Rekonstruktion mit 3.000 Fotos - Prenzlauer Marienkirche bekommt Orgel aus dem schottischen Glasgow

Mi 16.02.22 | 13:17 Uhr
Handwerker aus Eberswalde Rekonstruieren Orgel aus Schottland für Marienkirche in Prenzlau
Audio: Antenne Brandenburg | 16.02.2022 | Riccardo Wittig | Bild: Riccardo Wittig/rbb

Schottland kann nicht nur mit Dudelsäcken, sondern auch mit Orgeln aufwarten. Nach Jahren in einem Keller in Glasgow soll ein Exemplar ab 2023 die Gottesdienste in Prenzlau begleiten. Bis dahin steht aber noch eine umfangreiche Rekonstruktion an.

In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges ist die St. Marienkirche in Prenzlau beinahe komplett abgebrannt. Außer den Umfassungsmauern war nichts übriggeblieben. Auch die Orgel wurde bei dem Feuer zerstört. Vor drei Jahren erreichte dann ein 40-Tonner die Stadt in der Uckermark - beladen mit einer riesigen Orgel aus Schottland. Jetzt warten viele Prenzlauer sehnsüchtig auf den Aufbau des historischen Instruments. Im Hintergrund laufen bereits die ersten Restaurierungsarbeiten.

2.000 Pfeifen aus dem schottischen Glasgow

Mehr als 2.000 Pfeifen gehören zu der 1904 im schottischen Kilbarchan bei Glasgow erbauten Orgel. Fast 100 Jahre hatte sie dort ihren Dienst verrichtet. Dann wurde sie nicht mehr benötigt. Die Viktorianische Orgel gehört zu den größten ihrer Art. So ist ihre größte Pfeife rund fünf Meter lang. In der Orgelbau-Werkstatt Eberswalde (Barnim) erhalten gerade die ersten Teile eine Überarbeitung. Orgelbaumeister Andreas Mähnert ist aktuell dabei eine Windlade zu verlegen - ein Bauteil, welches die Luftzufuhr für die Pfeifen regelt. "Diese Windlade hat in Schottland im Keller gestanden, wo es sehr feucht war. Deshalb sind alle Schrauben natürlich gerostet und lassen sich auch schwer lösen."

Rekonstruktion anhand tausender Fotos

Einen Raum weiter arbeitet Harry Sander am sogenannten Spieltisch. Das ist das eigentliche Herzstück der Orgel. Dieser ist in Einzelteile zerlegt. Damit das Orgel-Puzzle später wieder richtig aufgebaut wird, kleben überall Notizzettel. Trotzdem bleibt die Rekonstruktion eine Herausforderung für die Handwerker. Drei Wochen haben die Eberswalder im Jahr 2018 für den Abbau der Orgel vor Ort in Schottland benötigt. Zur Dokumentation wurden damals 2.000 bis 3.000 Tausend Fotos aufgenommen.

Jetzt wird in der Brandenburgischen Werkstatt jedes Teil genau unter die Lupe genommen und mit dem Foto verglichen. Was nicht mehr in Ordnung ist, wird ersetzt. Harry Sander, der seit 53 Jahren Orgeln baut und instand setzt, ist über den guten Zustand vieler Teile erstaunt. "Selbst die Ledermuttern sind gut, dass man die alle erhalten kann. Die lassen sich noch wunderbar drehen."

Neue Orgenklänge frühestens 2023

Acht Meter breit und sieben Meter hoch ist die Orgel insgesamt. Mit ihrem Klang und dem Aufbau wird sie vermutlich eine der wenigen sein, die es von diesem Orgel-Typ in Deutschland gibt. Der Mitarbeiter Andreas Müller ist von diesem Auftrag begeistert. "Es ist auch für uns etwas Besonderes und für jeden Orgelbauer, der hier dran arbeiten darf."

Bis alle der mehr als 10.000 Teile wieder aufgearbeitet sind, werden noch Monate vergehen. Nach ihrer Restaurierung soll die Orgel in der Prenzlauer Marienkirche dann erstmals aufgebaut werden. Dafür muss aber zuvor noch eine Empore errichtet werden. Die sei notwendig, weil ein Teil der Orgel am Ursprünglichen Standort in einem Keller versenkt war. Baubeginn mit der Empore soll im Sommer 2022 sein, die Orgel selbst dann ab März oder April 2023. Die Kosten für Empore und Orgel belaufen sich auf fast 1,5 Millionen Euro. Etwa 500.000 Euro werden aus Fördermittel finanziert. Den Großteil trägt aber die Gemeinde der Evangelischen Kirche.

Sendung: Antenne Brandenburg, 16.02.2022, 15:20 Uhr

Mit Material von Riccardo Wittig

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