Flucht vor den Taliban - Die lange Odyssee dreier afghanischer Frauen nach Deutschland

Di 16.11.21 | 16:26 Uhr
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Frei afghanische Frauen sind am BER nach ihrer Flucht angekommen. (Quelle: Lucia Heisterkamp/rbb)
Audio: Antenne Brandenburg | 15.11.2021 | Julian von Bülow | Bild: Lucia Heisterkamp/rbb

Die Flucht von drei Frauen aus Afghanistan ist nach langer Odyssee zu Ende. Sie kamen jetzt per Flugzeug am BER an. Zuvor waren sie am Kabuler Flughafen gescheitert, nach Deutschland zu kommen. Dann saßen sie im äußersten Norden Afghanistans fest.

Es waren Monate des Grauens, Monate der Angst und vor allem Monate des Bangens und Hoffens: Seit August hatten die drei Frauen versucht, nach der Machtergreifung der radikal-islamischen Taliban ihre Heimat Afghanistan zu verlassen. Nach dem Abzug der internationalen Schutztruppen und insbesondere der US-Streitkräfte hatte sich die Situation für sie gefährlich zugespitzt. Denn: Sie sind alle Angehörige einer ehemaligen afghanischen Ortskraft, die für die Bundeswehr tätig gewesen war. Und damit unliebsame Personen für die neuen afghanischen Machthaber.

Wiedersehen nach sechs Jahren

"We are very happy. And thanks to all of you – for everything" (dt.: "Wir sind sehr glücklich. Und danke Euch allen – für alles." Anm. d. Red.), sagte Saida M. am Montag, als sie ihren Mann Esmail nach sechs Jahren am BER in Berlin wiedersah. Der Jubel und die Freude waren groß, als sie mit ihrer Schwägerin und deren Tochter in den Wartebereich des BER trat. Freunde und Helfer der Flucht begrüßten sie mit Blumen und Plakaten. "Ich bin so froh", sagte Esmail M., als er seine Frau in die Arme nehmen konnte.

Esmail M. war bereits 2015 aus Afghanistan nach Deutschland geflohen. Im brandenburgischen Ihlow (Teltow-Fläming), rund 80 Kilometer südlich von Berlin, wurde er heimisch und freundete sich mit den Wittes und den Hildebrandts an. Die beiden Familien unterstützten den Afghanen dabei, seine Frau, seine Schwester und Nichte nach der Machtübernahme der Taliban nach Deutschland zu holen. Doch das war gar nicht so einfach.

Chaotische Zustände nach Machtübernahme der Taliban

Als US-Präsident Joe Biden den amerikanischen Truppenabzug bis Ende August 2021 angekündigt hatte, verschlechterte sich Anfang August die Situation für die drei Frauen. Chaos brach damals am Kabuler Flughafen aus, als die Taliban nach ihrem Siegeszug über weite Teile Afghanistans schließlich die Hauptstadt erreichten. Die USA, Deutschland, Großbritannien und andere Staaten versuchten viele Schutzbedürftige in Flugzeugen in Sicherheit zu bringen, doch wie viele andere blieben Saida M. mit ihrer Schwägerin und deren Tochter zurück.

"Ich habe Bomben, Schüsse am Telefon gehört. Für die Kinder ganz, ganz schlimm", berichtet Esmail M. über die Schreckenstage, als die Evakuierung aus Kabul immer unwahrscheinlicher wurde. Zunächst hatte er mit den Wittes und Hildebrandts noch gehofft, dass das Auswärtige Amt die Angehörigen der Ortskräfte an den Flughafen bringen wird. Das sei aber nicht passiert, wie Frauke Hildebrandt berichtet. "Wir haben sie dann an die usbekische Grenze quer durch Afghanistan gelotst."

Flucht über Tadschikistan als Alternative

"Und das war eigentlich der schlimmste Moment, als wir dann an der usbekischen Grenze waren", erinnert sich Hildebrandt. Ihren Informationen nach sollten die Afghaninnen, die Einladungen und gültige Bescheinigungen vorweisen konnten, nach Usbekistan einreisen dürften. "Und dann sind die rüber gelaufen. Einen Kilometer über die Brücke. Und dann haben sie die Usbeken ausgelacht und nicht reingelassen", berichtete Hildebrandt.

Die Helfer organisierten daraufhin einen anderen Fluchtweg, der über das Nachbarland Tadschikistan führen sollte. Diesmal schafften die drei es auch über die Grenze, hätten jedoch einen Monat auf die Einreisepapiere aus Deutschland warten müssen, wie Hildebrandt berichtet. "Wenn Sie so nah mit denen kommunizieren, da kriegen Sie die Ängste natürlich mit über WhatsApp. Wir hatten sie ja immer im direkten Kontakt. Diese Ohnmacht ist schlimm."

Doch letztlich kamen die Einreisepapiere, und die afghanischen Frauen erhielten Touristenvisa für 30 Tage. Damit landeten sie am BER in Berlin. Noch ist unklar, wie es für sie nun weiter geht. Nun wollen sie sich eine Woche von den Strapazen ihrer Flucht erholen. Danach wollen sie gemeinsam in Ihlow überlegen, wie es weitergehen soll und ob sie einen dauerhaften Aufenthaltsstatus in Deutschland bekommen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 15.11.2021, 16:40 Uhr

Mit Material von Julian von Bühlow

1 Kommentar

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  1. 1.

    Sollte Deutschland wirklich das einzige sichere Land auf der Welt sein, da fast alle Migranten nach Deutschland kommen.
    Normalerweise flüchtet man in ein Land mit ähnlicher Kultur und reist nicht um die halbe Erde, nur um in Deutschland um Asyl zu bitten. Also irgend was stimmt da hinten und vorne nicht.

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