der Stelle. Bekanntlich ist zudem das Industriegebiet auch in der Verordnung zum Wasserschutzgebiet berücksichtigt worden. Klären Sie uns bitte auf: Welche Dieselfahrverbote gibt es dort? Ihr Schüren von Angst vor Menschen mit ausländischen Pässen ist ebenso bezeichnend wie das des angeblichen Grünheiders. Gemeinsam ist Ihnen z.B. auch, dass Sie gerne in Kiefernmonokulturen an der Autobahn spazieren gehen.

  3. 3.

    Hallo liebes rbb Team. Ist jetzt mit der Corona Krise alles gelaufen? Darf Tesla nun ungehindert weiter Tatsachen ohne Baugenehmigung schaffen? Warum wird nicht weiter darüber berichtet? Warum durften die geschützten Eidechsen schon “abgebaggert“werden? Warum darf in Wasser und Landschaftsschutzgebieten eine Giga Fabrik gebaut werden? Das vertrauen in die Politik ist für mich endgültig dahin. Der wichtigste Termin für die viel zu späte Beteiligung der Betroffenen Anwohner findet nicht statt. Warum wird keine Klarheit darüber geschaffen, das es kein normaler Kiefernforst mehr ist? Zählt Geld und Macht also doch mehr, als der ständig vorgegaukelte Umweltschutz? Und was nützen Diesel Fahrverbote, wenn unsere internationalen Gäste aus dem Osten fröhlich ihren Arbeitsplatz bei uns besuchen? Wie viele es jetzt schon sind, sieht man an den jetzt leeren Einfallstrassen aus Richtung Ost. Findet einen sinnvolleren Platz für Tesla!!!

  4. 2.

    Wir in Brandenburg an der Havel, hätten auch gerne so eine grosse Industrieansiedlung mit tausenden Arbeitsplätzen. Bei uns sind auch tausende Arbeitsplätze seit der Wende weggefallen. Autobahnanschluss ist vorhanden, Wohnraum ist auch genug da und Fachkräfte auch. Da hätte bei der Tesla-Ansiedlung, auch mal Richtung Westbrandenburg geschaut werden müssen. Westbrandenburg, hat genug landwirtschaftliche Flächen die als Industriestandorte genutzt werden könnten. Da würde es dann keinen Menschen belästigen. Von Westbrandenburg aus, kann man dann nicht nur, die Osteuropäischen Märkte erschliessen, auch die Autobahnen nach West-Nord-und Süddeutschland/Europa sind gut erreichbar.

  5. 1.

    Guten Tag Herr Landrat, auch Sie waren mal ein ganz normaler Bürger-ohne Parteibuch. Was Tesla da geplant hat ist uns viel zu spät mitgeteilt worden. Es ist schon vieles richtig was Sie da so schreiben lassen. Einkömmliche Arbeitsplätze für Brandenburger Bürger sind dringlich u. wichtig. Tesla buhlt um polnische Arbeitskräfte; was haben wir davon ? Fördermittel wünschen die auch noch; das sind unsere Steuergelder. Unser Wald, unser Wasser - zu wertvoll für ein Amibetrieb, der auf eine Industriebrache gehört - man hat doch nach 1990 so viel platt gemacht. Alles vergessen ?

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