Ukrainische Gemeinschaft in Słubice - "Ich fürchte um meine Familie in der Ukraine"

In der polnischen Grenzstadt Słubice an der Oder leben hunderte Ukrainer. Viele machen sich Sorgen um einen möglichen Krieg mit Russland. Doch in der Słubicer orthodoxen Kirche gehen Ukrainer und Russen friedlich miteinander um.
Die Kirche der Allheiligen Gottesmutter in Słubice ist ein Treffpunkt für orthodoxe Christen. Sie wurde 2015 fertiggestellt, nachdem die Gläubigen den Neubau mit Spenden finanziert hatten. Viele von ihnen sind Ukrainer – auch der Pfarrer selbst, Michał Kowal. Und auch hier, direkt an der deutschen Grenze, ist der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine spürbar.
"Die Ukrainer wollen Frieden. Unsere Gemeinde hier in Słubice besteht nicht nur aus Ukrainern, sondern auch aus Russen, Belarussen, Moldauern und Georgiern", erzählt der Pfarrer. Die Gläubige, die zu seiner Kirche kommen, streiten sich nicht, so Kowal. "Alle machen sich Sorgen. Niemand will Krieg", sagt er. Als religiöser Führer der Gemeinde habe Kowal gerade jetzt viel zu tun. Viele Menschen würden seelischen Beistand suchen.
300.000 Ukrainer leben in Polen
Kowal ist einer von den etwa 300.000 ukrainischen Staatsbürgern, die in Polen leben. In der an Brandenburg grenzenden Lebuser Wojewodschaft sind es ungefähr 13.000. In Słubice, die mit einer Brücke über die Oder mit Frankfurt (Oder) verbunden ist, leben und arbeiten hunderte Ukrainerinnen und Ukrainer, viele schon seit Jahren. Besonders jetzt verfolgen sie das Geschehen in ihrer alten Heimat.
Denn seit Monaten sind tausende russische Soldaten an der russisch-ukrainischen Grenze stationiert – was von der NATO und der Ukraine selbst als Kriegsbredrohung wahrgenommen wird. Anfang der Woche behauptete die russische Regierung, dass der Truppenabzug schon begonnen hätte. Am Donnerstag berichtete jedoch die Presseagentur Reuters über eine verstärkte Militärpräsenz in der Region. Laut dem Nachrichtensender CNN soll in Belarus, unweit der ukrainischen Grenze, über Nacht eine neue Brücke entstanden sein, die die Truppenbewegung erleichtern könnte.
"Wir sind ein souveränes Land"
In der orthodoxen Kirche in Słubice blickt der Ukrainer Igor Kusevitsch mit Unruhe in Richtung Heimat. "Ich bin besorgt und das ganze gefällt mir nicht. Ich fürchte um meine Familie in der Ukraine", erzählt er dem rbb. Vor anderthalb Jahren sei er mit seiner Familie aus der West-Ukraine nach Polen gezogen. "Es ist schwer zu ertragen", sagt Kusevitsch.
Die ukrainische Gemeinschaft der polnischen Stadt begrüßt die Unterstützungsbekundungen der internationalen Gemeinschaft und die Solidarität der polnischen Bevölkerung. So wie Artem Koch, der seit neun Jahren in Słubice lebt. Koch hat eine klare Meinung zu den Forderungen des russischen Präsidenten Vladimir Putin nach dem Stopp der NATO-Osterweiterung.
"Wir können genauso gut von Russland verlangen, dass es nicht mit Weißrussland oder mit anderen Ländern paktiert. Doch wir sagen ihnen nicht, dass sie das nicht dürfen", sagt Koch. "Wir sind ein souveränes Land."
Polnische Städte bereiten sich auf ukrainische Geflüchtete
In den vergangenen Tagen reisten der französische Präsident, Emmanuel Macron, und der deutsche Bundeskanzler, Olaf Scholz, nach Moskau. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock flog vergangene Woche nach Kiew. Trotz den diplomatischen Bemühungen bleibt die Lage an den ukrainischen Grenzen vorerst angespannt.
Polen bereitet sich vorsorglich auf die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine vor. Gemeinden, die an der polnisch-ukrainischen Grenze liegen, wurden bereits angewiesen, entsprechende Gebäude und Einrichtungen bereit zu halten. Auch in Słubice rechnet man damit, dass die ukrainische Gemeinschaft größer werden dürfte.
Sendung: Antenne Brandenburg, 17.02.2022, 16 Uhr
Mit Material von Jakub Paczkowski