Rechte Gewalt in Märkisch-Oderland - Mehr als 100 Fälle im vergangenen Jahr gemeldet

Mi 05.05.21 | 15:34 Uhr
Symbolbild: Neonazis von der NPD bzw. dem III. Weg bei einer öffentlichen Demonstration. (Quelle: imago images/A. Pohl)
Bild: imago images/A. Pohl

Gerade wurde ein Verdächtiger gefasst, der mit dem Kürzel "NSU2.0" Drohmails mit rechtsextremen Inhalten verschickt hat. Auch in Ostbrandenburg ist rechte Gewalt ein Problem, das weiß auch Tom Kurz von der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt MOL.

rbb|24: Herr Kurz, sie sind in der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Märkisch-Oderland tätig. Am Mittwochabend stellen Sie die jährliche Chronik zu fremdenfeindlichen und antisemitischen Aktivitäten im Landkreis online vor. Was fassen Sie alles unter "rechten Vorfällen zusammen?

Tom Kurz: Darunter fassen wir alles, was in irgendeiner Form mit rechtem Gedankengut transportiert wird oder damit zu tun hat. Unter Vorfalls-Arten fassen wir Pöbeleien, Beleidigungen und Bedrohungen sowie auch Angriffe zusammen, aber auch verschiedenste Propagandadelikte wie beispielsweise das Kleben entsprechenden Aufklebern, Schmierereien und das Verteilen von Flyern. Auch entsprechende Veranstaltungen fassen wir darunter, Sachbeschädigungen. Letztlich führen wir noch eine "sonstige Kategorie". Da fällt im vergangenen Jahr beispielsweise auch eine Hausdurchsuchung rein, wo Nazisymbole gefunden wurden.

2020 wurden insgesamt 107 Vorfälle ihrer Beratungsstelle einerseits von engagierten Bürgern und Betroffenen, andererseits werten Sie aber auch Polizeimeldungen und Landtagsanfragen aus. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl der Fälle mehr als verdoppelt. Was hat dazu geführt bzw. welche Formen rechter Gewalt haben besonders zugenommen?

Am häufigsten wurden uns im letzten Jahr sogenannte Propagandadelikte gemeldet. Das waren 37 der 107 Vorfälle. Das betraf vor allem im Bereich der S-Bahnlinie S5 mit den Schwerpunkten Petershagen und Strausberg. Darüber hinaus haben auch entsprechende Veranstaltungen zugenommen. Da waren die im Corona-Kontext, die teilweise nach rechts hin offen waren oder von rechten Parteien/Organisationen veranstaltet wurden. Einordnend muss ich aber sagen, dass wir als ehrenamtliche Struktur jedes Jahr ein bisschen wachsen und unsere Melder*innenstruktur sich auch ausweitet.

Wie sieht es denn mit anderen Regionen in Märkisch-Oderland aus - wo zeigt sich rechte Gewalt besonders stark?

Also wenn wir uns die räumliche Verteilung der Vorfälle angucken, können wir sehen, dass eigentlich in jeder kleineren Gemeinde in Märkisch-Oderland irgendwas passiert ist. Auch wenn wir uns die größeren Städte wie Wriezen, Müncheberg oder Strausberg ansehen, dann bewegt sich alles relativ auf einem gleichen Niveau. So haben wir ungefähr die gleiche Anzahl an Beleidigungen. Es gibt aber auch eine hohe Dunkelziffer. Beispielsweise bekommen wir aus Bad Freienwalde so gut wie gar nichts gemeldet, wobei wir davon ausgehen, dass da viel viel mehr passiert. Das speist sich einfach aus Erfahrungswerten der letzten Jahre.

Das Interview führte Felicitas Montag für rbb|24.

 

Sendung: Antenne Brandenburg, 05.05.2021, 14:40 Uhr

Nächster Artikel