Interview | Viadrina-Studenten aus dem Iran - "Die iranische Regierung ist nicht die Bevölkerung"

Fr 10.01.20 | 00:45 Uhr
Viadrina Student Javad Mousivand (28) im rbb-Studio Frankfurt (Oder) (Quelle: rbb/Philip Barnstorf)
Bild: rbb/Philip Barnstorf

Während sie in Frankfurt (Oder) studieren, steuert ihr Heimatland vielleicht gerade in einen Krieg. Im Interview sprechen zwei iranische Studenten der Viadrina-Universität darüber, was der Konflikt mit ihrem Alltag macht.

Javad Mousivand studiert an der Viadrina Wirtschaft und belegt Deutschkurse. Der 28-Jährige ist als Asylbewerber aus dem Iran nach Deutschland gekommen. Seine Familie lebt nach wie vor dort.

rbb: Herr Mousivand, wie siehen Sie den Konflikt zwischen den USA und dem Iran?

Javad Mousivand: Der Konflikt hat mit dem Tod von General Soleimani begonnen. Für mich ist er ein Terrorkommandeur. Das einzige, was Solaimani in der Region gemacht hat, waren terroristische Angriffe. Auch im Iran, wo er nach Ali Chamenei der mächtigste Mann ist, hat er viele Menschen auf dem Gewissen. Ich denke, die USA hatten das Recht ihn zu töten, wegen seiner terroristischen Taten.

Sie wohnen und studieren in Deutschland. Betrifft Sie der Konflikt auch hier?

Ich mache mir Sorgen, weil meine Familie im Iran ist. Mein kleiner Bruder, meine Mutter, meine Schwester sind alle im Iran. Wenn es zum Krieg kommt, wäre das schlecht für sie und für alle Iraner überall in der Welt. Aber das Verhalten der islamischen Regierung macht aus der Situation einen Krieg. Sie haben die Amerikaner angegriffen. Bisher war Trump geduldig und das war gut. Aber jetzt weiß man nicht, was passieren wird.  

Wie wirkt sich der Konflikt in Ihrem Alltag aus, etwa bei Ihrem Aufenthaltsstatus?

Ich als Iraner bin gegen das System dort und auch gegen die Angriffe auf die Amerikaner. Deshalb musste ich mein Heimatland verlassen. Ich war dort nicht mehr sicher. Hier habe ich um Asyl gebeten und bin jetzt hier als Flüchtling.

Wie sollte sich Deutschland in dem Konflikt verhalten?

Deutschland sollte nicht mit dem brutalen Regime im Iran verhandeln. Ich erwarte, dass Deutschland genau wie die USA die Sanktionen gegen den Iran verstärkt. Dabei sollte nicht nur günstiges Öl eine Rolle spielen.

Shayan, 28 Jahre alt, stammt ebenfalls aus dem Iran. In Frankfurt (Oder) studiert er Recht und Politik im fünften Semester. Seinen Nachnamen möchte er nicht verraten.  

rbb: Wie sehen Sie den Konflikt zwischen den USA und dem Iran?

Shayan: Das alles hat schon viel früher angefangen, als der Shah im Iran noch an der Regierung war. Da gab es gute und schlechte Seiten. Durch die Revolution, die von den Amerikanern unterstützt wurde, kam das neue Regierungssystem der islamischen Republik zustande. Seitdem benimmt sich die iranische Regierung daneben, mal einfach gesagt. Dass wir in dieser Woche kurz vor einem Krieg standen, ist von beiden Seiten verschuldet. Aber die iranische trägt eine größere Verantwortung. Viele Menschen in Iran, Syrien, Irak, Afghanistan sehen den getöteten Soleimani als Helden. Im Iran vereint das die Menschen hinter dem System. Viele Menschen, die früher gegen die Regierung demonstriert haben, unterstützen sie jetzt, weil sie Angst haben, dass ein Krieg das Land zerstören würde.  

Machen Sie sich ernsthaft Sorgen, dass es zum Krieg kommt?

Ich mache mir auf jeden Fall Sorgen. Aber ich glaube auch, dass die iranischen Raketenangriffe genau kalkuliert waren.  Die Regierung im Iran hat vorher die irakische Regierung informiert, die wiederum die Amerikaner gewarnt hat, sodass sich deren Soldaten in Sicherheit bringen konnten. Dadurch ist niemand zu Schaden gekommen. Nur die iranische Regierung behauptet, dass 80 Menschen getötet wurden. Aber das ist Strategie, um vor der eigenen Bevölkerung Stärke zu demonstrieren. Hätte die iranische Regierung jemanden töten wollen, hätte sie das gekonnt.

Hat der Konflikt konkrete Auswirkungen auf Ihr Leben?

Auf jeden Fall, denn meine ganze Familie lebt im Iran: meine Eltern, meine kranke Schwester, die medizinische Hilfe braucht. Durch die Sanktionen bekommt man ihre Medikamente nicht mehr. Man kann sie nur noch auf dem Schwarzmarkt zum zehnfachen Preis kaufen.

Gibt es jetzt Schwierigkeiten in Ihrem Alltag? Etwa bei der Eröffnung eines Bankkontos oder beim Visum?

Ich weiß zum Beispiel, dass ich von der Deutschen Bank keine Kreditkarte bekommen kann. Nach deren Meinung darf ich im Rahmen der Sanktionen als Iraner keine Kreditkarte erhalten. Ich finde das übertrieben. Ich hab mir Bonität hart erarbeitet. So werde ich wegen des Konflikts benachteiligt. Außerdem kriege ich kein Geld von meinen Eltern im Iran. Wir haben Angst, dass mein Konto gesperrt wird, wenn Geld aus dem Iran eingeht. Dann wäre unser hart erarbeitetes Geld weg.

Was erwarten Sie von Deutschland in dem Konflikt?

Deutschland sollte mehr für die Menschen im Iran tun. Es sollte weniger verallgemeinert werden. Die Regierung ist nicht die Bevölkerung. Durch die Sanktionen der USA leiden die Menschen vor Ort. Alles ist teurer geworden. Man kann sich kaum etwas leisten. Die Menschen, die ein gutes Leben hatten, leben teilweise inzwischen am Existenzminimum. In meiner Familie müssen wir zum Beispiel Sachen verkaufen, um die Medizin für meine Schwester bezahlen zu können.

Die Interviews führte Negin Behkam.

Sendung: Antenne Brandenburg, 13.1.2019.

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