Frankfurts OB René Wilke antwortete auf Hörerfragen - Kulanz bei Schulden, Abitur trotz Grenzschließung

Mi 15.04.20 | 15:46 Uhr
Frankfurts Oberbürgermeister René Wilke zu verstärkten Maßnahmen gegen das Corona-Virus
Bild: rbb

Müssen Mieter, die ihr Einkommen verlieren, um ihre Wohnung fürchten? Können polnische Schüler in Frankfurt trotz der Grenzschließung Abi machen? Oberbürgermeister Rene Wilke stand heute bei Antenne Brandenburg Rede und Antwort.

Frankfurts Oberbürgermeister Rene Wilke von der Linken antwortete zunächst auf die Frage nach dem veränderten Alltag als Oberbürgermeister.  Die Vielzahl von Telefonkonferenzen, der Mangel an persönlicher Begegnung sei durchaus mühsam, räumte er ein. Verändert habe sich auch die Öffentlichkeitsarbeit. "Das Erklären und Vermitteln von Entscheidungen und  Abwägungen, die Leute mitzunehmen, damit sie wissen, warum welche Dinge getan werden, das nimmt viel Kraft und Zeit ein."

Glück gehabt bei Infektionen

Dass Frankfurt die kreisfreie Stadt in Brandenburg mit den wenigsten Corona-Fällen ist, sei zum Teil Glück gewesen, hieß es auf eine Frage. Infektionsausbrüche im Klinikum, an einer Schule oder in einem Restaurant seien sehr schnell gefunden und isoliert worden. "Das hätte auch ganz anders laufen können", sagte der Oberbürgermeister. Andererseits reklamiert Wilke für sich und sein Team jedoch auch, vieles richtig und rechtzeitig gemacht zu haben. Friseur- und Kosmetikläden zum Beispiel wurden schon geschlossen, als sie im Rest des Landes noch tagelang offen waren.  Zudem hätten sich die Frankfurter vorbildlich an die Verordnungen gehalten. "Man kann ihnen gar nicht genug dafür danken", sagte René Wilke.

Mehrere Hörerinnen fragten nach einem Zeitplan oder nach Informationen für Schulöffnungen. Darüber würde allein das Land entscheiden, stellte Wilke klar, auch wenn die Stadt in den meisten Fällen Schulträger sei, ihr also die Gebäude gehören.  Er könne sich nicht vorstellen, dass schon alle Schulen in der nächsten Woche ans Netz gehen. "Wenn, dann die, die sich am wenigsten selbst unterrichten können."

Notlösung für polnische Gymnasiasten

Die polnischen Abiturienten in der Stadt sollen auf jeden Fall ihre Prüfungen ablegen können. Das wurde unmittelbar vor dem Antenne-Gespräch auf einer Videokonferenz zwischen Wilke und seinem Slubicer Amtskollegen Olejniczak vereinbart. "Dafür gibt es jetzt eine Notlösung. Wir haben eine Unterbringung in Internaten vereinbart. Wir würden die Essensversorgung wieder hochfahren und für Einzelzimmer und Abgrenzung sorgen." Allerdings müssten die Schüler dann für vier Wochen in der Stadt bleiben. Wegen der Quarantäne-Festlegungen sei keine Heimreise möglich. Statt dieser Notlösung würden beide Bürgermeister lieber eine Ausnahmeregelung für den Grenzübertritt erreichen. Aber das könne nur in Warschau entschieden werden.

Flexible Anpassung bei Bus und Bahn

Eine Hörerin fragte nach Sicherheitsabständen in Bussen und Bahnen. Mit der Stadtverkehrsgesellschaft wurde die Umstellung auf den Ferienfahrplan vereinbart. "Dann aber stellte sich heraus, dass manche Linien doch stark frequentiert sind, etwa die nach Markendorf zum Klinikum. Daher wurde diese Linie wieder verstärkt", sagte René Wilke. "Wir versuchen es jetzt mit einem Mittelweg zwischen Kürzung und Normalbetrieb."  Wenn es zu eng wird, könne man flexibel reagieren.

Größere Familienfeiern seien im Moment nicht erlaubt, reagierte Wilke auf mehrere Hörerfragen. Vielleicht gebe es in nächster Zeit Lockerungen. Aber es sei sehr unwahrscheinlich, dass in den nächsten Wochen und Monaten Veranstaltungen mit 30 oder 50 Teilnehmern stattfinden könnten. "Können wir noch Jugendweihe feiern?", fragte eine Hörerin. Wilke: "Wahrscheinlich nicht in der Form, wie wir es gewohnt sind."

Stadtverordnete sollen noch diesen Monat wieder tagen

Eine Hörerin fragte, wie sie Kontakt zu ihrer Mutter aufnehmen kann, die im Krankenhaus liege, nicht besucht und nicht telefonisch erreicht werden könne. Wilke riet, auf der Station selbst anzurufen, sich dort zu erkundigen und dort bei Bedarf ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt zu vereinbaren.

Eine Hörerin wollte wissen, wie sich die Stadtpolitik denn jenseits von Corona organisiert. Man nutze die Zeit vor allem für konzeptionelle Arbeit, erklärte Wilke. Zum Beispiel zur Fortschreibung des Stadtentwicklungskonzepts. Zudem werde am Haushalt gearbeitet und an der Jahresabrechnung, würden Bauanträge bearbeitet. Mit den Stadtverordneten-Fraktionen gebe es Schaltkonferenz. Ende April soll wieder eine reguläre Sitzung des Stadtparlaments stattfinden.

Eine Hörerin fragte nach der Einhaltung von Mindestabständen in Firmengebäuden, etwa Callcenter. Die Erwartung, dass die Stadt dies regeln könne, sei nicht realistisch sagte Wilke. Auch er hätte allerdings von Schwierigkeiten in Callcentern gehört. Der Arbeitsschutz verpflichte klar die Arbeitgeber. Wo das nicht klappt, habe Wilke schon mehrfach empfohlen, sich an Betriebs- und Personalräte zu wenden.  Seines Wissens hätte sich die Lage dort verbessert.

Die Stadt als kulante Gläubigerin

Auf die Frage, wie städtische Betriebe als Gläubiger reagieren, antwortete Wilke: "So kulant wie möglich. Wir machen als Stadt Steuerstundungen möglich. So macht es auch die Wohnungswirtschaft mit Gewerbemieten. Wir müssen Maß und Mitte halten, damit die Existenznot nicht noch vergrößert wird. Ähnlich halten es auch Stadtwerke. Die Wohnungswirtschaft schmeißt auch niemanden aus der Wohnung."

Es gebe auch die Gefahr dass Leute das ausnutzen könnten. Deshalb müsse man Belege anführen für die finanzielle Not. "Aber, sobald man in einer solchen ist, braucht man keine Angst haben, dass man auf der Straße landet."

Sendung: Antenne Brandenburg, 15.04.2020, 11 Uhr.

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